Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Hindernislauf zur elektronischen Patientenakte
Ab Juli sollen Arztpraxen und Krankenhäuser das System nutzen – Was das für den Datenschutz und die Bürger heißt
BERLIN - Die Pandemie hat es schonungslos offengelegt: Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens hinkt Deutschland anderen Staaten weit hinterher. So wie vielen Gesundheitsämtern eine moderne IT fehlt, hapert es auch an der digitalen Vernetzung von Patienten, Arztpraxen, Krankenhäusern und Apotheken. Das soll die elektronische Patientenakte (ePA) ändern, die nach ihrem Start zu Jahresbeginn nun vor dem nächsten Schritt steht: Ab Juli sind die Kassenärzte verpflichtet, ihre Praxen an die sogenannte Telematik-Infrastruktur anzubinden, auf der die ePA läuft. Das gilt auch für die Krankenhäuser.
Welche Medikamente nimmt jemand ein? Wie sind aktuell seine Laborwerte? Was hat die Röntgenuntersuchung ergeben? Welche Ärzte hat jemand aufgesucht? Und wie lauten deren Diagnosen und Therapieempfehlungen? All diese Angaben liegen schon heute vor – allerdings weit verstreut in unzähligen verschiedenen IT-Systemen oder manchmal auch lediglich auf Papier. Um das zu ändern, soll die ePA Patienten sowie Apotheken, Ärzte, Kliniken und Zahnärzte digital vernetzen. Und das ist eine gewaltige Aufgabe, da es in Deutschland mehr als 170 000 Praxen, etwa 14 000 Apotheken und 2000 Kliniken gibt.
Die ePA ist freiwillig, kein Versicherter muss sie nutzen. Wer mitmachen will, kann seit Jahresbeginn bei seiner Krankenkasse eine Anwendung (App) auf sein Smartphone oder sein Tablet herunterladen, die den Zugang zu seiner individuellen ePA eröffnet.
Die App kann nach einer ZweiFaktor-Authentifizierung mit Dokumenten befüllt werden – sei es mit einem Arztbrief, Untersuchungsergebnissen oder der Übersicht der Arzneimittel, die jemand einnimmt. Ab 2022 sollen auch elektronische Krankschreibung, das E-Rezept, der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft digital abrufbar sein. Manche Kassen bieten einzelne dieser Möglichkeiten auch schon vorher an.
Das Ganze erfüllt seinen Zweck aber nur dann, wenn auch Apotheken, Ärzte und Kliniken Daten in der ePA ablegen dürfen. Das geht, wenn sie dafür vom Patienten die Erlaubnis bekommen. Die Versicherten entscheiden auch, wer welches Dokument einsehen kann. Es kann also jemand ab dem Jahr 2022 beispielsweise festlegen, dass der Zahnarzt nicht sieht, was der Hausarzt oder der Versicherte selbst an Angaben in die ePA eingefügt haben. Nur der Versicherte kann sie einsehen – sowie der Personenkreis an Gesundheitsberuflern, den er dazu berechtigt hat.
Mit dieser Regel will die Große Koalition erreichen, dass die ePA Akzeptanz findet. Der Chef des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, Ferdinand Gerlach, betont, dass die ausdrückliche Zustimmung zur
Einsicht der ePA durch Dritte den Erfolg der ePA gefährde: „Dieses mehrfache, immer zu wiederholende Optin wird dazu führen, dass die Akte im Alltag nicht fliegt.“Wenn die ePA aber kein vollständiges Bild liefere, werde es für Ärzte schwer, sich auf sie zu verlassen.
Bisher finden die Apps der Kassen kein allzu großes Interesse.
Deutschlands größte Krankenkasse, die Techniker, berichtet, dass 100 000 Versicherte die ePA nutzten, etwa 30 000 kämen monatlich dazu. Dass die ePA schleppend anläuft, mag daran liegen, dass die Installation der App mit der Zwei-Faktor-Authentifizierung recht aufwendig ist. Manche Kassen hatten dafür sogar verlangt, persönlich in einer Geschäftsstelle