Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein seltener (An-) Blick
Sumpfohreule auf ehemaligem Truppenübungsplatz entdeckt – Gast auf der Durchreise
FELDSTETTEN/MÜNSINGEN/HEROLDSTATT (Gükü) - Sumpfohreulen, Asio flammeus, sind Vögel des Nordens. Sie brüten in nordischen Tundren, in Tiefländern Osteuropas und in kleiner Anzahl auf friesischen Inseln im Wattenmeer. Den Winter verbringen sie südlich davon, bis hinunter zum Mittelmeer. Kürzlich rastete eine der seltenen Eulen im Raum Heroldstatt auf einer mit Mauslöchern und -gängen übersäten Schafweide. Sie war wohl bereits wieder auf dem Heimflug zu ihrem angestammten Brutgebiet im hohen Norden. Der Vogel hatte das derzeit üppige Angebot an Wühlmäusen auf der Alb zielsicher angeflogen, um seinen Hunger zu stillen. Der fremde Nahrungsgast erwies sich damit als kostenloser und effektiver, natürlicher Helfer bei der Dezimierung unbeliebter Nager. Innerhalb kurzer Zeit verputzte die nicht nur dämmerungssondern auch tagaktive Rarität mehrere Feldmäuse und stärkte sich für die weite Reise nach Lappland in Skandinavien. Mit für Sumpfohreulen typisch großen Augen mit gelber Iris, fahlem Gesicht und schwarzen Augenhöhlen wirkt ihr Gesichtsausdruck stets etwas übernächtigt.
Ihr deutscher Name Sumpfohreule ist von ihren hauptsächlich feuchten Lebensräumen in Sümpfen und Mooren abgeleitet, während die Engländer sie wegen ihrer sehr kleinen, kaum sichtbaren Federohren „Shorteared Owl“nennen. In Schweden hat diese Eulenart den Namen „Jorduggla“, was sie als Erdeule beschreibt, die am Boden brütet und in bodennahem, schaukelndem Flug jagt.
Wenn sie den Boden nach Beute absucht, kann sie rütteln wie ein Turmfalke oder reglos, oft weniger als einen halben Meter über Grund, in der Luft verharren. In Baden-Württemberg sind laut amtlicher Roten Liste seit 1979 keine Bruten von Sumpfohreulen mehr bekannt. Die Brutbestände in Norddeutschland sind sehr klein: Ihre Zahl schwankt jährlich zwischen 75 und 175 Brutpaaren. Sumpfohreulen waren in früheren Jahrhunderten ein Segen. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts, so in alten Berichten, sollen sie auf ihrem „scharenweisen“Durchzug in ihre Winterquartiere Mäuseplagen erfolgreich bekämpft haben. Die Chronisten berichten, dass die nützlichen Eulen in mäusereichen Jahren und „bestimmten Mausgegenden“dann längere Zeit Station machten und „mitunter zu Dutzenden in kleinen Feldwäldchen aufbaumten“.
Kennzeichnend für eine Erdeule saß der exklusive Durchreisegast aus dem hohen Norden pappsatt auf dem Boden und würgte nach und nach mehrere Gewölle aus. Dann flog er, wie von einem Nordländer nicht anders zu erwarten, zu einer nahen Birke am Waldrand und baumte auf. Gestärkt und ausgeruht konnte die Eule mit den schönen Augen die nächste Teiletappe zu ihrem 2500 Kilometer entfernten Brutgebiet, das eventuell in Schwedisch Lappland liegen mag, in Angriff nehmen. Beeilen braucht sich die Sumpfohreule nicht: Dort liegt zur Zeit noch über ein Meter hoch Schnee und es herrschen Temperaturen von minus 20 Grad Celsius. Außerdem bleiben die Sümpfe dort meist bis Anfang Mai noch gefroren.