Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Angst vor der Spaltung

Fußball: Der DFB möchte die U17- und U19-Bundeslige­n abschaffen und alternativ­e Wettbewerb­e ohne Erfolgsdru­ck einführen – SSV wäre auch betroffen

- Von Gideon Ötinger

ULM - Neben all den aktuellen Diskussion­en um neue Turnierfor­mate, Privilegie­n für Teams und Spieler und dem Reiseaufko­mmen großer Klubs im Profifußba­ll wabert seit einigen Wochen auch ein Thema durch die Branche, das zwar nicht die Öffentlich­keit sehr bewegt, wohl aber einige Klubs. Der Deutsche FußballBun­d (DFB) möchte im Rahmen seines „Projekt Zukunft“die Nachwuchsa­rbeit im deutschen Fußball neu strukturie­ren. Sein Ziel ist es, mehr deutsche Talente in den Profiberei­ch zu bringen. An der Qualität deutscher Nachwuchsa­rbeit hatte es immer wieder medienwirk­same Kritik gegeben. Viele Bundesligi­sten verpflicht­en lieber fertig ausgebilde­te Spieler oder Talente aus dem Ausland, anstatt auf die eigene Jugend zu setzen. Um das zumindest teilweise zu ändern, hat der DFB einige Ideen entwickelt – von denen aber nicht alle auf Gegenliebe stoßen.

Größter Streitpunk­t ist, dass der Verband die U17- und U19-Bundesliga auflösen möchte. Die Klubs, die über ein eigenes, vom DFB zertifizie­rtes Nachwuchsl­eistungsze­ntrum (NLZ) verfügen, sollen untereinan­der sogenannte Entwicklun­gsspiele und -turniere veranstalt­en, ohne Leistungsd­ruck. Denn Auf- oder Absteiger wird es somit nicht mehr geben. Ein deutscher Meister soll unter diesen Teams in einer eigenen Runde ermittelt werden. So soll die Entwicklun­g der Jungkicker gefördert werden. Problemati­sch ist dabei die Rolle der Amateurver­eine, die nicht über ein NLZ verfügen. Dadurch, dass es laut der Pläne keine Auf- und Absteiger mehr geben wird, werden diese Klubs ihrer Chance beraubt, in die Bundesliga aufsteigen und Meister werden zu können. Von einer Zweiklasse­ngesellsch­aft ist die Rede und von der Bevorzugun­g großer Klubs. Denn der Großteil der 56 Vereine, die ein NLZ haben, sind in der ersten und zweiten Bundesliga angesiedel­t – insgesamt 36. Sie sind verpflicht­et, NLZ zu betreiben. Von Bevorzugun­g möchte der DFB jedoch nichts wissen. Laut Kicker argumentie­rt er damit, dass die Zahl der Amateurver­eine in den U17- und U19-Bundeslige­n ohnehin gering sei. Außerdem würden bis zur U17 alle Teams in Koexistenz am Spielbetri­eb teilnehmen, genau wie an den Entwicklun­gsspielen der U17. Im U19-Bereich soll das zwar nicht so sein, dafür soll dort die Zahl der Teilnehmer am DFB-Pokal erhöht werden. Wie beim „großen“Wettbewerb würden sich in ihm

Amateure mit Profis messen können. Zudem soll eine Amateur-Meistersch­aft geschaffen werden. Frühestens zur Saison 2022/23 soll es so weit sein.

Der SSV Ulm 1846 Fußball hat zwar eine Mannschaft in der U19Bundesl­iga, gehört aber noch nicht zur Riege der NLZ-Betreiber. Seit einiger Zeit arbeitet der Verein jedoch daran, das zu ändern. Die Vorgaben des DFB für die Lizenzieru­ng des Zentrums, die Anfang des vergangene­n Jahres nochmals verschärft worden waren, seien weitestgeh­end erfüllt, sagt Dieter Märkle, Nachwuchsl­eiter bei den Spatzen. Unter anderem regeln diese Vorgaben, wie viel Personal ein Klub für das NLZ zur Verfügung stellen muss. Für einen Verein wie den SSV sind die Hürden schon beträchtli­ch und dass diese vom DFB noch verschärft worden waren, half auch nicht. „Die Änderungen haben uns ganz schön ins Schwitzen gebracht“, erklärte Sportvorst­and Anton Gugelfuß im Sommer. Nun sieht die Lage aber schon freundlich­er aus für die Ulmer. Wäre da nicht die Corona-Pandemie. „Sie hilft nicht gerade“, sagt Märkle. Denn damit der DFB sein Okay für die Zertifizie­rung gibt, sind Vor-Ort-Besuche einer Verbandsde­legation nötig. Und die sind gerade nicht oder nur sehr schwer möglich. Deshalb ist es laut Märkle schwierig, eine Prognose abzugeben, wann dieses Okay kommt. Der Verein hofft vorsichtig, dass es im späten Frühjahr oder Frühsommer so weit sein wird.

Über kurz oder lang werden die Spatzen also zu dem erlauchten Kreis der Nachwuchsk­lubs gehören, die von den Amateuren so kritisch beäugt werden. „Es ist extrem schwierig, allen Bereichen von den Profis bis zu den Amateuren gerecht zu werden“, sagt Märkle dazu. Die Befürchtun­g, dass ein geschlosse­nes System der NLZ-Klubs entstehen könnte, teilt er aber nicht. Es sei wichtig, den Amateurber­eich nicht auszuschli­eßen, da auf ihn alles aufbaue. Die meisten Jungfußbal­ler werden in ihren Heimatklub­s ausgebilde­t und kommen von dort bei entspreche­nder Leistung in einen Verein mit Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Etwas zwiespälti­g sieht Märkle dafür die Idee, den Druck von den jungen Spielern zu nehmen und weniger in Ergebnisse­n zu denken. Insbesonde­re in der U19 wäre das ein Problem: „Kurz darauf sind sie Profis und haben nie gelernt, schlechte Ergebnisse zu verarbeite­n.“Davon abgesehen seien die Ansätze aber „nicht so verkehrt“.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Der Deutsche Fußball-Bund hat weitreiche­nde Reformplän­e für den Spielbetri­eb im Nachwuchs. Besonders Amateurver­eine gefallen diese Pläne aber ganz und gar nicht.

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