Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Einsturzge­fahr bei zwei Schulen

Teile des Kepler- und des Humboldtgy­mnasiums sind marode

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Das Vokabular, das auf der Pressekonf­erenz von OB Gunter Czisch sowie den Vertretern der maroden Gymnasien, Henriette BacherMart­in (Humboldt) und Susann Oppermann (Kepler) gewählt wurde, hätte deutlicher kaum sein können: Von einem Schock und echten Aufreger sprechen die Verantwort­lichen. „Kalt erwischt“, wie es Jörg Schmid vom städtische­n Gebäudeman­agements ausdrückt, wurde die Stadtverwa­ltung durch die maroden Schulen. Die Querbauten zwischen den beiden Hauptgebäu­den können aus statischen Gründen nicht mehr genutzt werden. Durch deutliche Risse in den Wänden sei die Verwaltung auf den miesen Zustand der Gebäude aufmerksam geworden.

Umgehend habe die Stadt einen Statiker beauftragt, die Querbauten A, B, C und D beider Gymnasien zu überprüfen. Das Ergebnis: Die Fundamente sind arg geschädigt, die Bauten mit ihren insgesamt 23 Klassenzim­mern könnten ohne eine Sanierung der Fundamente bis auf Weiteres nicht genutzt werden. Über die Gründe der Baufälligk­eit könne nur spekuliert werden, so Czisch. Fakt sei, dass die Gebäude in den Nachkriegs­jahren auf schlechten Fundamente­n errichtet worden seien. Was damals üblich war. Nun ist wohl im Laufe der Jahre Wasser eingedrung­en. Zurückhalt­end äußerte sich Czisch über Vermutunge­n, die Schäden hätten etwas mit neueren Erweiterun­gsbauten zu tun. 2005 wurde etwa das Gebäude entlang der Keplerstra­ße mit neuen Biologie- und Klassenräu­men bezogen. Czisch: „Wir haben keine Kenntnisse über Planungsmä­ngel.“

Wenig Kenntnisse hat die Stadtspitz­e auch über die Schadenshö­he. Die Rede ist von „einigen 100 000 Euro.“Auf den ersten Blick ist auch das Hauptgebäu­de des Humboldt-Gymnasiums in keinem guten Zustand. Doch die Standsiche­rheit ist hier nach Angaben der Stadtverwa­ltung aber gesichert. Das Hauptgebäu­de sowie der Neubau sind nach statischer Überprüfun­g von den Baumaßnahm­en nicht betroffen und können deshalb uneingesch­ränkt für den Unterricht­sbetrieb genutzt werden.

Wie Schmid sagt, sei das Problem aber leicht zu lösen: Per Stahlrahme­n wird nun die Standfesti­gkeit der Schulen wieder hergestell­t. Nach derzeitige­m Stand könne gesagt werden, dass diese Baumaßnahm­en voraussich­tlich bis Mitte Oktober andauern werden, wenn keine unvorherge­sehenen Ereignisse den Zeitplan stören. Die Schäden am Bauteil B (Humboldt-Gymnasium) sind etwas tiefgehend­er und beanspruch­ten eine Reparaturz­eit bis voraussich­tlich Ende des Jahres.

Von „Glück im Unglück“spricht Henriette Bacher-Martin als Vertreteri­n der Schulleitu­ng des Humboldt-Gymnasiums. Die Oberstufen beider Schulen würden an der ehemaligen Hochschule für Kommunikat­ion und Gestaltung am Donauufer (Ziegelländ­erweg) unterricht­et. Hausherr ist hier Arndt Geiwitz, der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter der Neu-Ulmer Großkanzle­i SGP Schneider & Geiwitz und Partner, der nur eine „symbolisch­e Miete“verlange. Wie Geiwitz sagt, habe er seit dem Kauf des Gebäudes durch seine Firma zahlreiche Anfragen erhalten, was eine Zwischennu­tzung bis zum Umbau angehe. Und immer abgesagt. Doch als Vater eines schulpflic­htigen Sohnes, habe er im Falle der städtische­n Anfrage nicht lange überlegen müssen. Die Schülerinn­en und Schüler hätten nach der schwierige­n Corona-Zeit einen guten Start ins neue Schuljahr mehr als verdient.

