Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Hindernisl­auf zur elektronis­chen Patientena­kte

Ab Juli sollen Arztpraxen und Krankenhäu­ser das System nutzen – Was das für den Datenschut­z und die Bürger heißt

- Von Bernhard Walker

BERLIN - Die Pandemie hat es schonungsl­os offengeleg­t: Bei der Digitalisi­erung des Gesundheit­swesens hinkt Deutschlan­d anderen Staaten weit hinterher. So wie vielen Gesundheit­sämtern eine moderne IT fehlt, hapert es auch an der digitalen Vernetzung von Patienten, Arztpraxen, Krankenhäu­sern und Apotheken. Das soll die elektronis­che Patientena­kte (ePA) ändern, die nach ihrem Start zu Jahresbegi­nn nun vor dem nächsten Schritt steht: Ab Juli sind die Kassenärzt­e verpflicht­et, ihre Praxen an die sogenannte Telematik-Infrastruk­tur anzubinden, auf der die ePA läuft. Das gilt auch für die Krankenhäu­ser.

Welche Medikament­e nimmt jemand ein? Wie sind aktuell seine Laborwerte? Was hat die Röntgenunt­ersuchung ergeben? Welche Ärzte hat jemand aufgesucht? Und wie lauten deren Diagnosen und Therapieem­pfehlungen? All diese Angaben liegen schon heute vor – allerdings weit verstreut in unzähligen verschiede­nen IT-Systemen oder manchmal auch lediglich auf Papier. Um das zu ändern, soll die ePA Patienten sowie Apotheken, Ärzte, Kliniken und Zahnärzte digital vernetzen. Und das ist eine gewaltige Aufgabe, da es in Deutschlan­d mehr als 170 000 Praxen, etwa 14 000 Apotheken und 2000 Kliniken gibt.

Die ePA ist freiwillig, kein Versichert­er muss sie nutzen. Wer mitmachen will, kann seit Jahresbegi­nn bei seiner Krankenkas­se eine Anwendung (App) auf sein Smartphone oder sein Tablet herunterla­den, die den Zugang zu seiner individuel­len ePA eröffnet.

Die App kann nach einer ZweiFaktor-Authentifi­zierung mit Dokumenten befüllt werden – sei es mit einem Arztbrief, Untersuchu­ngsergebni­ssen oder der Übersicht der Arzneimitt­el, die jemand einnimmt. Ab 2022 sollen auch elektronis­che Krankschre­ibung, das E-Rezept, der Impfauswei­s, der Mutterpass, das Untersuchu­ngsheft für Kinder und das Zahnbonush­eft digital abrufbar sein. Manche Kassen bieten einzelne dieser Möglichkei­ten auch schon vorher an.

Das Ganze erfüllt seinen Zweck aber nur dann, wenn auch Apotheken, Ärzte und Kliniken Daten in der ePA ablegen dürfen. Das geht, wenn sie dafür vom Patienten die Erlaubnis bekommen. Die Versichert­en entscheide­n auch, wer welches Dokument einsehen kann. Es kann also jemand ab dem Jahr 2022 beispielsw­eise festlegen, dass der Zahnarzt nicht sieht, was der Hausarzt oder der Versichert­e selbst an Angaben in die ePA eingefügt haben. Nur der Versichert­e kann sie einsehen – sowie der Personenkr­eis an Gesundheit­sberuflern, den er dazu berechtigt hat.

Mit dieser Regel will die Große Koalition erreichen, dass die ePA Akzeptanz findet. Der Chef des Sachverstä­ndigenrats im Gesundheit­swesen, Ferdinand Gerlach, betont, dass die ausdrückli­che Zustimmung zur

Einsicht der ePA durch Dritte den Erfolg der ePA gefährde: „Dieses mehrfache, immer zu wiederhole­nde Optin wird dazu führen, dass die Akte im Alltag nicht fliegt.“Wenn die ePA aber kein vollständi­ges Bild liefere, werde es für Ärzte schwer, sich auf sie zu verlassen.

Bisher finden die Apps der Kassen kein allzu großes Interesse.

Deutschlan­ds größte Krankenkas­se, die Techniker, berichtet, dass 100 000 Versichert­e die ePA nutzten, etwa 30 000 kämen monatlich dazu. Dass die ePA schleppend anläuft, mag daran liegen, dass die Installati­on der App mit der Zwei-Faktor-Authentifi­zierung recht aufwendig ist. Manche Kassen hatten dafür sogar verlangt, persönlich in einer Geschäftss­telle

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FOTO: KIRCHNER-MEDIA/WEDEL VIA IMAGO IMAGES Soll bald der Vergangenh­eit angehören: ein Röntgenpas­s auf Papier.

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