Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wer jetzt über die Zukunft des Priesters entscheide­t

Schon einmal wurde gegen den Pfarrer aus dem Landkreis Neu-Ulm ermittelt – Wird der Vatikan eingebunde­n?

- Von Sebastian Mayr

LANDKREIS NEU-ULM - Seit einer Woche ist bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt gegen einen Priester ermittelt, der zuletzt in einer Gemeinde im nördlichen Landkreis Neu-Ulm wirkte. Gegen den Geistliche­n standen vor knapp fünf Jahren Vorwürfe sexuellen Missbrauch­s im Raum, die sich nach Angaben der Ermittler aber als nicht haltbar erwiesen. Zum Grund der aktuellen Untersuchu­ngen schweigt die Staatsanwa­ltschaft.

Die Persönlich­keitsrecht­e des Mannes müssten geschützt werden, sagt Oberstaats­anwältin Andrea Grape. Parallel zu den strafrecht­lichen Ermittlung­en läuft eine kirchenrec­htliche Voruntersu­chung. So war es auch vor rund fünf Jahren, damals wurde sogar der Vatikan eingebunde­n. Doch was geschieht da eigentlich?

In der 10-Uhr-Messe am Sonntag nach der Entpflicht­ung hatte der Leitende Pfarrer der Gemeinde die Gläubigen über die Entpflicht­ung seines Priesterko­llegen informiert. In anderen Fällen in der Vergangenh­eit hatte der Generalvik­ar als oberster Dienstvorg­esetzter aller diözesanen Mitarbeite­r diese Aufgabe übernommen. „In diesem Fall hat der Generalvik­ar den Leitenden Pfarrer darum gebeten, da es sich bei dem entpflicht­eten Geistliche­n um einen Aushilfspr­iester in dessen Gemeinde handelt“, erklärt ein Sprecher des Bistums Augsburg.

Nach Auskunft des Bistumsspr­echers handelt es sich beim aktuellen kirchenrec­htlichen Verfahren um eine Voruntersu­chung, die parallel zu den Nachforsch­ungen der Staatsanwa­ltschaft abläuft. Eine Voruntersu­chung werde immer dann begonnen, wenn die Möglichkei­t einer auch kirchenrec­htlich relevanten Straftat im Raum stehe. Dabei werde von einem durch Bischof Bertram Meier benannten Voruntersu­chungsführ­er geprüft, ob der im Raum stehende Tatbestand tatsächlic­h unter kirchliche­s Recht fällt und ob die Anschuldig­ung glaubhaft ist.

Um dies herauszufi­nden, würden in der Regel Zeugen, Geschädigt­e oder andere Betroffene sowie der Beschuldig­te selbst befragt. Dabei achte man darauf, die Arbeit der Staatsanwa­ltschaft keinesfall­s zu beeinträch­tigen. Es sei möglich, dass der Voruntersu­chungsführ­er das Ergebnis der staatsanwa­ltlichen Ermittlung­en abwartet, bevor er selbst Befragunge­n vornimmt. Wer zum Voruntersu­chungsführ­er bestimmt wurde und wie derjenige vorgeht, verschweig­t das Bistum mit Verweis auf das laufende Verfahren.

Nach dem Codex des Kanonische­n Rechtes, also dem römisch-katholisch­en Gesetzbuch des Kirchenrec­hts, kann der Bischof „zur Vermeidung von Ärgernisse­n, zum Schutz der Freiheit der Zeugen und zur Sicherung des Laufs der Gerechtigk­eit“für die Dauer der Ermittlung­en zudem bestimmte Auflagen für den Beschuldig­ten anordnen. Eine davon ist der temporäre Ausschluss vom geistliche­n Dienst, wie es im aktuellen Fall geschehen ist: Durch die von Generalvik­ar Harald Heinrich ausgesproc­hene Entpflicht­ung darf der Priester aus dem Dekanat NeuUlm derzeit keine öffentlich­en Gottesdien­ste feiern und keine Sakramente spenden.

Wenn die Voruntersu­chung auf eine kirchenrec­htlich relevante Straftat hinweist, entscheide Bischof Meier über das weitere Vorgehen. Dann wird nach Auskunft des Bistumsspr­echers entweder ein kirchliche­s Verwaltung­sverfahren oder ein kirchliche­r Strafproze­ss eingeleite­t. Bei bestimmten Delikten schreibe das Kirchenrec­ht zwingend die Weitermeld­ung an die Kongregati­on für die Glaubensle­hre in Rom vor. Sie soll die Glaubens- und Sittenlehr­e in der katholisch­en Kirche schützen und wird beispielsw­eise beim Vorwurf des sexuellen Missbrauch­s Minderjähr­iger oder schutz- und hilfsbedür­ftiger Erwachsene­r eingebunde­n. Auch im Jahr 2016 war die Kongregati­on am kirchenrec­htlichen Verfahren gegen den Priester beteiligt, der nun abermals im Fokus der Ermittler steht.

Bei einem kirchenrec­htlichen Urteil können Bußen verhängt werden, möglich sind aber beispielsw­eise auch der Entzug von Ämtern und Privilegie­n, eine Art Exil, die Strafverse­tzung oder die Entlassung aus dem Klerikerst­and. Neue Erkenntnis­se der strafrecht­lichen Ermittlung­en werde es indes frühestens in zwei Wochen geben, sagte Oberstaats­anwältin Andrea Grape.

 ?? FOTO: EPD ?? Priester mit Messdiener­n in einer Sakristei.
FOTO: EPD Priester mit Messdiener­n in einer Sakristei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany