Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wie ein Selfie einen Lebenstraum zerstörte
21-Jähriger will Priester werden, doch nach einem Foto mit einem schwulen Reality-TV-Star kommt alles anders
ALLMENDINGEN/MÜNCHEN - Als Priester die Botschaft Gottes verkünden – das war der Lebenstraum, den der 21-jährige Henry Frömmichen seit seiner Kindheit verfolgt und mit der Ausbildung am Priesterseminar München vor wenigen Wochen anfing, in die Tat umzusetzen. Doch ein spontanes Selfie mit dem schwulen Reality-TV-Star Alexander Schäfer ließ seinen Traum jäh platzen: Das Foto mit dem Teilnehmer der schwulen Datingshow „Prince Charming“soll eigenen Angaben zufolge der Grund sein, warum Frömmichen aus dem Priesterseminar flog. Statt mit der Kirche und Gott zu brechen, geht der junge Mann in die Offensive: „Vielleicht bin ich das Bauernopfer, aber ich werde jetzt erst recht für die Gleichberechtigung Homosexueller in der katholischen Kirche kämpfen.“
Homosexualität und katholische Kirche passe für ihn sehr wohl zusammen, betont der junge Mann aus Allmendingen (Alb-Donau-Kreis). Nie habe er seine eigene Homosexualität verheimlicht. Entsprechend überrascht sei er gewesen, als nach drei Monaten im Priesterseminar und nur kurz nachdem er das im November auf dem Odeonsplatz entstandene Selfie auf Instagram lud, ihn der Leiter des Seminars ins Büro zitierte. Das Foto, so ist sich Frömmichen sicher, war der Auslöser für den Rauswurf. „Ich hätte mir gewünscht, miteinander drüber zu sprechen, gemeinsam mit dem Regens einen Weg zu finden“, sagt Frömmichen. Stattdessen habe ihm der Leiter vorgeworfen, „ich würde mich mit homosexuellen Menschen solidarisieren und die Art von Homosexualität, wie sie da im Fernsehen dargestellt wird, propagieren“, sagt er.
Das Erzbistum München und Freising will sich zu den Gründen, warum der junge Mann das Priesterseminar verlassen musste, nicht äußern. Ebenso auch der Seminarleiter Wolfgang Lehner. Er betont aber: „Wenn jemand homosexuell geprägt ist, es aber schafft, unaufgeregt ein gesundes Beziehungsgefüge zu Männern und zu Frauen zu entwickeln, wenn also dieses Thema der Sexualität nicht dauernd im Vordergrund steht, für den sehe ich keinen Grund, warum er nicht Priester werden kann.“In den Ohren Frömmichens eine Aussage, die die Doppelmoral „in dem ganzen Apparat“zeige. Er habe stets mit offenen Karten gespielt, seine sexuelle Orientierung nicht verheimlicht, diese aber auch nicht zur Schau gestellt.
Über Wochen hinweg habe ihn der Vorfall sehr beschäftigt. Schließlich habe er viel geopfert, seinen Traum Realität werden zu lassen: seine Festanstellung als Bestatter in Ehingen, seine bis dahin seit drei Jahren bestehende Beziehung, sein bisheriges Leben in der Heimat. Das verhängnisvolle Foto, versehen mit dem Hashtag „lifechanger“, hat tatsächlich sein Leben verändert. „Gerne stehe ich jetzt mit meinem Namen, Gesicht und Geschichte dafür ein, dass sich in der katholischen Kirche etwas tut“, erklärt er. Zahlreiche Rückmeldung würden ihn in dieser Absicht stärken. Nur eines störe ihn: „Es geht viel um mich als Person, dabei sollte es viel mehr um die Sache gehen.“
Trotz seiner Geschichte steht er für die Kirche ein. Sich der Debatte nicht zu stellen, gar aus der Kirche auszutreten, hält er für den falschen Weg. „Ich möchte Ansprechpartner sein, gerade für Menschen, die auf der Suche sind nach der eigenen Identität“, sagt er. Auf die Jungen in der Kirche komme es an, sie seien es, die neu gestalten, nicht „die Alten im Vatikan“. Darum sei er auch am Sonntag beim Münchner Segnungsgottesdienst dabei gewesen, bei dem der katholische Priester Wolfgang Rothe aus Protest gegen das ausdrückliche Verbot des Vatikans mehrere gleichgeschlechtliche Paare segnete.
Das Selfie bereut Henry Frömmichen nicht. Die Eigendynamik seines Falls möchte er nutzen. Seine Geschichte bewegt und seine Botschaft kommt an – wenn auch in anderer Form: Von anfänglich wenigen Hundert Abonnenten auf Instagram ist „seine Gemeinschaft“innerhalb kürzester Zeit auf knapp 4000 gewachsen.