Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Austausch und Fernunterricht deutlich schwerer
Teil 2 „Flüchtlinge und Corona“: So gehen die Geflüchteten in den Gemeinden mit der Pandemie um
LAICHINGER ALB - Die Geflüchteten im Alb-Donau-Kreis haben die gleichen Sorgen und Nöte in der Corona-Pandemie wie die Einheimischen. Trotzdem unterscheidet sich die Situation der Geflüchteten in den Sammelunterkünften des Landkreises zu der der Geflüchteten, die in den Gemeinden untergebracht sind. Große Probleme sind das Ausfallen von Sprachkursen und die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren.
Aktuell leben in den zum Gemeindeverwaltungsverband Laichinger Alb gehörenden Gemeinden (Laichingen, Nellingen, Merklingen, Heroldstatt, Westerheim) zum derzeitigen Stand 272 geflüchtete Menschen (165 Erwachsene, 107 Kinder), die den Kommunen vom Landkreis zugeordnet wurden. Zur Unterbringung stellen die Kommunen für 96 Personen geeigneten Wohnraum zur Verfügung, 176 Menschen wohnen inzwischen in privat angemietetem Wohnraum. In der Stadt Blaubeuren kommen weitere 300 geflüchtete Menschen hinzu, die von den zwei städtischen Mitarbeiterinnen betreut werden. 37 Personen davon leben in städtischen Anschlussunterbringungen; die weiteren Geflüchteten haben bereits selbst Wohnungen angemietet, informiert Karin Schmid, Amtsleiterin im Bereich Bürgerservice und Ordnungsverwaltung, von der Stadt Blaubeuren, nach Rücksprache mit den beiden Integrationsbeauftragten.
Zur Betreuung und zur Begleitung bei der Integration, bei allen anstehenden Fragen und Problemen die sich im Alltag stellen, stehen den Menschen vier Integrationsmanager zur Seite. Als Flüchtlingsreferentin des GVV Laichinger Alb ist Birgit Tegtmeyer in allen Gemeinden Ansprechpartnerin für die Mitarbeiter der Gemeinden, für die Helferkreise und die ehrenamtlich mit den geflüchteten Menschen arbeitenden Bürger und selbstverständlich auch für die nach ihrer Flucht in den Kommunen lebenden Menschen. Von den 165 erwachsenen Personen gehen zurzeit 75 Menschen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach, acht Personen absolvieren eine Berufsausüber bildung. Die Sprachkurse werden von 14 Menschen besucht.
In den kommunalen Unterbringungen werden, wie in den Sammelunterkünften des Kreises regelmäßig Informationen in verschiedenen Sprachen an die Bewohner über verschiedene Medien (Aushänge, Mails, Kontakte per Telefongespräch) verteilt. „Alle in den Kommunen lebenden geflüchteten Menschen sind aufgefordert, sich bei eventuell auftretenden Symptomen an die Integrationsmanager oder auch an mich zu wenden. Im Notfall steht eine Quarantänewohnung zur Verfügung. Bislang gab es noch keinen Coronafall bei den uns zugewiesenen Menschen in den von den Kommunen zur Verfügung gestellten Wohnungen“, berichtet Birgit Tegtmeyer. Zudem seien die Geflüchteten durch ihre Integration in die Sozialgefüge der Gemeinden und auch
ihre Arbeitsplätze gut über wechselnde Corona-Verordnungen und Regelungen informiert, bestätigt auch Ordnungsamtsleiter Bernd Nüssle aus Berghülen. In Blaubeuren werden die Geflüchteten von Seiten der Stadt in ihrer Landessprache mit Infomaterial über die jeweils geltenden Corona-Bestimmungen informiert. „Sollten wir keine Unterlagen in der benötigten Sprache vorliegen haben, lassen wir diese übersetzen, um so die notwendigen Informationen an die Geflüchteten transportieren zu können. Dies erfolgt meist schriftlich und Nachfragen der geflüchteten Menschen beantworten die Integrationsbeauftragten auch mündlich in Englisch“, erklärt Karin Schmid.
