Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
SPD-Kreisvorsitzender macht’s jetzt selbst
Nach Rückzug von Hasan Sen: Jan Rothenbacher (28) tritt als Kandidat im Herbst an
ULM/ALB-DONAU-KREIS - Jan Rothenbacher (28) soll bei der SPD Ulm/ Alb-Donau-Kreis die Lücke füllen, die der eigentliche SPD-Kandidat für die Bundestagswahl im September gerissen hat. Rothenbacher sagte bei seiner Vorstellung am Freitag, dass er einen leidenschaftlichen Wahlkampf führen werde. Nach dem altersbedingten Ausscheiden der langjährigen Abgeordneten Hilde Mattheis aus dem Bundestag und dem Schlamassel rund um den zurückgetretenen Hasan Sen rechnet sich die hiesige SPD aber erst in vier Jahren wieder eine realistische Chance auf ein Abgeordneten-Mandat in Berlin aus.
Ins Detail wollten die SPD-Granden der Region am Freitag bei der Präsentation des neuen SPD-Bundestagskandidaten nicht gehen, aber der Ulmer Stadtvorsitzende Martin Ansbacher machte klar, dass der überraschende Rückzug von Hasan Sen die SPD intern durchaus aufgewühlt hat. Es sei nun aber nicht die Zeit, nachzutreten oder schmutzige Wäsche zu waschen. Das bringe „niemanden etwas“, sagte Ansbacher. Wem er die Schuld dafür gibt, dass der Illerkirchberger Bauunternehmer Sen in der vergangenen Woche das Handtuch warf, machte Ansbacher trotzdem deutlich. Nicht der SPD.
Diese, so Ansbacher, habe immer „klar kommuniziert“, wie groß die Chancen sind, es als Kandidat bei der diesjährigen Wahl – gemeinsam bilden Ulm und Alb-Donau-Kreis den Wahlkreis 291 – direkt in den Bundestag zu schaffen. Nämlich nicht ganz so groß. Hasan Sen hatte sich mehr erhofft – und die Signale der SPD-Führung womöglich falsch verstanden. Er zog die Reißleine.
Ein solches „Missverständnis“dürfte sich mit dem neuen Kandidaten Jan Rothenbacher ziemlich sicher nicht wiederholen. Der gebürtige Illertisser, der gemeinsam mit Ramona Häberlein bereits als Co-Vorsitzender die SPD im Alb-Donau-Kreis führt, weiß sehr wohl, worauf er sich mit seiner Kandidatur einlässt. Ihm gehe es primär darum, sagte er am Freitag, so viele (Zweit)Stimmen wie möglich für die SPD zu sammeln. Er wolle mithelfen, „Olaf zum Kanzler zu machen“.
Große Illusionen, über das Direktmandat selbst das Ticket nach Berlin zu lösen, macht er sich aber nicht. Denn dafür müsste er die meisten Stimmen bekommen im Wahlkreis. Ronja Kemmer (CDU) und Marcel Emmerich (Grüne) seien jedoch zwei
„sehr starke“Kandidaten. Bei den Wählern will Rothenbacher, der in Balzheim lebt, zwei Kinder hat und verheiratet ist, trotzdem mit einem leidenschaftlichen Wahlkampf punkten, sofern es Corona eben erlaubt. Die Pandemie, die Gräben in der Gesellschaft vertieft habe, habe gezeigt, wie wichtig es sei, die Fahne für die soziale Gerechtigkeit hochzuhalten. Auch für eine bessere Pflege wolle er sich einsetzen.
Seine Brötchen verdient Rothenbacher als Berater bei Bw Consulting.
Kunde unter anderem: das Verteidigungsministerium. Schwerpunkt des studierten Politikwissenschaftlers: IT-Management, der digitale Bereich.
Offiziell nominiert werden soll Rothenbacher bei einem Parteitag Ende Mai/Anfang Juni im Ulmer Donaustadion. Damit verpasst die SPD Ulm/ Alb-Donau-Kreis die Möglichkeit, ihren Kandidaten auf der SPD-Landesliste zu platzieren. Denn die Liste wird bereits am kommenden Samstag beschlossen. Laut Martin Ansbacher hätte es zwar die Möglichkeit gegeben, Jan Rothenbacher („ein wunderbarer Kandidat“, so Ansbacher) unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Mitglieder auf die Liste setzen zu lassen. Davon habe man aber abgesehen, da man eine basisdemokratische Partei sei. Die Mitglieder hätten dies zu entscheiden. Ihnen vor zu greifen, sei „nicht fair“.
Sicher dürfte hier aber auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass der Platz, auf dem sich Rothenbacher (wie auch Sen) auf der Liste hätte einreihen müssen, nicht ausgereicht hätte, um in den Bundestag einzuziehen. Die SPD spricht von einem wahrscheinlichen Platz „im Mittelfeld“für den Ulmer SPD-Kandidaten; gute Chancen versprechen aber nur Plätze an der Spitze, im vorderen Bereich.
Damit dürfte eine Ära enden, in der die SPD Ulm/Alb-Donau zuletzt immer mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten war – in Person von Hilde Mattheis. Die Gesundheitsexpertin, deren Wort in Berlin Gewicht hat, und die am Freitag bei der virtuellen Kandidaten-Vorstellung aus dem Zug zugeschaltet war, machte deutlich: „Niemand hat ein Mandat auf ewig.“Das Ziel müsse es nun sein, ergänzte sie, „in vier Jahren wieder dabei zu sein“. Das unterstrichen auch Rothenbacher, Ramona Häberlein und Martin Rivoir, der für die Ulmer SPD zuletzt abermals in den Landtag eingezogen ist. Das „Potenzial“hierfür sei vorhanden, attestierte Letzterer seiner Partei.