Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Sprechstunde für die Mediziner
Wenn es noch Imagewerbung für den Arztberuf gebraucht hätte, hat die Pandemie dafür gesorgt. Zusammen mit den Pflegekräften stehen die Mediziner seit Monaten an vorderster Front gegen Covid-19. Sie müssen die Grenzen der eigenen Belastbarkeit immer wieder austesten – auf Intensivstationen oder nun auch als impfende Hausärzte unter Dauerstress. Alles in allem haben die Mediziner ihren Beitrag dazu geleistet, dass das Gesundheitssystem dem Druck der Pandemie standgehalten hat. Trotzdem gibt es Redebedarf.
Der Ärztetag 2020, die Hauptversammlung der Ärzteschaft, fiel komplett aus, der an diesem Dienstag beginnende Ärztetag 2021 ist eine von vier auf zwei Tagen geschrumpfte Onlinevariante. Corona hat geschafft, was sonst nur Krieg und Diktatur vermochten – die Ausrichtung des seit 1873 jährlich stattfindenden Kongresses komplett beziehungsweise teilweise zu verhindern. Stattdessen waren einige Ärztefunktionäre in der Pandemie in den Medien allgegenwärtig, längst nicht nur zur Freude der breiten Ärzteschaft.
Diskussionsstoff jedenfalls gibt es genug. Etwa die Digitalisierung. Die ist von vielen Ärzten jahrelang überaus skeptisch gesehen und auch ausgebremst worden. In der CoronaKrise hat sich gezeigt, wie wenig da zusammenpasste, wie sehr die Zettelwirtschaft noch immer dominiert, wie wenig Daten zur Verfügung stehen, wenn man sie wirklich braucht. Zwar hat Gesundheitsminister Jens Spahn immer wieder Anstöße gegeben. Letztlich hat aber alles zu lange gedauert, um Mehrwert bereits in der Pandemie zu schaffen. Immerhin: Lange von vielen Medizinern abgelehnte Instrumente wie Videosprechstunden haben durch Corona ihren Wert unter Beweis gestellt. Weshalb die Ärzteschaft hier ihre Haltung für die kommende Zeit bestimmen muss.
Alles in allem: Die Extrembelastung der Pandemie gehört hoffentlich in näherer Zukunft der Vergangenheit an. Die Notwendigkeit, das Gesundheitswesen fortzuentwickeln und es zukunftssicher zu machen, bleibt jedoch bestehen.