Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wiesn in der Wüste

Das Münchner Oktoberfes­t soll in Dubai aufgezogen werden – Kann das funktionie­ren?

- Von Michael Wrase

LIMASSOL/DUBAI - In Dubai war man schon immer einen Schritt schneller und vor allem dreister, Gigantoman­ie in dem Emirat niemals ein Schimpfwor­t. „Wir müssen die Nummer 1 sein. Wer Zweiter wird, interessie­rt niemand“, lautet das Leitmotiv von Scheich Raschid al Maktoum, dem autoritäre­n Herrscher des Zwergstaat­es am Persischen Golf. Es war vermutlich nicht seine Idee, das Oktoberfes­t in diesem Jahr in der Wüste aufzuziehe­n, „mit 30 einzigarti­gen Festzelten sowie der mit 135 Meter längsten Bierbar und dem höchsten Maibaum der Welt“, wie es etwa die Website https://oktoberfes­t-dubai.com/ verspricht.

Aber die Zustimmung des Scheichs, das ist sicher, war notwendig. Um sein Emirat aus der Verlustzon­e, in der es sich wieder einmal befindet, zu holen, war und ist der selbst ernannte Visionär schon immer ungewöhnli­che Wege gegangen. Als in Europa wegen der Pandemie die Bürgerstei­ge hochgeklap­pt wurden, lud Dubai zur Mega-Party ein. Allein in der ersten Januar-Woche jetteten mehr als eine halbe Million Menschen in den Wüstenstaa­t. Zuvor hatten bezahlte Influencer in den sozialen Medien die Werbetromm­el gerührt.

Dass gleichzeit­ig die Fallzahlen stiegen, war kein Hinderungs­grund. Warum also sollte nicht auch „bayerische Lebensfreu­de die Wüste erobern?“Dann, freuen sich schon jetzt die Initiatore­n, bei denen es sich um den Berliner Weihnachts­marktchef Charles Blume handeln soll, „wird das größte Volksfest der Welt noch größer“.

Nüchtern betrachtet hat es Dubai fast immer geschafft, „größer“zu sein als die Konkurrent­en. Doch langsam stößt das Emirat mit seiner Gier nach Mehr an seine Grenzen. Der höchste Wolkenkrat­zer, die schönste Shopping-Mall und das größte Aquarium der Welt reichen längst nicht mehr aus, um neue Besucher anzulocken. Es fehlt trotz aller Gigantoman­ie einfach die touristisc­he Infrastruk­tur sowie die kulturelle Tiefe, die Dubai für ausländisc­he Besucher dauerhaft attraktiv machen würde.

Vor diesem Hintergrun­d mutet der Versuch, europäisch­e Tradition in die Wüste zu verpflanze­n, in eine Region, in der der traditione­lle Islam mit seinen konservati­ven Wertvorste­llungen noch immer fest verwurzelt ist, fast schon wie der letzte

Strohhalm an. „Mit Bier saufen“, um es überspitzt zu formuliere­n, „will man die Wirtschaft ankurbeln“.

Tatsächlic­h, versuchte es der Münchner Wirtschaft­sreferent Clemens Baumgärtne­r auf den Punkt zu bringen, sei „ein Oktoberfes­t in Dubai im Grunde das gleiche wie eine Demonstrat­ion für Demokratie in Pjöngjang“.

Den Münchner Wiesnwirte­n und den Schaustell­ern seien bislang noch keine Kollegen bekannt, die in Dubai dabei sein wollen, schreibt die Deutsche Presse-Agentur: „Mir ist keiner bekannt, der hinfährt“, wird der Vorsitzend­e des Münchner Schaustell­erverbande­s, Peter Bausch, zitiert. Ähnlich äußerte sich unter anderem auch der Sprecher der Wiesnwirte, Peter Inselkamme­r.

Das Oktoberfes­t in Dubai wäre überdies keineswegs das erste Bierfest, das unter diesem Namen läuft. Über 2000 Nachahmer gab es laut Schätzunge­n vor der Pandemie in aller Welt. Im Pandemieja­hr 2020 dürften die meisten ausgefalle­n sein.

In diesem Jahr könnte es in Dubai indes wieder klappen. Allerspäte­stens im nächsten Jahr wird das Münchner Original wieder seine Pforten öffnen – und das Oktoberfes­t in der Wüste vergessen sein. Man darf gespannt sein, mit welchen Ideen dann das Emirat für Schlagzeil­en sorgen wird. An Ideenreich­tum, das kann man Dubai nicht vorwerfen, hat es an der Golfküste niemals gemangelt.

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FOTO: IMAGO IMAGES Ein voll besetztes Festzelt während der Mittagswie­sn in München: So oder so ähnlich könnte es im kommenden Herbst auch in Dubai aussehen.
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FOTO: KARIM SAHIB/AFP Die höchsten Wolkenkrat­zer und das größte Aquarium der Welt reichen offenbar nicht mehr aus, um neue Besucher anzulocken.

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