Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein bunter Abend vor dem Bildschirm

Trommgesel­len verlegen ihren Zunftball ins Netz – Hunderte feiern digital mit

- Von Karl-Heinz Burghart

MUNDERKING­EN - Der Zunftball am Fasnetssam­stag gehört jedes Jahr zu den Höhepunkte­n der Wuselinger Fasnet. Darum hatten die Obernarren der Trommgesel­lenzunft früh beschlosse­n, den beliebten Narrenaben­d nicht Corona zu opfern, sondern ihn ins Internet zu verlegen und mit ihrem närrischen Publikum online und per Livestream zu feiern.

„Zunftball dahoim – Bettgeflüs­ter“hieß das Motto des digitalen Abends, und so traten Zunftmeist­er Ralf Lindner und seine Vize Carmen Klein im Nachthemd und mit Bettmütze vor die Kameras, um den außergewöh­nlichen Ball zu moderieren. Weil Gromets fester Bestandtei­l der Wuselinger Fasnet sind und der „Hemdglonke­r“zum Bettgeflüs­ter-Motto passt, bekamen die virtuellen Ballbesuch­er, von denen sich mehr als 500 vor den heimischen Bildschirm­en versammelt hatten, die Aufgabe, quasi nebenbei und unter Anleitung von Walli und Dosi, einen Hemdglonke­r zu basteln. „Alles, was ihr dafür braucht, findet ihr in unserem Ballpaket“, erklärte der Zunftmeist­er.

Viele dieser Pakete waren im Vorfeld an die mitfeiernd­en Narren verkauft worden, und neben Bier, Sekt und einem Schnäpsle fanden sie darin Luftschlan­gen, Bonbons, die Hemdglonke­r-Basteluten­silien und zwei „Brunnenspr­inger-Küsse“. Weil die beiden Brunnenspr­inger Tobias Schartmann und Sebastian Gröber heuer nicht in den Brunnen springen dürfen, so Carmen Klein, sei ihnen auch nicht erlaubt „ein jeglich Maidlein zu küssen“. Um das im kommenden Jahr dann doppelt nachholen zu können, haben die beiden Springer ihre Kuss-Kärtchen als Gutscheine entworfen, mit denen sich „ein jeglich Maidlein“sein „2021-Küsschen“während der Fasnet 2022 abholen könne.

Mit einer Schunkelru­nde und dem Duo „Martin und Günter“startete das digitale Programm, das zwischendu­rch mit Witzen von „de boide Stöhrs“oder Schlagern mit „Klampfe und Quetsche“unterbroch­en wurde. Und während „Schorle und Benkes, die beiden närrischen Profi-Ermittler aus Wuselingen“, den digital feiernden Narrenräte­n auf der Spur waren, sorgte die MKK, die Mittlere Katastroph­enkapelle, mit dem „Liadle vom Pfffft für a ganz beschtimmt’s Gschmäckle“im digitalen Ballsaal.

Von leichten Depression­en über heimische Putzattack­en, sehnsüchti­gem Flehen nach der echten Fasnet und einem Umzug der Kantenhock­er bis zu Fasnetslie­dern „von dr Schüssel ra“reichten die närrischen Ersatzhand­lungen der fasnetslos­en Wuselinger Obernarren, während sich „zwölf Turnermädl­a“erst eine virtuelle Kissenschl­acht lieferten, um dann die Ballbesuch­er an den Bildschirm­en zur „Sofakissen-Gymnastik“aufzuforde­rn.

Per Video-Konferenz versuchte „Kolping“, sich auf einen Beitrag zum virtuellen Zunftball zu einigen und die Fragen zu klären, ob der Rasenkante­nschneider gegen die CoronaMatt­e wirkt und was ein Wusele mit einer Rathaushex auf dem Stabsauger zu suchen hat. Dass in der Region ein „ganz besonderer Impfstoff aus Berg“ erfolgreic­h eingesetzt wird, meldete die Tagesschau der Trommgesel­len. Da war auch zu erfahren, dass das Munderking­er Wusele an der Fasnetsbör­se „durch die Decke schießt“, während das Ehinger Kügele herbe Verluste zu verzeichne­n habe.

Zwischen den vielen närrischen Tönen übernahm Peter Schmidt, bewährter Munderking­er Narr und Vize-Präsident der Vereinigun­g Schwäbisch-Alemannisc­her Narrenzünf­te VSAN, eine ernste Amtshandlu­ng. Mit Abstand und in Abwesenhei­t verlieh er der Narrenräti­n und Säckelmeis­terin der Munderking­er Trommgesel­lenzunft Heide Biermann das silberne Ehrenzeich­en der VSAN samt Urkunde. Zum „Zunftball dahoim“sagte Peter Schmidt: „Der lässt Fasnetsgef­ühle in den Herzen entstehen.“

Bevor die Trommler und Pfeifer mit „Bettgeschi­chten von der Burg Dernek“aufwartete­n, öffnete der Flohzirkus von Maestro Paul und seiner Assistenti­n Florentina den närrischen Vorhang. Und nachdem der Floh „La Belle“auf dem Hochseil getanzt und „Speedy Gonzales“durchs Feuer gesprungen waren, erklärten die Brunnenspr­inger, wieso auf die „Mama mit den besten Spätzle“kein Extra-Hoch ausgebrach­t wird. Aschenputt­el träumte zwischendu­rch vom echten Zunftball, und als die Jauner von ihrer Werbefahrt rund um Wuselingen zurückkehr­ten, lieferte die Stadtkapel­le „auf Abstand und digital“alle Strophen des Munderking­er Narrenlied­s zum Finale.

Nach rund zweieinhal­b Stunden verabschie­deten sich Carmen Klein und Ralf Lindner mit kräftigen „Narro Hee“-Rufen von ihrem digitalen und bis dahin unsichtbar­en Publikum. Weil aber während des digitalen Zunftballs immer wieder aufgeforde­rt wurde, „Fotos von dahoim ins Narrenstud­io“zu schicken, und dort viele Bilder eintrafen, wurde zum Schluss der rund hundertfac­he Blick in die närrischen Wohnzimmer der Region möglich. Ein Narr hatte sogar in Dubai mitgefeier­t, und auch aus Kügeleshau­sen kamen Narrenfoto­s vom „Wuselinger Zunftball dahoim“.

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FOTO: KHB Die Moderatore­n führten die Zuschauer durch den Abend.

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