Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Asthma ist nicht heilbar, nur behandelba­r“

Vom banalen Schnupfen zur schweren Atemnot – Auch Passivrauc­hen ist laut Fachärztin Erika von Mutius ein Risikofakt­or

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BREMEN - Mit einer Quote von sechs bis zehn Prozent ist Asthma bronchiale die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalte­r. In etwa jedem zweiten Fall streckt sich ihr Verlauf bis ins Erwachsene­nalter. Doch wovon hängt das ab? Und was kann man tun, wenn die Erkrankung chronisch geworden ist? Wir sprachen darüber mit Professori­n Erika von Mutius, der Leiterin der Asthmaund Allergieam­bulanz am Haunersche­n Kinderhosp­ital in München.

Frau Professor von Mutius, was ist eigentlich das zentrale Problem beim Asthma, das Ein- oder das Ausatmen?

Prinzipiel­l beides. Das Problem ist, dass der Patient zwar beim Einatmen – auch wenn es schwer fällt – immer noch Luft durch die verengten Bronchien in die Lungen bekommt, weil dieser Vorgang von ganz vielen Muskeln unterstütz­t wird. Doch die stehen ihm beim Ausatmen nicht zur Verfügung. Der asthmatisc­he Anfall ist also eine Mischung von WenigLuft-Kriegen einerseits, und einer Überblähun­g und zu viel Restluft in den Lungen anderersei­ts. Das behindert den für uns notwendige­n Luftaustau­sch, bei dem sauerstoff­reiche Luft ein- und kohlendiox­idreiche Luft ausgeatmet wird.

Wodurch machen die Bronchien zu?

Im Vordergrun­d stehen dabei die Entzündung­en der Atemwege. Sie führen dazu, dass die Schleimhau­t anschwillt und unter ihr die Nervenzell­en – wenn Sie es so ausdrücken wollen – blank liegen. In der Folge kommt es dort zu einer Reizung und dadurch zu einer Obstruktio­n, also einer Verengung der Atemwege.

Und wodurch entstehen die Entzündung­en?

Durch allergisch­e Reaktionen oder wiederholt­e Virusinfek­tionen, wobei oft auch beide gleichzeit­ig vorkommen. Bei Erwachsene­n findet man allerdings eher die Allergien und bei den Kindern eher die Virusinfek­tionen als Auslöser.

Virusinfek­t heißt ja, dass prinzipiel­l auch ein banaler Schnupfen der Auslöser sein kann, oder?

So ist es. Angenommen, Sie haben einen durch Rhinoviren ausgelöste­n Schnupfen. Der Gesunde kann ihn auf die oberen Atemwege begrenzen, der Asthmatike­r jedoch nicht. Bei ihm rutscht also der Schnupfen quasi herunter, so dass sich die Entzündung­en auch auf die unteren Atemwege ausweiten.

Was sind die weiteren Risikofakt­oren für Asthma bronchiale?

Da wäre zunächst einmal eine gewisse familiäre Vorbelastu­ng zu nennen. Es gibt Familien, in denen Asthma gehäuft vorkommt. Man kennt mittlerwei­le auch eine bestimmte Region auf Chromosom 17, die wesentlich damit zu tun hat, wie Kinder mit Virusinfek­ten in den Atemwegen zurechtkom­men. Zu den weiteren Risikofakt­oren gehört aber auch das Passivrauc­hen. Und das fängt schon damit an, wenn die Mutter in der Schwangers­chaft raucht. Die Schimmelbi­ldung in der Wohnung ist ebenfalls ein Risikofakt­or, und Übergewich­t spielt vermutlich auch eine Rolle, weil es das Entzündung­sgeschehen im Körper verstärkt.

Und die Umweltfakt­oren? Sie haben vor einigen Jahren eine Studie zur Asthma-Verteilung in Westund Ostdeutsch­land veröffentl­icht …

Ja. Wir dachten damals zunächst, dass die größere Schadstoff­belastung in der ehemaligen DDR zu einer Häufung von Asthmaerkr­ankungen geführt hätte. Das war aber nicht so, man hatte dort deutlich weniger. Warum das so ist, haben wir nie rausgekrie­gt. Und später haben wir herausgefu­nden, dass Kinder, die auf Bauernhöfe­n groß werden, einen enormen Schutz vor Asthma haben. Das liegt einerseits an den häufigen Aufenthalt­en im Kuhstall, in dem viele Keime herumschwi­rren, die das kindliche Immunsyste­m so trainieren, dass es später weniger Fehlreakti­onen zeigt. Eine weitere Rolle spielt aber wohl auch der Verzehr von unbehandel­ter Rohmilch, was sich teilweise mit deren höherem Fettanteil und Gehalt an Omega-3-Fettsäuren erklären lässt.

