Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der letzte Wille des Patriarchen
Nach Tod von Heinz Hermann Thiele behält die Familie bei Knorr-Bremse das Sagen
FRANKFURT - Nach dem Tod des Industriellen Heinz Hermann Thiele Ende Februar war zunächst ungewiss, wie sein Erbe geregelt wird. Das ist nun klar: Die Familie bleibt über eine Stiftung weiterhin Großaktionär der Industriekonzerne KnorrBremse und Vossloh. Thiele hat in seinem Testament verfügt, dass sein Erbe in eine nichtgemeinnützige Familienstiftung überführt wird. „Heinz Hermann Thieles Wunsch war es, sein Lebenswerk langfristig abzusichern“, sagte Thieles Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Robin Brühmüller. Diese Stiftung muss jedoch noch bis Jahresende gegründet werden.
In sie werden sowohl die über Holdinggesellschaften gehaltene Mehrheitsbeteiligung in Höhe von 59 Prozent an Knorr-Bremse als auch Thieles Anteile am Bahntechnikkonzern Vossloh in Höhe von 50,1 Prozent eingebracht. Die Holding – das ist im Wesentlichen die KB Holding, Vermögen ist aber auch in weiteren Holdinggesellschaften gebündelt, die alle wiederum in der Stella Vermögensverwaltung GmbH münden. An Stella übernimmt Witwe Nadia Thiele die 63,4 Prozent ihres Mannes, Thieles Tochter Julia ThieleSchürhoff hält die restlichen 36,6 Prozent. „Die Familie Thiele wird damit auch weiterhin mit dem Unternehmen Knorr-Bremse eng verbunden sein“, hieß es in einer Pressemitteilung von Knorr. Der Jurist Thiele hatte 1969 bei Knorr-Bremse als Patent-Sachbearbeiter begonnen und das Unternehmen 1985 in einer Krise gekauft. Seither hatte er den Mittelständler zum Weltmarktführer für Lastwagen- und Zugbremsen ausgebaut. Die Börse reagierte positiv auf diese Nachricht, die Aktien des seit 2018 dort notierten Unternehmens legten am Freitag um knapp drei Prozent zu.
Weil die Familienstiftung noch errichtet werden muss, wird Thieles Witwe bis dahin die Holding-Anteile zunächst formal halten. „Das ist für die Unternehmen eine sehr positive Lösung“, meint Stefan Schöppner, Analyst der Commerzbank. Denn damit habe Thiele vorgesorgt, dass die einzelnen Familienmitglieder nicht individuell über ihre Anteile verfügen könnten. „Das stabilisiert das Unternehmen.“
Auch Klaus Mangold, Aufsichtsratschef von Knorr-Bremse, begrüßt diese Entscheidung, die die Basis für die künftige erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens sichere. Die Satzung der Stiftung dürfte entsprechend ausgestaltet sein. Erträge aus dem Stiftungsvermögen können dann wohl zu Förderzwecken eingesetzt werden, etwa zur Förderung von Bildung, Kunst, Kultur und der Natur. Thiele hatte sich zu Lebzeiten entsprechend geäußert. Thieles Sohn Henrik wird jedoch nicht erwähnt. Er hatte sich schon vor vier Jahren mit seinem Vater überworfen. Damals war er aus der Unternehmensführung von Knorr-Bremse ausgeschieden und hatte sich herauskaufen lassen.
Noch offen ist, ob auch die Anteile an der Lufthansa in die Stiftung eingebracht werden sollen. Thiele hatte seinen Anteil im Laufe des vergangenen Jahres sukzessive auf 13 Prozent erhöht, wie aus dem Lufthansa Geschäftsbericht für das vergangene Jahr hervorgeht. Lufthansa teilte nun mit, die Anteile in Höhe von 10,04 Prozent seien an Thieles Witwe Nadja übergegangen. „Das Engagement bei der Lufthansa ist Thiele ja aus persönlichen Gründen eingegangen“, meint Analyst Schöppner. Der Milliardär hatte eine besonders enge Beziehung zur Lufthansa bekundet, deshalb könnte er möglicherweise auch diesen Teil seines Erbes genau geregelt haben. Schöppner aber kann sich vorstellen, dass diese Anteile zur Disposition stehen. Kurzfristig rechnet er jedoch nicht mit deren Verkauf.