Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bodenständige Arbeit auf dem Acker erdet auch geistig
Pfarrer Cornelius Küttner will mit dem „Projekt Q“Lebensthemen aufgreifen – dabei hilft handfeste Arbeit
LAICHINGER ALB●
- Cornelius Küttner, einer der beiden evangelischen Pfarrer von Merklingen und Machtolsheim, und seine Mitstreiter haben vor wenigen Jahren das „Projekt Q“aus der Taufe gehoben unter dem Motto „geerdet sein – gehimmelt leben“. Das klingt vielleicht ein wenig abgehoben, ist aber zutiefst bodenständig, was die aktuellen Angebote des „Projekt Q“zeigen.
Cornelius Küttner ist in seiner Ape, ein dreirädriger Minitransporter mit Kleinkraftradmotor, an den nordwestlichen Ortsrand von Merklingen gefahren. Er parkt die Ape vor einem braun verkleideten Schuppen, steigt aus und steht in einem Obstgarten, der von einem kleinen Acker flankiert wird. Das alles ist Teil des „Projekt Q“.
Küttner erklärt: „Wir wollen Menschen Räume öffnen, damit sie aus ihrem Alltag heraustreten können und ihnen mithilfe der Landwirtschaft ermöglichen, den Boden zu fühlen und ihnen so das eigene Leben wieder in die Hand geben.“
Konkret bedeutet das: „Projekt Q“bietet auf dem Acker und im Garten Tageskurse an, bei denen ordentlich mit angepackt werden muss. Man benötigt Kraft und Ausdauer.
„Wir“sind zwei Familien und ein Business Coach. Da ist die Familie Küttner: Cornelius und Tabea mit ihren Töchtern Anastasia und Katharina. Der Pfarrer arbeitet in Stellenteilung. Die Hälfte seiner Arbeitszeit widmet er dem „Projekt Q“mit einer „Pfarrstelle für neue Aufbrüche“. Dazu kommt die Familie Ruhland, Bettina und Andreas mit ihren Söhnen Luca und Moritz. Die Ruhlands betreiben im Nebenerwerb eine zertifizierte Bio-Landwirtschaft. Und dann ist da noch Jürgen Schneider, der in einem multinationalen Unternehmen arbeitet und sich zum Business Coach ausbilden ließ.
Die Verbindung von Himmel und Erde im Projektteam sei sehr wichtig, sagt Pfarrer Küttner. „Meine Familie und ich sind keine Landwirte und das Wissen eines Landwirts eignet man sich nicht mal so eben nebenbei an. Andreas und Bettina Ruhland bringen aber die nötige Expertise mit“, erklärt er. Der Coach Jürgen Schneider wolle sich einbringen, um den Menschen etwas mit auf den Weg zu geben. Er sagt, er finde es faszinierend, dass der Coach nicht von außen anordnet „Du musst“, sondern die gecoachte Person mit verschiedenen Techniken zu Antworten führt, die aus ihr selbst kommen.
Ursprünglich sollte das „Projekt Q“auf einem Bauernhof am südlichen Dorfrand eine Heimat finden, indem das Projekt den Hof weiterbetrieb. Der Plan habe sich aber leider nicht umsetzen lassen, das habe sich im vergangenen Jahr gezeigt, erzählt Küttner.
Bei der Suche nach einem neuen Standort fiel die Wahl auf das Flurstück zwischen Einstein- und Lindenstraße. Den Acker haben die Ruhlands schon länger gepachtet, erklärt Pfarrer Küttner. Die angrenzende Streuobstwiese pachtet das Projekt direkt von der Gemeinde. Der unterkellerte
Schuppen benötige nur noch Fensteröffnungen, dann könne er als kleines Refugium für das „Projekt Q“dienen, bei Regen beispielsweise oder zum Lagern geernteten Obsts.
Zentrum des Projekts ist aber der Acker. „Mein Lieblingsprojekt ist leider Corona zum Opfer gefallen“, sagt Küttner. Er meint damit „SteinZeit – hartes Leben anpacken“, was nichts anderes bedeutet, dass eine Gruppe von vier bis acht Menschen an zwei Tagen im April Steine aus dem Acker mit ihren Händen geklaubt hätten. Anschließend hätte es aber noch einen Steingestaltungskurs mit Sandra Steck vom Merklinger Regenbogenatelier gegeben – plus einen Gutschein für einen Erntekorb mit vier Kilogramm Inhalt, wenn auf dem Acker etwas gewachsen ist.
Küttner erklärt, was hinter dem Steineklauben steckt: „Eigentlich scheint man da etwas furchtbar Dummes zu tun – du klaubst die Steine aus dem Acker und nächstes Jahr sind wieder welche da. Denn der Boden arbeitet. Das Steineklauben kann aber auch ein Sinnbild für unseren Umgang mit Problemen sein. Wir schieben sie weg, aber sie kommen immer wieder hervor.“
Cornelius Küttner
Die Idee hinter den „Projekt Q“Kursen sei immer dieselbe: „Lebensthemen aufgreifen, mit denen die Teilnehmer auf welche Weise auch immer arbeiten möchten. Die Arbeit mit dem Boden erdet die Menschen dann ganz oft auch geistig und seelisch.“Natürlich könne man in der Landwirtschaft Vieles mit Maschinen machen. Es sei aber gerade die Arbeit der Hände, der Kontakt mit dem Boden, der die Menschen „erdet“, hat der Pfarrer im vergangenen Jahr selbst festgestellt. Da haben sie bereits ausprobiert, Parzellen des Ackers zu vermieten, damit Menschen dort ihr eigenes Gemüse anbauen können.
Diese Art „Mietacker“ist seit einigen Jahren im Umfeld größerer Städte als „Urban Gardening“bekannt. „Aber auch bei uns auf dem Land ist der Bedarf durchaus gegeben“, sagt Küttner. Das liege vielleicht auch daran, dass zwar verhältnismäßig viele Familien ein Eigenheim besitzen, die Grundstücke aber inzwischen oft zu klein sind, um dort noch vernünftig Obst und Gemüse anbauen zu können, vermutet er.
Er sagt, er habe keine Angst, dass dieses Projekt von Coronaverordnungen
torpediert werden könnte. Abstand an der frischen Luft sei ja problemlos möglich. Zudem sei „Projekt Q“ja gerade ein Raum, in dem sich Menschen begegnen können, wenn sie das wünschen, sagt der Pfarrer.
Fünf bis acht solcher Parzellen soll es in diesem Jahr geben, sagt Küttner. Das „Projekt Q“bereitet die Ackerdämme vor, dank denen auf der kühlen Alb doch noch etwas wächst. Mitarbeiter stellen einen Tank für die Bewässerung auf. Was sie anpflanzen, bleibt den HobbyLandwirten überlassen.
Die weiteren erdgebundenen Projekte des Jahres orientieren sich am Kalender des Landwirts: Ende Mai steht „KeimZeit – Leben beginnen lassen“auf dem Programm. Da wird ein Pferd auf dem Acker zum Einsatz kommen. Ein Pferd wird auch die Furchen pflügen, wenn im Juni, Juli und August auf dem Gemüseacker weiter gearbeitet wird. Und natürlich gibt es auch eine „ErnteZeit“, bei der auch wieder ein Pferd unterstützen wird. Wann man aber da „Leben mit vollen Händen packen“kann, hängt natürlich vom weiteren Wetter im Jahreslauf ab.
„Eigentlich scheint man da etwas furchtbar Dummes zu tun – du klaubst die Steine aus dem Acker und nächstes Jahr sind wieder welche da.“