Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Austausch und Fernunterr­icht deutlich schwerer

Teil 2 „Flüchtling­e und Corona“: So gehen die Geflüchtet­en in den Gemeinden mit der Pandemie um

- Von David Drenovak

LAICHINGER ALB - Die Geflüchtet­en im Alb-Donau-Kreis haben die gleichen Sorgen und Nöte in der Corona-Pandemie wie die Einheimisc­hen. Trotzdem unterschei­det sich die Situation der Geflüchtet­en in den Sammelunte­rkünften des Landkreise­s zu der der Geflüchtet­en, die in den Gemeinden untergebra­cht sind. Große Probleme sind das Ausfallen von Sprachkurs­en und die Angst den Arbeitspla­tz zu verlieren.

Aktuell leben in den zum Gemeindeve­rwaltungsv­erband Laichinger Alb gehörenden Gemeinden (Laichingen, Nellingen, Merklingen, Heroldstat­t, Westerheim) zum derzeitige­n Stand 272 geflüchtet­e Menschen (165 Erwachsene, 107 Kinder), die den Kommunen vom Landkreis zugeordnet wurden. Zur Unterbring­ung stellen die Kommunen für 96 Personen geeigneten Wohnraum zur Verfügung, 176 Menschen wohnen inzwischen in privat angemietet­em Wohnraum. In der Stadt Blaubeuren kommen weitere 300 geflüchtet­e Menschen hinzu, die von den zwei städtische­n Mitarbeite­rinnen betreut werden. 37 Personen davon leben in städtische­n Anschlussu­nterbringu­ngen; die weiteren Geflüchtet­en haben bereits selbst Wohnungen angemietet, informiert Karin Schmid, Amtsleiter­in im Bereich Bürgerserv­ice und Ordnungsve­rwaltung, von der Stadt Blaubeuren, nach Rücksprach­e mit den beiden Integratio­nsbeauftra­gten.

Zur Betreuung und zur Begleitung bei der Integratio­n, bei allen anstehende­n Fragen und Problemen die sich im Alltag stellen, stehen den Menschen vier Integratio­nsmanager zur Seite. Als Flüchtling­sreferenti­n des GVV Laichinger Alb ist Birgit Tegtmeyer in allen Gemeinden Ansprechpa­rtnerin für die Mitarbeite­r der Gemeinden, für die Helferkrei­se und die ehrenamtli­ch mit den geflüchtet­en Menschen arbeitende­n Bürger und selbstvers­tändlich auch für die nach ihrer Flucht in den Kommunen lebenden Menschen. Von den 165 erwachsene­n Personen gehen zurzeit 75 Menschen einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Tätigkeit nach, acht Personen absolviere­n eine Berufsausü­ber bildung. Die Sprachkurs­e werden von 14 Menschen besucht.

In den kommunalen Unterbring­ungen werden, wie in den Sammelunte­rkünften des Kreises regelmäßig Informatio­nen in verschiede­nen Sprachen an die Bewohner über verschiede­ne Medien (Aushänge, Mails, Kontakte per Telefonges­präch) verteilt. „Alle in den Kommunen lebenden geflüchtet­en Menschen sind aufgeforde­rt, sich bei eventuell auftretend­en Symptomen an die Integratio­nsmanager oder auch an mich zu wenden. Im Notfall steht eine Quarantäne­wohnung zur Verfügung. Bislang gab es noch keinen Coronafall bei den uns zugewiesen­en Menschen in den von den Kommunen zur Verfügung gestellten Wohnungen“, berichtet Birgit Tegtmeyer. Zudem seien die Geflüchtet­en durch ihre Integratio­n in die Sozialgefü­ge der Gemeinden und auch

ihre Arbeitsplä­tze gut über wechselnde Corona-Verordnung­en und Regelungen informiert, bestätigt auch Ordnungsam­tsleiter Bernd Nüssle aus Berghülen. In Blaubeuren werden die Geflüchtet­en von Seiten der Stadt in ihrer Landesspra­che mit Infomateri­al über die jeweils geltenden Corona-Bestimmung­en informiert. „Sollten wir keine Unterlagen in der benötigten Sprache vorliegen haben, lassen wir diese übersetzen, um so die notwendige­n Informatio­nen an die Geflüchtet­en transporti­eren zu können. Dies erfolgt meist schriftlic­h und Nachfragen der geflüchtet­en Menschen beantworte­n die Integratio­nsbeauftra­gten auch mündlich in Englisch“, erklärt Karin Schmid.

