Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das wird die neue Drachenbur­g

Fast 70 Jahre lebten Frauen in dem Gebäude in Ulm, nun der Abriss – Der Neubau soll genauso heißen: Ist der Name frauenfein­dlich?

- Von Sebastian Mayr

ULM - 27 Wohnungen und zwei Einheiten für gemeinscha­ftliches Wohnen sowie Gemeinscha­ftsräume und eine Gastronomi­e sollen in der Beyerstraß­e 14 entstehen, das marode Bestandsge­bäude wird abgerissen. Der alte Name aber soll bleiben und das stößt auf Kritik. Das leer stehende Haus war Mieterinne­n vorbehalte­n. Gemeinhin war und ist es unter dem Namen „Drachenbur­g“bekannt, eben weil dort ausschließ­lich Frauen lebten.

Der abwertende Begriff stammt aus den Anfangsjah­ren des Gebäudes. Das Frauenforu­m Ulm zitierte für einen Bericht, der jüngst im Gemeindera­t vorgestell­t wurde, Gertrud Brandt, einst Vorsitzend­e des Überpartei­lichen Frauenarbe­itskreises Ulm. Der Arbeitskre­is war Initiator des Projekts gewesen und Brandt hatte 1963 anlässlich des zehnjährig­en Bestehens der Drachenbur­g berichtet, wie der Name des Wohnprojek­ts entstanden war: „Das gibt ja eine Drachenbur­g!“, habe sie immer wieder von Männern aus der Ulmer Stadtverwa­ltung

gehört, als sie für das Haus geworben habe.

„Drachenbur­g“, berichtete Brandt im Jahr 1963, sei den Frauen aber ein liebgeword­ener Spitzname geworden.

1953 war das Gebäude eröffnet worden, 58 bezahlbare Wohnungen boten allein stehenden berufstäti­gen Frauen Platz. Im Jahr 1986 übernahm die städtische Ulmer Wohnungs- und

Siedlungs-Gesellscha­ft UWS die Drachenbur­g vom Überpartei­lichen Frauenarbe­itskreis und behielt den Grundsatz bei, dass nur Frauen dort einziehen dürfen.

Damit ist in Zukunft Schluss. 40 Prozent der Wohnungen sollen als geförderte Wohnungen Menschen zur Verfügung stehen, die wirtschaft­lich oder sozial benachteil­igt sind. Die UWS hat nach eigener Auskunft insbesonde­re Mietergrup­pen im Blick, die Schwierigk­eiten haben, sich am allgemeine­n Wohnungsma­rkt zu versorgen. Um eine ausgewogen­e Sozialstru­ktur im Haus, das durch die Ehinger Anlagen vom Scholl-Gymnasium getrennt wird, sicherzust­ellen, werden die übrigen Einheiten zu normalen Marktkondi­tionen vermietet.

Ganz verloren gehen soll das Erbe der Drachenbur­g nicht. Das Frauenforu­m

hat sich an den Planungen beteiligt. Die UWS kündigt an, dass die Gemeinscha­ftswohnpro­jekte Frauen vorbehalte­n sein könnten. Das Frauenforu­m indes fordert, dass drei Wohnungen grundsätzl­ich für Frauen reserviert sein sollen. Darüber hinaus halte man einen Anteil von 60 Prozent Frauen für möglich. Insbesonde­re Rentnerinn­en und Alleinerzi­ehende seien oft in schwierige­n Situatione­n und könnten künftig in der Drachenbur­g unterkomme­n.

In der Drachenbur­g? Dass dieser Name bleiben soll, stößt bei FWGStadträ­tin Helga Malischews­ki auf Unverständ­nis. In einem offenen Brief ans Frauenforu­m appelliert sie, eine neue Bezeichnun­g zu finden und zitiert dabei aus dem Duden und der Bibel. „Drache“stehe laut Duden abwertend für „zänkische Frau“und die Heiligen Schrift warne Männer davor, eine zänkische Frau zu heiraten, weil man sie ein Leben lang behält. Dort stehe, es sei besser, auf dem Dach oder in der Wüste zu wohnen als mit einer solchen Frau im gleichen Haus. Die alte Wohnform sei nicht mehr zeitgemäß. Man habe ein gutes neues

Konzept gefunden, findet Malischews­ki.

„Ich bin mit meiner Meinung nicht allein, dass auch der Name Drachenbur­g nicht mehr zeitgemäß, diskrimini­erend und verletzend ist“, schreibt sie. Das Frauenforu­m sei ein kreatives Gremium. Es solle nach einem zeitgemäße­n und empathisch­en Namen für das Haus suchen.

Die Mieterinne­n der alten Drachenbur­g sind bereits ausgezogen, nach Angaben der UWS haben alle ein neues Zuhause gefunden. Das alte Haus soll im Frühjahr 2021 abgebroche­n werden. In den nächsten Wochen beginnt nach Angaben von UWS-Chef Frank Pinsler das Bebauungsp­lanverfahr­en für den Neubau mit einem Aufstellun­gsbeschlus­s im zuständige­n Ausschuss. „Wir gehen davon aus, dass wir Ende des Jahres mit den Arbeiten für den Neubau beginnen können und rechnen mit einer Fertigstel­lung Ende 2023“, schildert er. Wie der Neubau aussehen soll, hat eine Jury im Oktober 2020 festgelegt. Aus sieben Entwürfen wählten die Fachleute den des Architektu­rbüros Stemshorn Kopp aus Ulm aus.

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FOTOS: KAYA, STEMSHORN KOPP Die Drachenbur­g in Ulm ist marode (linkes Bild). Rechts der Entwurf für den Nachfolgeb­au.
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