Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Meinen Beruf habe ich immer geliebt“
Barbara Nowak aus Laichingen berichtet über ihren schweren Start in Laichingen, ihren Auslandsaufenthalt und ihre Arbeit als Lehrerin
LAICHINGER ALB - Wir leben auf dem Boden der Vergangenheit. Vieles von dem, was heute selbstverständlich ist, war es früher keineswegs. In dieser Kolumne erzählen Menschen, was ihnen in ihrem Leben wichtig war und ist. SZ-Kolumnistin Diana Baumeister im Gespräch mit Barbara Nowak aus Laichingen.
Frau Nowak: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
Ich kam 1946 in Tübingen zur Welt und lebte dann zusammen mit meiner Mutter und meiner jüngeren Schwester bis ich sieben Jahre alt war in Kirchheim. Meine Mutter war alleinerziehend und das war in dieser Form damals sehr ungewöhnlich und sehr schwierig. 1953 zogen wir nach Schorndorf. Dort kam ich auf das Gymnasium. Ich bin meiner Mutter wirklich dankbar, dass ihr eine gute Schulbildung für uns so wichtig war. Ende der siebten Klasse zogen wir wieder nach Kirchheim, immer in Abhängigkeit davon, wo meine Mutter Arbeit und Wohnraum fand.
1961 wurde dann ein sehr interessantes Jahr für Sie?
Ja, mit 15 Jahren bekam ich die Möglichkeit, für vier Monate nach Liverpool zu einer Familie zu gehen und dort auch die Schule zu besuchen,
„Homestay“hieß das damals. Das war eine ganz tolle und im Nachhinein auch prägende Zeit. Ich genoss die Unabhängigkeit und die vollkommen andere Umgebung. Ich war also zu der Zeit in Liverpool als die Beatles im Keller probten und ihre ersten Auftritte hatten – getroffen habe ich sie allerdings nicht.
Inwiefern war diese Zeit prägend für Sie?
Ich entdeckte meine Liebe zur englischen und später auch zur französischen Sprache und auch zu diesen Ländern. Das führte wohl auch zu meiner Berufswahl. Nach dem Abitur studierte ich in Tübingen Französisch und Englisch.
Also Mitte der 1960er-Jahre, wie erlebten Sie diese Zeit?
Das war natürlich die Zeit der großen Umbrüche. Mir war allerdings wichtig, dass ich mein Studium rasch durchzog, das Geld war nach wie vor knapp. In Tübingen lernte ich dann meinen Mann kennen. Er gehörte einer nicht schlagenden und nicht farbetragenden Verbindung an. Zum Verbindungshaus gehörte ein Studentenwohnheim. Das erste, in dem auch Frauen wohnen konnten. So kam ich mit ganz vielen verschiedenen Leuten aus allerhand Fachrichtungen zusammen. Das war ungemein horizonterweiternd.
Wie ging es nach dem Examen für Sie weiter?
1968 wurde ich als Referendarin nach Ludwigsburg ans Goethe-Gymnasium versetzt. Das war damals ein reines Mädchengymnasium. Danach ging es noch kurz nach Herbrechtingen.
Wann kamen Sie dann nach Laichingen?
Im Jahr 1970 heirateten wir und mein Mann studierte damals noch in Tübingen. Wir wollten aber natürlich zusammenleben und ich stellte den Antrag auf eine entsprechende Versetzung. So kam ich nach Laichingen an das damals neu aufgebaute Progymnasium.
Wie war Ihr erster Eindruck von Laichingen?
Ich war sehr überrascht, wie ländlich alles war. Mitten in der Stadt befanden sich damals noch Bauernhöfe. Von Tübingen war ich Konzerte, Kultur – halt ein anderes Leben – gewohnt. Das alles gab es auf der Alb noch nicht. Eigentlich wollte ich gleich wieder weg. Die ersten beiden Jahre pendelte ich deshalb jeden Tag zwischen Tübingen und Laichingen hin und her. Nach dem zweiten Winter war dann Schluss und wir zogen nach Laichingen.
Was bedeutete der Beruf als Lehrerin für Sie?
Das Unterrichten hat mir sehr viel Freude gemacht, das war eine sehr erfüllende Arbeit. Ich dachte, wenn ein Kind schon hier ist, soll es das nicht umsonst sein, ich will ihm etwas mitgeben.
1976 kam Ihre Tochter zu Welt. Wie ging es nach der Geburt für Sie weiter?
Bereits sechs Wochen nach der Geburt arbeitete ich wieder. Ich hatte einen vollen Lehrauftrag. Teilzeit gab es damals tatsächlich noch in keiner Form. Meine Mutter kam dann zu uns und sorgte für meine Tochter. Wir bauten in Laichingen ein Haus. Ich hatte wirklich genug zu tun, aber es war gut so.
Heute leben Sie immer noch in Laichingen...
Mit den Jahren gefiel es mir immer besser. Es kamen nette Kollegen dazu. Die Schule wurde größer. Irgendwann war klar: Wir bleiben hier. Und es war eine gute Zeit. Ich habe sehr viel erlebt. Wenn ich nur an all die Studienfahrten und Schullandheimaufenthalte denke. 2010 ging ich in Pension, nach fast genau 40 Jahren im Schuldienst. Danach war ich noch mit vielen Nachhilfestunden vor allem in Französisch beschäftigt und bis vor kurzem gab ich noch Französischkurse an der Volkshochschule.
Was hat sich verändert in den 40 Jahren? War das Unterrichten in den 1960er-Jahren anders als heute?
Nicht einmal so sehr. Ich finde nicht, dass sich die Kinder groß verändert haben. Natürlich wachsen sie heute anders auf. Aber wenn man die Kinder mit Respekt und Fairness behandelt und versucht, einen Zugang zu finden, ist es nicht anders als früher. Ich hielt nie viel von Disziplinarmaßnahmen. In den ganzen 40 Jahren gab es bei mir nur zwei oder drei Einträge.
Wobei es ein großer Unterschied ist, ob man Fünftklässler oder Abiturienten unterrichtet...
Ja, ganz klar. Am Anfang legt man den Grundstein und in den oberen Klassen sieht man, was an Wissen alles da ist, was aus den Grundlagen geworden ist. Mir hat beides gefallen, auch die schwierigeren Jahrgänge in der Pubertät. Und über meine Tochter, die auch Lehrerin ist, bleibe ich auch ein wenig in Kontakt mit dem Schulbetrieb. Heute gefällt es mir, dass ich praktisch überall ehemalige Schüler treffe, sei es im Café, beim Arzt, selbst beim Steuerberater.
Noch ein Wort zum Schluss: Meine Familie war mir immer sehr wichtig. Ich habe für mich den richtigen Beruf gewählt und bin sehr dankbar, wie alles lief. Insgesamt ergab es einen geraden Weg. Ich stand nie irgendwo, wo ich nicht mehr weiter wusste. Ich bereue nichts.