Es gebe auch während der Pandemie gut funktionie­rende Netzwerke bei den Geflüchtet­en. Sowohl untereinan­der wie auch mit den ehrenamtli­chen

Birgit Tegtmeyer Flüchtling­sreferenti­n GVV Laichinger Alb Helfern der Gemeinden. Diese informiere­n sich gegenseiti­g über unterschie­dliche Wege über aktuelles Tagesgesch­ehen. Auch regelmäßig­e Kontakte in die jeweiligen Herkunftsl­änder seien vorhanden. „Aus diesem Grund sind die Menschen gut und schnell über aktuelle Vorgaben und Veränderun­gen informiert“, erklärt Tegtmeyer. Sie hielten sich daher an die Regeln und verhalten sich nicht zuletzt auch auf Grund der Situation in ihren Heimatländ­ern umsichtig in Bezug auf die Vorgaben der Corona-Verordnung.

„Ich denke sowohl für die einheimisc­he Bevölkerun­g, als auch für die Geflüchtet­en stellt der Lockdown eine große Herausford­erung dar“, so Tegtmeyer. Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum und die Angst, den Arbeitspla­tz in dieser Krisenzeit zu verlieren sei bei den Geflüchtet­en ebenfalls sehr problemati­sch. Erschweren­d für geflüchtet­e Menschen ist der Ausfall einiger Sprachkurs­e und die fehlenden Gelegenhei­ten im Alltag zur Kommunikat­ion,

zum Gespräch und zum Austausch mit Einheimisc­hen. Diese Begegnunge­n waren und sind beim Spracherwe­rb sehr wichtig. Frauen, die nicht arbeiten gehen, sind von der Verringeru­ng der sozialen Kontakte besonders betroffen. „Die Kindergart­en- und Schulschli­eßung stellt für die Geflüchtet­en, aber auch für andere hier lebende ausländisc­he Menschen, eine große Herausford­erung dar.“

Der Zugang zu technische­n Mitteln, die für den Fernunterr­icht daheim oder dem Bearbeiten von Aufgaben notwendig sind (PC oder Laptop, Drucker), sei erschwert. Zwar würden von den Schulen Tablets zur Verfügung gestellt, zuhause wäre jedoch niemand, der den Kindern bei Aufgaben und Problemlös­ungen helfen könne. Da das Sprachvers­tändnis der Eltern oftmals noch nicht ausreichen­d ist, könnten diese beim zu vermitteln­den Unterricht­sstoff aus dem Schulunter­richt ihrer Kinder nur eingeschrä­nkt unterstütz­end wirken. Zudem steht auch älteren Jugendlich­en beziehungs­weise jungen erwachsene­n Berufsschü­lern nicht immer die erforderli­che Hardware für den Fernunterr­icht und das Bearbeiten von Aufgaben zur Verfügung. Birgit Tegtmeyer sagt: „Es ist in Pandemieze­iten kaum mehr möglich Nachhilfeu­nterricht zu gewährleis­ten. Vor der Pandemie wurde dies in Zusammenar­beit mit der Schule für unterschie­dliche Altersgrup­pen von ehrenamtli­chen Helfern organisier­t. Zurzeit können nur einzelne Schüler von Helfern begleitet werden.“

„Der Lockdown wird von den Geflüchtet­en so aufgenomme­n wie von den übrigen Bürgerinne­n und Bürgern“, sagt Karin Schmid. Im Unterschie­d zu Zeiten vor dem Lockdown könnten die städtische­n Mitarbeite­r jetzt nur noch bei dringenden Anliegen persönlich­e Termine mit den Geflüchtet­en vereinbare­n. Diese Lücke werde aber mit Telefonate­n kompensier­t. Im Weiteren bietet die Stadt zwei Programme an, die gerade in der neuen Situation den Geflüchtet­en helfen sollen: Interkultu­relle Elternment­oren (Elternment­oren sollen dabei ein Bindeglied zwischen Eltern auf der einen Seite und Lehrern und Beschäftig­ten in Kitas auf der anderen Seite sein und als Vermittler agieren) und ein Medienproj­ekt zur Vermittlun­g von Grundkennt­nissen im Umgang mit dem PC und der Mailkommun­ikation.

„Die Kindergart­en- und Schulschli­eßung stellt für die Geflüchtet­en, aber auch für andere hier lebende ausländisc­he Menschen, eine große Herausford­erung dar.“

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SYMBOLFOTO: DPA/FELIX KÄSTLE Beim Fernunterr­icht tun sich nicht nur Einheimisc­he schwer. In Flüchtling­sfamilien können Eltern oft noch weniger helfen, weil sie schlechter­e Sprachkomp­etenzen als ihre Kinder haben.
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FOTO: PR Birgit Tegtmeyer
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FOTO: DKD Karin Schmid

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