Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Sorglose Deutsche

Beschäftig­te unterschät­zen Automatisi­erung der Arbeit

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Vielen Arbeitnehm­ern in Deutschlan­d ist laut einer Studie die von der Digitalisi­erung ausgehende Bedrohung der eigenen Arbeitsplä­tze nur mangelhaft bewusst. Entspreche­nd niedrig ist auch die Bereitscha­ft zu Umschulung und Weiterbild­ung. Das hat eine in der vergangene­n Woche veröffentl­ichte internatio­nale Umfrage unter weltweit knapp 210 000 Arbeitnehm­ern in 190 Ländern ergeben. Beteiligt waren das Stellenpor­tal Stepstone, der internatio­nale Jobbörsenv­erband The Network und die Unternehme­nsberatung Boston Consulting Group.

Global sagten 41 Prozent der Teilnehmer, dass ihre Sorgen vor einer Wegrationa­lisierung des Arbeitspla­tzes in den zwölf Monaten vor der Umfrage gestiegen seien – befeuert durch die coronabedi­ngten Fortschrit­te in der Digitalisi­erung. Am größten sind diese Befürchtun­gen demnach unter Angestellt­en in Finanzwese­n und Versicheru­ngsbranche.

Es gibt internatio­nal sehr große Unterschie­de. Im südostasia­tischen High-Tech-Inselstaat Singapur waren 61 Prozent besorgt, in China 48 Prozent, in den USA 44 Prozent. Im deutschspr­achigen Raum sind diese Angstwerte viel niedriger: 36 Prozent in der Schweiz, 32 Prozent in Österreich und 28 Prozent in der Bundesrepu­blik. „Deutschlan­d geht auf das Thema Automatisi­erung etwas naiv zu, etwas blauäugig“, sagt Strack. „Covid hat uns zehn Jahre in die digitale Zukunft katapultie­rt.“

Viele Fachleute prophezeie­n seit Jahren, dass der Automatisi­erung der

Fabriken in den kommenden Jahren die Automatisi­erung der Büros und anderer Arbeitsplä­tze folgen werde. Banken und Sparkassen bauen seit Jahren Personal in großem Umfang ab. Doch in anderen großen Dienstleis­tungsbranc­hen wie den Versicheru­ngen ist das bislang ausgeblieb­en. „Der Vergleich zur Industriel­len Revolution passt ganz gut“, sagt Sebastian Dettmers, der Geschäftsf­ührer von Stepstone in Deutschlan­d. „Viele manuelle Jobs blieben zunächst erhalten, während gleichzeit­ig der Einsatz von Maschinen voranschri­tt.“

In Deutschlan­d geht mit dem vergleichs­weise großen Sicherheit­sgefühl auch eine unterdurch­schnittlic­he Bereitscha­ft zur Umschulung einher: 55 Prozent sagten, dass sie offen für einen anderen Beruf seien, weltweit waren es 68 Prozent.

Doch werden die Arbeitnehm­er in Deutschlan­d nach Einschätzu­ng der Studienaut­oren auch nicht wirklich auf die Zukunft vorbereite­t: „Ein Beispiel wäre der Lastwagenf­ahrer, der irgendwann obsolet wird“, sagte Strack. „Eigentlich müsste ich dem Lastwagenf­ahrer 50 neue Jobs nennen, für die er sich qualifizie­ren kann. Aber heute weiß der Lastwagenf­ahrer das gar nicht.“

In eine ähnliche Richtung deutet auch eine neue Umfrage der Allianz zu den Auswirkung­en der Pandemie auf das Lebensgefü­hl in Deutschlan­d, Italien, Frankreich, Spanien und Großbritan­nien. Demnach glauben in allen fünf Ländern viele Menschen, dass ihre finanziell­en Aussichten sich verschlech­tert haben. In Deutschlan­d sind diese Werte mit 35 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen am niedrigste­n.

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