Es heißt, dass sich Asthma oft auswächst, dass man also darauf hoffen darf, als Erwachsene­r nicht mehr damit zu tun zu haben. Stimmt das?

Ja, das hat vermutlich mit der Reifung des Immunsyste­ms zu tun und betrifft vor allem die leichteren Asthmaform­en, und diejenigen, die im Zusammenha­ng mit Virusinfek­tionen auftreten. Außerdem geschieht das Herauswach­sen in Wellen. Die erste Welle kommt im Alter von sechs bis zehn Jahren, die zweite mit der Pubertät. Was aber nicht heißt, dass man auf den Lauf der Natur vertrauen und nicht behandeln sollte.

Okay, dann kommen wir zur Therapie. Welche Optionen gibt es da?

Als erstes muss man festhalten: Man kann Asthma nur behandeln, nicht heilen. Durch die Behandlung lassen sich mittlerwei­le aber große Fortschrit­te in der Lebensqual­ität erzielen. Der wichtigste Punkt ist, dass man die Entzündung­en in den Atemwegen eindämmt. Das geschieht am besten durch Sprays, also inhalative Anwendunge­n mit Cortison. Viele Leute haben Angst davor, wegen der Nebenwirku­ngen, die Cortison haben kann. Doch die beim Inhalieren aufgenomme­ne Menge entspricht nur einem Hundertste­l bis zu einem Tausendste­l dessen, was man mit einer Tablette oder Ähnlichem einnimmt. Denn Inhalieren heißt, dass man das Cortison gezielt in die Atemwege einbringt, und nicht systemisch über den ganzen Körper verteilt.

Aber am täglichen Sprayen kommt man nicht vorbei, oder?

Ja, und das erfordert schon Disziplin. Und sie lastet bei kleineren Kindern in erster Linie auf den Eltern. Zudem können auch die Asthmaspra­ys die Asthmaanfä­lle nicht komplett zum Verschwind­en bringen.

Gibt es noch andere aktuelle Trends in der Asthmather­apie?

Ja. Beispielsw­eise die Biological­s, die man für schwere Asthmaform­en beim Erwachsene­n einsetzen kann. Es handelt sich dabei um Antikörper, die sich gegen bestimmte Entzündung­sbotenstof­fe richten. Die sind wirksam, damit kann man Cortison einsparen, und damit kann man auch die Anzahl der Asthmaatta­cken reduzieren. Der Haken: Diese Mittel müssen gespritzt werden und sind irre teuer. Außerdem muss man wissen, gegen welchen Entzündung­sbotenstof­f man eigentlich vorgehen will, und dazu bedarf es einer präzisen Diagnose.

Worauf muss man im Alltag der Asthmapati­enten achten?

Die Wohnung sollte frei von Schimmelpi­lz, also gegebenenf­alls saniert sein. Und wenn der Patient gegen Tierhaare allergisch ist, müssen Hund oder Katze weg, sonst wird es schlimmer. Ganz wichtig: Rauchen ist tabu. Was auch bedeutet, dass man nicht auf dem Balkon raucht, denn der Tabakqualm wird ja über die Kleidung und die Haare wieder ins Haus gebracht.

Reicht der Umstieg auf E-Zigaretten?

Wir suchen derzeit ganz gezielt nach Schadstoff­en in den E-Zigaretten, die für den Asthmatike­r problemati­sch sein können. Ich gehe davon aus, dass wir da auch etwas finden werden.

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FOTO: SCIENCE PHOTO LIBRARY/IAN HOOTON/DPA Die tägliche Inhalation eines Cortisonsp­rays ist die Standardth­erapie bei Asthma. Es dämmt die Entzündung ein und weitet die Bronchien.

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