Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Appelle und weiter dicke Luft
Bayern patzt gegen Union, alle Blicke richten sich nun auf Paris – und weiter auf Flick
MÜNCHEN - Der Sonntag des FC Bayern München stand ganz im Zeichen von: Wunden lecken und Zoff kitten. Beides ist aktuell ein Wettlauf gegen die Zeit. Und – so oder so – eine Zerreißprobe. Für die Körper der Spieler und den gesamten Verein. Da ist zum einen das aktuell arg dezimierte Personal. Beim 1:1 (0:0) gegen Union Berlin fehlten neun Profis. Während Niklas Süle (Faserriss im Oberschenkel) auf keinen Fall für das Viertelfinal-Rückspiel der Champions League am Dienstag bei Paris St.Germain infrage kommt, kämpfen Leon Goretzka und Lucas Hernández darum, rechtzeitig noch fit zu werden. Goretzka konnte nach seiner Oberschenkel-Zerrung am Sonntag immerhin 20 Minuten joggen, der Franzose schonte sich wegen einer Rippenprellung. „Ich habe mehr Hoffnung für Lucas. Bei Leon entscheiden die Ärzte, ob es das Risiko wert ist“, sagte Trainer Hansi Flick, der wohl auf jeden Fall mit den gegen Union angeschlagenen ausgewechselten Jérôme Boateng, Kingsley Coman und Torschütze Jamal Musiala planen kann.
All die Blessuren (von den Stammspielern fehlen Robert Lewandowski und der an Coronaerkrankte Serge Gnabry) kommen zum ungünstigsten Zeitpunkt, in der heißesten Phase der Saison. Nach dem überlegen geführten, aber groteskkurios verlorenen 2:3 im Hinspiel droht dem Titelverteidiger in Paris das Aus und im Grunde das vorzeitige Saisonende. Außer der Meisterschaftskampf wird nach dem 4:1-Erfolg der Leipziger in Bremen und nur fünf Punkten Vorsprung der Münchner doch noch mal akut.
Aber das brennt den Bayern dieser Tage nicht so stark unter den Nägeln wie ihr eigener, hausgemachter Zoff. Auslöser des Machtkampfes zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic sind des Trainers Wunsch nach Mitspracherecht bei Personalentscheidungen und Transfers (welche der Sportvorstand für sich reklamiert) und die offene Frage, ob Flick im Sommer trotz seines Vertrages bis 2023 Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw
Obwohl die Aussichten immer schlechter stehen, verbreitet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) demonstrativ Zuversicht. „Wir wollen dabei sein, wir werden dabei sein – und ich bin sehr optimistisch, dass wir am 19. April auch eine entsprechende Bestätigung bekommen“, antwortete DFB-Generalsekretär
gelassen auf die Frage, ob München als EM-Standort trotz des erhöhten Drucks durch die Europäische Fußball-Union (UEFA) noch zu retten ist. „Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir müssen dranbleiben und arbeiten dafür“, sagte auch der Ex-Nationalspieler und DFB-Organisationsboss und konkretisierte das Vorhaben: „100 Prozent Auslastung wird nicht möglich sein. Deswegen planen wir von null Zuschauern bis zu 50 Prozent Zuschauern.“
Friedrich Curtius Philipp Lahm
Der größte Einzelsportverband der Welt droht nun also auch vor der mächtigen UEFA einzuknicken. Am Freitagabend hatte der europäische Verband dem Wackelkandidaten München endgültig die Pistole auf die Brust gesetzt. Wie auch Rom, Dublin und Bilbao muss die bayerische Landeshauptstadt ihre Zuschauerkonzepte bis zum 19. April nachbessern, um nicht die drei Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft sowie ein Viertelfinale zu verlieren. Dabei zielt die UEFA mit ihrem Präsidenten
vor allem auf die Politik, die letztlich über eine Zulassung von Zuschauern entscheiden muss. Ausgerechnet der Profifußball, der in den vergangenen Monaten so viele Freiheiten genießen durfte wie keine andere Branche, fordert nun also noch mehr Sonderbehandlungen.
