Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wer jetzt über die Zukunft des Priesters entscheidet
Schon einmal wurde gegen den Pfarrer aus dem Landkreis Neu-Ulm ermittelt – Wird der Vatikan eingebunden?
LANDKREIS NEU-ULM - Seit einer Woche ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ingolstadt gegen einen Priester ermittelt, der zuletzt in einer Gemeinde im nördlichen Landkreis Neu-Ulm wirkte. Gegen den Geistlichen standen vor knapp fünf Jahren Vorwürfe sexuellen Missbrauchs im Raum, die sich nach Angaben der Ermittler aber als nicht haltbar erwiesen. Zum Grund der aktuellen Untersuchungen schweigt die Staatsanwaltschaft.
Die Persönlichkeitsrechte des Mannes müssten geschützt werden, sagt Oberstaatsanwältin Andrea Grape. Parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen läuft eine kirchenrechtliche Voruntersuchung. So war es auch vor rund fünf Jahren, damals wurde sogar der Vatikan eingebunden. Doch was geschieht da eigentlich?
In der 10-Uhr-Messe am Sonntag nach der Entpflichtung hatte der Leitende Pfarrer der Gemeinde die Gläubigen über die Entpflichtung seines Priesterkollegen informiert. In anderen Fällen in der Vergangenheit hatte der Generalvikar als oberster Dienstvorgesetzter aller diözesanen Mitarbeiter diese Aufgabe übernommen. „In diesem Fall hat der Generalvikar den Leitenden Pfarrer darum gebeten, da es sich bei dem entpflichteten Geistlichen um einen Aushilfspriester in dessen Gemeinde handelt“, erklärt ein Sprecher des Bistums Augsburg.
Nach Auskunft des Bistumssprechers handelt es sich beim aktuellen kirchenrechtlichen Verfahren um eine Voruntersuchung, die parallel zu den Nachforschungen der Staatsanwaltschaft abläuft. Eine Voruntersuchung werde immer dann begonnen, wenn die Möglichkeit einer auch kirchenrechtlich relevanten Straftat im Raum stehe. Dabei werde von einem durch Bischof Bertram Meier benannten Voruntersuchungsführer geprüft, ob der im Raum stehende Tatbestand tatsächlich unter kirchliches Recht fällt und ob die Anschuldigung glaubhaft ist.
Um dies herauszufinden, würden in der Regel Zeugen, Geschädigte oder andere Betroffene sowie der Beschuldigte selbst befragt. Dabei achte man darauf, die Arbeit der Staatsanwaltschaft keinesfalls zu beeinträchtigen. Es sei möglich, dass der Voruntersuchungsführer das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen abwartet, bevor er selbst Befragungen vornimmt. Wer zum Voruntersuchungsführer bestimmt wurde und wie derjenige vorgeht, verschweigt das Bistum mit Verweis auf das laufende Verfahren.
Nach dem Codex des Kanonischen Rechtes, also dem römisch-katholischen Gesetzbuch des Kirchenrechts, kann der Bischof „zur Vermeidung von Ärgernissen, zum Schutz der Freiheit der Zeugen und zur Sicherung des Laufs der Gerechtigkeit“für die Dauer der Ermittlungen zudem bestimmte Auflagen für den Beschuldigten anordnen. Eine davon ist der temporäre Ausschluss vom geistlichen Dienst, wie es im aktuellen Fall geschehen ist: Durch die von Generalvikar Harald Heinrich ausgesprochene Entpflichtung darf der Priester aus dem Dekanat NeuUlm derzeit keine öffentlichen Gottesdienste feiern und keine Sakramente spenden.
Wenn die Voruntersuchung auf eine kirchenrechtlich relevante Straftat hinweist, entscheide Bischof Meier über das weitere Vorgehen. Dann wird nach Auskunft des Bistumssprechers entweder ein kirchliches Verwaltungsverfahren oder ein kirchlicher Strafprozess eingeleitet. Bei bestimmten Delikten schreibe das Kirchenrecht zwingend die Weitermeldung an die Kongregation für die Glaubenslehre in Rom vor. Sie soll die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche schützen und wird beispielsweise beim Vorwurf des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger oder schutz- und hilfsbedürftiger Erwachsener eingebunden. Auch im Jahr 2016 war die Kongregation am kirchenrechtlichen Verfahren gegen den Priester beteiligt, der nun abermals im Fokus der Ermittler steht.
Bei einem kirchenrechtlichen Urteil können Bußen verhängt werden, möglich sind aber beispielsweise auch der Entzug von Ämtern und Privilegien, eine Art Exil, die Strafversetzung oder die Entlassung aus dem Klerikerstand. Neue Erkenntnisse der strafrechtlichen Ermittlungen werde es indes frühestens in zwei Wochen geben, sagte Oberstaatsanwältin Andrea Grape.