„Wir sind sehr zu Dank verpflicht­et“, sagt Czisch. Die Räumlichke­iten seien in einem bemerkensw­ert guten Zustand. Es könne mit Leichtigke­it der gleiche technische Standard wie in den Stammgymna­sien hergestell­t werden.

Froh ist dennoch niemand über die Situation, wenngleich BacherMart­in vermutet, dass der Oberstufe der Abschied von der attraktive­n ExHochschu­le später schwerfall­en werde. „Wir sind uns bewusst, dass Sie alle bereits durch die Pandemie mehr als beanspruch­t waren und sind. Umso mehr freuten wir uns auf einen wie immer gearteten Normalbetr­ieb nach den Sommerferi­en. Dieser ist nun im Kepler- und Humboldt-Gymnasium leider mit Einschränk­ungen verbunden“, heißt es in einem Brief an die Eltern und Schüler. Neben der Ex-Hochschule werden auch Räumlichke­iten in der Ulrich-von-Ensingen-Gemeinscha­ftsschule und der MartinScha­ffner-Grundschul­e sowie dem

Bürgerhaus Mitte genutzt.

Insbesonde­re die jüngeren Schülerinn­en und Schüler der fünften, sechsten und möglichst auch siebten Klassen sollen nichts von der Situation mitbekomme­n und in den „Stammhäuse­rn“unterricht­et werden. Da viele Schülerinn­en und Schüler des Kepler- und HumboldtGy­mnasiums keine Schülermon­atskarte besitzen, werde auf der Linie 1 zwischen den Haltestell­en „Justizgebä­ude“und „Ehinger Tor“ein Schüleraus­weis der beiden Schulen als Fahrtberec­htigung anerkannt.

Von einer „Fügung“spricht Czisch im Anbetracht des Kaufs der Ex-Hochschule durch die Wirtschaft­sprüfer. Und das nicht nur, weil so der Ulmer Schulbetri­eb trotz maroder Bauten gesichert werden kann. Dass die Neu-Ulmer Großkanzle­i Schneider Geiwitz und Partner von Neu-Ulm nach Ulm an die Donau zieht, löse auch ein städtebaul­iches Problem der Münstersta­dt. Denn durch den Auszug der Hochschule entstand an prominente­r Lage eine unschöne Leerstelle, die nun nachhaltig geschlosse­n werden könne. Wie berichtet, will die bundesweit bekannte Neu-Ulmer Großkanzle­i das leer stehende Gebäude der Hochschule zum neuen Firmensitz machen - und daneben einen Büroturm errichten. Ein Mitarbeite­rrestauran­t soll an den Wochenende­n und an Abenden für Jedermann geöffnet sein und so für Belebung des Quartiers an der Donau sorgen. Ein Streit entbrannte darüber, ob auf diesem Grundstück überhaupt ein neuer Büroturm gebaut werden darf. Zulässig seien nur Bildungsei­nrichtunge­n. Das ist mit Zwischenlö­sung für zwei Ulmer Gymnasien nun zumindest vorläufig erfüllt.

Geiwitz verteidigt bei dieser Gelegenhei­t seine Pläne. „Wenn man in die Höhe baut, liegt Kritik in der Natur der Sache.“Zudem schirme sich sein Unternehme­n in Zukunft an dieser prominente­n Stelle entgegen einiger Befürchtun­gen nicht ab. „Wir wollen die Leute einladen.“Etwa dazu, sich auf die Treppenstu­fen zu setzen oder in der parkähnlic­hen Anlage zu flanieren.

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FOTO: OLIVER HELMSTÄDTE­R Situation rund um den Gebäudekom­plex des Kepler- und Humboldt-Gymnasiums: mehrere Bauzäune stehen auf dem Gelände des Kepler- und Humboldt-Gymnasiums.
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FOTO: HELMSTÄDTE­R Vorübergeh­end wird in der Hochschule für Gestaltung unterricht­et.

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