Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein bunter Abend vor dem Bildschirm
Trommgesellen verlegen ihren Zunftball ins Netz – Hunderte feiern digital mit
MUNDERKINGEN - Der Zunftball am Fasnetssamstag gehört jedes Jahr zu den Höhepunkten der Wuselinger Fasnet. Darum hatten die Obernarren der Trommgesellenzunft früh beschlossen, den beliebten Narrenabend nicht Corona zu opfern, sondern ihn ins Internet zu verlegen und mit ihrem närrischen Publikum online und per Livestream zu feiern.
„Zunftball dahoim – Bettgeflüster“hieß das Motto des digitalen Abends, und so traten Zunftmeister Ralf Lindner und seine Vize Carmen Klein im Nachthemd und mit Bettmütze vor die Kameras, um den außergewöhnlichen Ball zu moderieren. Weil Gromets fester Bestandteil der Wuselinger Fasnet sind und der „Hemdglonker“zum Bettgeflüster-Motto passt, bekamen die virtuellen Ballbesucher, von denen sich mehr als 500 vor den heimischen Bildschirmen versammelt hatten, die Aufgabe, quasi nebenbei und unter Anleitung von Walli und Dosi, einen Hemdglonker zu basteln. „Alles, was ihr dafür braucht, findet ihr in unserem Ballpaket“, erklärte der Zunftmeister.
Viele dieser Pakete waren im Vorfeld an die mitfeiernden Narren verkauft worden, und neben Bier, Sekt und einem Schnäpsle fanden sie darin Luftschlangen, Bonbons, die Hemdglonker-Bastelutensilien und zwei „Brunnenspringer-Küsse“. Weil die beiden Brunnenspringer Tobias Schartmann und Sebastian Gröber heuer nicht in den Brunnen springen dürfen, so Carmen Klein, sei ihnen auch nicht erlaubt „ein jeglich Maidlein zu küssen“. Um das im kommenden Jahr dann doppelt nachholen zu können, haben die beiden Springer ihre Kuss-Kärtchen als Gutscheine entworfen, mit denen sich „ein jeglich Maidlein“sein „2021-Küsschen“während der Fasnet 2022 abholen könne.
Mit einer Schunkelrunde und dem Duo „Martin und Günter“startete das digitale Programm, das zwischendurch mit Witzen von „de boide Stöhrs“oder Schlagern mit „Klampfe und Quetsche“unterbrochen wurde. Und während „Schorle und Benkes, die beiden närrischen Profi-Ermittler aus Wuselingen“, den digital feiernden Narrenräten auf der Spur waren, sorgte die MKK, die Mittlere Katastrophenkapelle, mit dem „Liadle vom Pfffft für a ganz beschtimmt’s Gschmäckle“im digitalen Ballsaal.
Von leichten Depressionen über heimische Putzattacken, sehnsüchtigem Flehen nach der echten Fasnet und einem Umzug der Kantenhocker bis zu Fasnetsliedern „von dr Schüssel ra“reichten die närrischen Ersatzhandlungen der fasnetslosen Wuselinger Obernarren, während sich „zwölf Turnermädla“erst eine virtuelle Kissenschlacht lieferten, um dann die Ballbesucher an den Bildschirmen zur „Sofakissen-Gymnastik“aufzufordern.
Per Video-Konferenz versuchte „Kolping“, sich auf einen Beitrag zum virtuellen Zunftball zu einigen und die Fragen zu klären, ob der Rasenkantenschneider gegen die CoronaMatte wirkt und was ein Wusele mit einer Rathaushex auf dem Stabsauger zu suchen hat. Dass in der Region ein „ganz besonderer Impfstoff aus Berg“ erfolgreich eingesetzt wird, meldete die Tagesschau der Trommgesellen. Da war auch zu erfahren, dass das Munderkinger Wusele an der Fasnetsbörse „durch die Decke schießt“, während das Ehinger Kügele herbe Verluste zu verzeichnen habe.
Zwischen den vielen närrischen Tönen übernahm Peter Schmidt, bewährter Munderkinger Narr und Vize-Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte VSAN, eine ernste Amtshandlung. Mit Abstand und in Abwesenheit verlieh er der Narrenrätin und Säckelmeisterin der Munderkinger Trommgesellenzunft Heide Biermann das silberne Ehrenzeichen der VSAN samt Urkunde. Zum „Zunftball dahoim“sagte Peter Schmidt: „Der lässt Fasnetsgefühle in den Herzen entstehen.“
Bevor die Trommler und Pfeifer mit „Bettgeschichten von der Burg Dernek“aufwarteten, öffnete der Flohzirkus von Maestro Paul und seiner Assistentin Florentina den närrischen Vorhang. Und nachdem der Floh „La Belle“auf dem Hochseil getanzt und „Speedy Gonzales“durchs Feuer gesprungen waren, erklärten die Brunnenspringer, wieso auf die „Mama mit den besten Spätzle“kein Extra-Hoch ausgebracht wird. Aschenputtel träumte zwischendurch vom echten Zunftball, und als die Jauner von ihrer Werbefahrt rund um Wuselingen zurückkehrten, lieferte die Stadtkapelle „auf Abstand und digital“alle Strophen des Munderkinger Narrenlieds zum Finale.
Nach rund zweieinhalb Stunden verabschiedeten sich Carmen Klein und Ralf Lindner mit kräftigen „Narro Hee“-Rufen von ihrem digitalen und bis dahin unsichtbaren Publikum. Weil aber während des digitalen Zunftballs immer wieder aufgefordert wurde, „Fotos von dahoim ins Narrenstudio“zu schicken, und dort viele Bilder eintrafen, wurde zum Schluss der rund hundertfache Blick in die närrischen Wohnzimmer der Region möglich. Ein Narr hatte sogar in Dubai mitgefeiert, und auch aus Kügeleshausen kamen Narrenfotos vom „Wuselinger Zunftball dahoim“.