Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Auskunftspflicht light
Beschäftigte in Schulen, Kitas und Pflege sollen Impfstatus offenlegen
BERLIN - Der Wunsch der Arbeitgeber, ihre Beschäftigten nach dem Impfstatus gegen Corona zu fragen, wird in weiten Teilen der Wirtschaft nicht Realität. Anders sieht das bald in Kitas, Schulen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Pflegeheimen aus.
Worauf hat sich die Große Koalition aus CDU und SPD geeinigt?
Vorgesetzte in Kitas, Schulen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Pflegeheimen sollen künftig ihre Mitarbeiter nach dem Corona-Impfstatus fragen dürfen. Auf eine entsprechende Gesetzesänderung haben sich Union und SPD geeinigt, nachdem beide Fraktionen zuvor über das Thema gestritten hatten. Die Neuregelung soll am Dienstag im Bundestag beschlossen werden.
Demnach kann der Arbeitgeber „im Interesse des Infektionsschutzes“in diesen Bereichen „Auskunft oder die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen eines Impfschutzes oder das Bestehen einer natürlichen Immunität“in Bezug auf Corona verlangen. Ob jemand geimpft, genesen oder ungeimpft ist, soll demnach helfen, „über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden“– also etwa „von einer Beschäftigung ungeimpfter Personen (in bestimmten Bereichen) abzusehen“.
In diesen Einrichtungen, begründete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Auswahl, seien den Beschäftigten Menschen anvertraut, die einen besonderen Schutz bräuchten. Bisher dürfen bereits die Leiter medizinischer Einrichtungen, etwa von Krankenhäusern, Arztpraxen, Tageskliniken, ambulanten Intensivpflegediensten oder Rettungsdiensten, die Mitarbeiter mit Patientenkontakt nach dem Impfstatus fragen. Das ist im Paragraf 23a des Infektionsschutzgesetzes verankert, der nun erweitert werden soll.
Wie lange soll das gelten?
Solange „die epidemische Lage von nationaler Tragweite“noch gilt. Diese war zuletzt am 25. August für drei weitere Monate verlängert worden. Die epidemische Lage war erstmals am 25. März 2020 festgestellt worden. Sie liegt laut Infektionsschutzgesetz vor, „wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht“.
Ist damit eine allgemeine Auskunftspflicht vom Tisch?
Wenn es nach Jens Spahn und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht, nein. Spahn meint, dass eine Auskunftspflicht etwa auch im Großraumbüro Sinn machen würde. Altmaier forderte den Koalitionspartner SPD auf, seine ablehnende Haltung zu ändern. Es gehe „um den Gesundheitsschutz von vielen Tausend Menschen bei der Arbeit“. Für die SPD kommt das aber nicht infrage. Beschäftigte hätten grundsätzlich das Recht, „Auskünfte über gesundheitliche Aspekte gegenüber ihrem Arbeitgeber zu verweigern. Ausnahmen davon müssen sehr gut begründet und eng eingegrenzt sein“, so die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar. Bei den jetzt zusätzlich definierten Einrichtungen sei das gegeben, weil dort
„Menschen sehr nah zusammenkommen, insbesondere verletzliche“, da müsse besondere Vorsicht gelten.
Was sagen die Gewerkschaften?
Sie lehnen die Regelung ab. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verwies darauf, dass in Deutschland „aus gutem Grund“persönliche Daten unter besonderem Schutz stünden. „Diesen Schutz müssen wir gewährleisten“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Sie verwies darauf, dass die Impfbereitschaft unter den Beschäftigten in Schulen und Kitas mit „80 bis 95 Prozent ganz weit oben“liege. Auch der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, hob eine Impfquote von rund 90 Prozent bei Lehrkräften hervor.
Fünf Prozent könnten sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen und maximal fünf Prozent wollten das vermutlich nicht. Diese Zahlen rechtfertigten „in keiner Weise den mit der Abfrage des Impfstatus verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.“
Der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, äußerte die Befürchtung, dass „dies nur die Vorstufe zu einer allgemeinen Impfpflicht ist“. Ganz anders sieht das der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch: „Kranke, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wollen sicher sein, dass der Immunstatus von medizinisch-pflegerischen Beschäftigten bekannt ist. Das ist ein wichtiger Baustein, um durch die vierte Welle zu kommen."