Aleksander Ceferin
Dass die UEFA und der DFB nach Kalkül vorgehen und nach dem größtmöglichen wird. Erst langte es dem Chef. Nach den jüngsten Aussagen der Streithansel, dem Streithansi und dem Streitbrazzo, sprach Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge mit Blick auf die offene Trainerfrage in „Bild“genervt Klartext: „Dieses Thema muss ein Ende haben! Es ist überflüssig, dass wir das permanent kommentieren müssen.“
Flick erklärte: „Die Störfeuer kommen nicht von mir.“Den Journalisten erklärte er freundlich, aber bestimmt, dass „er keine Lust mehr“habe, auf dieses Thema zu antworten. „In Zukunft werde ich bei so einer Frage nur noch sagen: Bitte die nächste Frage!“Dieses setzte er am Freitag und Samstag auch konsequent in die Tat um, verweigerte erneut ein Bekenntnis zu seinem Arbeitgeber und meinte zum Dauerstreit: „Mir macht's auch keinen
Hansi Flick
Gewinn streben, dürfte keinen überraschen. Dass aber die Politik diesem Druck nachgeben könnte, darf nicht sein. Allerdings haben acht der zwölf geplanten Ausrichterstädte den Willen der UEFA bereits erfüllt. St. Petersburg und Baku planen mit einer Stadionauslastung zur Hälfte, Budapest
Spaß.“Die Führungsspieler nervt's ebenfalls schon. „Die Nebengeräusche sind nicht schön“, sagte Kapitän Manuel Neuer und Thomas Müller forderte: „Wir tun alle gut daran, die Glut zu löschen.“
So gesehen rückte Präsident Herbert Hainer dann als Feuerlöscher am Sonntagvormittag an und sagte als Gast bei Sky über den Zoff zwischen Flick und Salihamidzic: „Wir haben intern ein intaktes Verhältnis. Das sind zwei meinungsstarke Typen und man muss auch nicht immer einer Meinung sein. Die müssen auch kein Liebespaar sein. „Wichtig ist, dass sie professionell zusammenarbeiten und für den Erfolg des FC Bayern München.“Hainer gab zu, es habe „Meinungsverschiedenheiten“gegeben, die aber seien „geklärt“. Geht es über den Sommer hinaus nur mit einem der
will die Puskas-Arena sogar komplett füllen. Und auch Bayerns Regierungschef scheint einer Öffnung der AllianzArena für Fans nicht mehr endgültig abgeneigt, um München trotz der fehlenden Zuschauer-Garantie im Kreis der Gastgeber bei der ersten paneuropäische
Markus Söder
Alphatiere weiter? Hainer: „Wir sind ganz klar der Überzeugung: Wir wollen mit beiden arbeiten.“Und man wolle „die zwei wieder so hinkriegen, dass sie nicht nur professionell zusammenarbeiten, sondern dass sie es auch beide aus Freude und Überzeugung miteinander tun.“Wird schwer. Am Samstag würdigten sie sich auf der Bank kaum eines Blickes, klatschten nach dem Tor nicht miteinander ab.
Bleibt Flick über das Saisonende hinaus? „Davon gehe ich fest aus. Ich bin gewohnt, dass Verträge auch erfüllt werden“, sagte Hainer und erklärte beschwichtigend: „Ich kann mir vorstellen, dass ihn die Fragen zu seiner Zukunft ein bisschen nerven. Aber er weiß, was er am FC Bayern hat. Das gibt man nicht so einfach her.“Für den Traumjob Bundestrainer wohl schon.
Bayerns Ex-Kapitän Lothar Matthäus glaubt, dass Flick nach dem Rückspiel in Paris „einen Termin bei Vorstand Oliver Kahn im Büro an der Säbener Straße“haben werde. Um bereits Servus zu sagen?
„In Zukunft werde ich bei so einer Frage nur noch sagen: Bitte die nächste Frage!“
Endrunde (11. Juni bis 11. Juli) zu belassen. „Je nach der Gesundheitslage“, sagte er nach seinem Treffen mit Ceferin in der vergangenen Woche, könne man über Zuschauer bei den Spielen sprechen.
Natürlich: Jeder, der den Fußball liebt, wünscht sich endlich wieder Fans in den Stadien. Und es spricht nichts gegen eine – zumindest teilweise – Rückkehr im Juni, sollten ein entsprechender Impffortschritt und eine gesunkene Inzidenz dies bis dahin zulassen. Doch muss der Infektionsschutz an oberster Stelle stehen. Kein Sportereignis der Welt ist es Wert, dass sich die Situation erneut verschlechtert.
München darf sich von UEFA nicht erpressen lassen. Weder die Stadt, noch der DFB haben bei einem Entzug der Spiele etwas zu verlieren. Selbst wenn das politische Zeichen nicht reicht und die bayrische Landeshauptstadt als Gastgeber ausscheidet, würde vor allem die UEFA für ihre Zuschauer-Forderung zur Unzeit in der Kritik stehen. Und auch sonst würde sich der Schaden in Grenzen halten. Der sonst bei sportlichen Großereignissen erhoffte Mehrwert für Wirtschaft, Gastronomie und Tourismus ist schon jetzt ausgeschlossen. Selbst im optimistischen Fall, dass in der Arena ein Fünftel bis ein Drittel der Kapazität genutzt werden darf, wird es in zwei Monaten kein klassisches Fußballfest in der Stadt geben.
München verliert nicht gerne, das ist verständlich. Doch ein Rückzug oder eine Streichung wäre keine Schmach. Deutschland hat die EM 2024 sicher, München ist dabei. Wenn man sich Rückgrat gegenüber der UEFA leisten kann, dann jetzt.