Es gebe auch während der Pandemie gut funktionierende Netzwerke bei den Geflüchteten. Sowohl untereinander wie auch mit den ehrenamtlichen
Birgit Tegtmeyer Flüchtlingsreferentin GVV Laichinger Alb Helfern der Gemeinden. Diese informieren sich gegenseitig über unterschiedliche Wege über aktuelles Tagesgeschehen. Auch regelmäßige Kontakte in die jeweiligen Herkunftsländer seien vorhanden. „Aus diesem Grund sind die Menschen gut und schnell über aktuelle Vorgaben und Veränderungen informiert“, erklärt Tegtmeyer. Sie hielten sich daher an die Regeln und verhalten sich nicht zuletzt auch auf Grund der Situation in ihren Heimatländern umsichtig in Bezug auf die Vorgaben der Corona-Verordnung.
„Ich denke sowohl für die einheimische Bevölkerung, als auch für die Geflüchteten stellt der Lockdown eine große Herausforderung dar“, so Tegtmeyer. Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum und die Angst, den Arbeitsplatz in dieser Krisenzeit zu verlieren sei bei den Geflüchteten ebenfalls sehr problematisch. Erschwerend für geflüchtete Menschen ist der Ausfall einiger Sprachkurse und die fehlenden Gelegenheiten im Alltag zur Kommunikation,
zum Gespräch und zum Austausch mit Einheimischen. Diese Begegnungen waren und sind beim Spracherwerb sehr wichtig. Frauen, die nicht arbeiten gehen, sind von der Verringerung der sozialen Kontakte besonders betroffen. „Die Kindergarten- und Schulschließung stellt für die Geflüchteten, aber auch für andere hier lebende ausländische Menschen, eine große Herausforderung dar.“
Der Zugang zu technischen Mitteln, die für den Fernunterricht daheim oder dem Bearbeiten von Aufgaben notwendig sind (PC oder Laptop, Drucker), sei erschwert. Zwar würden von den Schulen Tablets zur Verfügung gestellt, zuhause wäre jedoch niemand, der den Kindern bei Aufgaben und Problemlösungen helfen könne. Da das Sprachverständnis der Eltern oftmals noch nicht ausreichend ist, könnten diese beim zu vermittelnden Unterrichtsstoff aus dem Schulunterricht ihrer Kinder nur eingeschränkt unterstützend wirken. Zudem steht auch älteren Jugendlichen beziehungsweise jungen erwachsenen Berufsschülern nicht immer die erforderliche Hardware für den Fernunterricht und das Bearbeiten von Aufgaben zur Verfügung. Birgit Tegtmeyer sagt: „Es ist in Pandemiezeiten kaum mehr möglich Nachhilfeunterricht zu gewährleisten. Vor der Pandemie wurde dies in Zusammenarbeit mit der Schule für unterschiedliche Altersgruppen von ehrenamtlichen Helfern organisiert. Zurzeit können nur einzelne Schüler von Helfern begleitet werden.“
„Der Lockdown wird von den Geflüchteten so aufgenommen wie von den übrigen Bürgerinnen und Bürgern“, sagt Karin Schmid. Im Unterschied zu Zeiten vor dem Lockdown könnten die städtischen Mitarbeiter jetzt nur noch bei dringenden Anliegen persönliche Termine mit den Geflüchteten vereinbaren. Diese Lücke werde aber mit Telefonaten kompensiert. Im Weiteren bietet die Stadt zwei Programme an, die gerade in der neuen Situation den Geflüchteten helfen sollen: Interkulturelle Elternmentoren (Elternmentoren sollen dabei ein Bindeglied zwischen Eltern auf der einen Seite und Lehrern und Beschäftigten in Kitas auf der anderen Seite sein und als Vermittler agieren) und ein Medienprojekt zur Vermittlung von Grundkenntnissen im Umgang mit dem PC und der Mailkommunikation.
„Die Kindergarten- und Schulschließung stellt für die Geflüchteten, aber auch für andere hier lebende ausländische Menschen, eine große Herausforderung dar.“