Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wie die rechtsradikale Szene in der Region heute aussieht
Dass es auch heute eine rechtsextreme Szene in der Region gibt, zeigen die Zahlen des Polizeipräsidiums Ulm. In dessen Zuständigkeitsbereich – dazu gehören die Stadt Ulm, der AlbDonau-Kreis und die Landkreise Biberach, Heidenheim und Göppingen – stieg die Anzahl der politisch rechts motivierten Straftaten von 121 im Jahr 2018 auf 142 im Jahr 2019. „Das ist eine Steigerung von 17,4 Prozent“, sagt Wolfgang Jürgens, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Ulm. „Im Jahr 2018 gab es sechs Gewaltdelikte, 2019 waren es vier.“Dies entspreche einem Rückgang von 33,3 Prozent. Die Polizei könne allerdings nur über das berichten, was sich im sogenannten Hellfeld abspielt, also über das, was bekannt ist. „Über das sogenannte Dunkelfeld können keine Aussagen getroffen werden“, so der Polizeifolgende sprecher. Am Beispiel der Hauptverhandlung gegen die Heranwachsenden und jungen Erwachsenen im Zusammenhang mit dem Brandanschlag in ErbachDellmensingen auf eine RomaFamilie im Mai 2019 zeige sich, dass es auch in der Region kleine Gruppen und Einzelpersonen gibt, welche dem rechten Spektrum zugeordnet werden müssen. Aber auch der Rechtsextremismus sei einem ständigen Wandel unterzogen und werde von vielen Faktoren, wie etwa der Gesellschaft, der Politik oder auch individueller oder gruppenbezogener Unzufriedenheit sowie mögliche Ängste und Perspektivlosigkeit, beeinflusst, sagt Wolfgang Jürgens. „Deshalb lässt sich eine dekadenbezogene Veränderung – zumindest aus polizeilicher Sicht – nicht abschließend beurteilen.“Im Fünf-Jahres-Bereich lassen sich
rechte Entwicklungen den Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Ulm festhalten: 2015: 132 Straftaten, davon elf Gewaltdelikte
2016: 130 Straftaten, davon vier Gewaltdelikte
2017: 97 Straftaten, davon zwei Gewaltdelikte
2018: 121 Straftaten, davon sechs Gewaltdelikte
2019: 142 Straftaten, davon vier Gewaltdelikte
Die Polizei verfolgt bekannt gewordene Straftaten mit den Mitteln des Straf- und Strafprozessrechts konsequent und bringt sie bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige. „Über die Strafverfolgung hinaus, leistet die Polizei auf der Grundlage des Polizeigesetzes auch präventive Arbeit im Bereich der Abwehr konkreter Gefahren oder zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“, so Polizeisprecher für
Jürgens. Übertragen auf den Rechtsextremismus seien dies insbesondere Präventions- und Präsenzmaßnahmen und eine intensive Auswertung im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes. Werden Versammlungen oder Veranstaltungen der rechten Szene der Polizei bekannt, so informiert sie die zuständige Versammlungsbehörde als Ortspolizeibehörde. Mit dieser werden, je nach Sachverhalt, behördliche und polizeiliche Maßnahmen abgestimmt. „Wie genau die Polizei im Einzelnen vorgeht hängen wir verständlicherweise nicht an die große Glocke“, sagt Wolfgang Jürgens. „Werden Versammlungen von den Behörden bestätigt, so hat die Polizei die Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu ermöglichen und zu schützen, dabei aber auch über die Einhaltung möglicher Auflagen zu wachen.“(tab)