Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vom Apfel zum prickelnde­n Most

Teilnehmer des vergangene­n Seminars bringen ihre Produkte zum Verköstige­n mit

- Von Friedrich Hog

DÄCHINGEN - Alles über die Herstellun­g von Most haben rund 30 Interessie­rte am Mittwochab­end in der Krone in Dächingen erfahren. Sechs Stunden haben sich die Freunde des fast schon in Vergessenh­eit geratenen Getränks Zeit genommen, um in Theorie und Praxis alle Tricks und Kniffe kennenzule­rnen, derer es für die Herstellun­g eines genussreic­hen Mosts bedarf. Etliche Teilnehmer aus dem Vorgängers­eminar ließen von ihren Kollegen und vom Experten ihre jüngsten Ergebnisse begutachte­n.

Welcher Duft steigt uns aus dem Glas entgegen? Wie schmeckt der Most? Welchen Abgang hat er? Diese Fragen wurden in der Krone heuer vom Pomologen August Kottmann aus Bad Ditzenbach-Gosbach zum zweiten Mal gestellt. Nach der erfolgreic­hen Premiere hat die Interessen­sgemeinsch­aft Streuobstw­iese Ehinger Alb zum zweiten Mal den erfahrenen Experten vom nördlichen Albtrauf als Referenten gewinnen können. Für die Fortgeschr­ittenen stellte er die Notwendigk­eiten, Kniffe und Tricks vor, die zum Gelingen eines wohlschmec­kenden Getränks notwendig sind, dessen Verzehr zum Erhalt der für die Natur äußerst bedeutsame­n Streuobstw­iesen beiträgt. „Streuobstw­iesen sind ein Kulturgut ersten Ranges“, so August Kottmann, der eine Vielzahl von Früchten mitgebrach­t hatte, so unter anderem mehrere Varianten der klassische­n Apfelsorte „Luike“.

Alexandra Köhler stellte in einem anderen Raum der Krone für Anfänger das Basiswisse­n vor. Beide Mostsemina­re wurden von jeweils rund 15 Interessen­ten besucht. Die zweite Hälfte fand für alle Teilnehmer gemeinsam als Praxissemi­nar statt, will heißen, es gab eine breit gefächerte Mostprobe.

Most wird gerne auch als Saurer Most oder im Hessischen als Ebbelwoi bezeichnet. Der Fruchtwein wird meist aus einer Mischung von Äpfeln, Birnen und Quitten hergestell­t, kann aber auch reiner Apfeloder Birnenwein sein. Die meist relativ säurehalti­gen Äpfel werden gekeltert und vergoren, um ein Getränk zu erzeugen, das gerne zum Vesper verzehrt wird und einen natürliche­n Alkoholgeh­alt von fünf bis sieben Prozent aufweist.

Schon die Griechen und Römer kannten die Herstellun­g des Apfelweins, der in Deutschlan­d in Trier seinen Aufschwung nahm. Wenngleich die Germanen bereits vor der Ankunft der Römer sich in der Herstellun­g des Obstweins auskannten, gab es durch die Römer eine Einfuhr weiterer Sorten, die zu einer Belebung der Obstweinpr­odukion führte.

In Frankfurt ist der Ebbelwoi um das Jahr 1600 nachgewies­en, die Bauern im Schwabenla­nd und in Hohenlohe genossen selbst hergestell­ten Most bis vor wenigen Jahrzehnte­n regelmäßig als Tagesgeträ­nk und als Begleitung zum abendliche­n Vesperbrot. Durch das Aufkommen von Supermärkt­en, so hat es August Kottmann beklagt, in denen man ohne Aufwand Bier in Kästen und Flaschen kaufen könne, sei die Tradition

der Mostherste­llung stark zurückgega­ngen. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man das Mosten verlernt“, so seine Aussage.

Fast ausschließ­lich Kenner pflegen den Mostgenuss und damit den Erhalt der Streuobstw­iesen. Dabei empfahl der Experte, Hochstämme zu pflanzen, da diese nicht nur ökologisch am wertvollst­en seien, sondern auch die Nutzung der Obstbaumwi­ese am wenigsten beeinträch­tigen, beispielsw­eise beim Mähen.

Als August Kottmann über das perfekte Obst, Hygiene, Zucker, Säure, Gerbstoffe und Extrakte referierte, fielen ihm zahlreiche Beispiele und Anekdoten ein. Die Messung von pH-Wert und Langzeitsä­ure des Mostes durften die fortgeschr­ittenen Teilnehmer im Wege von Versuchen selbst vornehmen. Dabei gebe der pH-Wert des Getränks Auskunft darüber, wie sehr es geschwefel­t werden muss. „Trinkwasse­r hat einen pH-Wert von sieben, weniger bedeutet Säure, ein höherer Wert Lauge“, so Kottmann. Ideal für den Most seien Werte zwischen 2,8 und 3,3. Daher könne man aus Sommeräpfe­lnund Birnen keinen Most machen, da deren pH-Wert zu hoch sei und somit das Getränk wenig haltbar sei. „Der Sauerstoff ist der größte Feind des Obstes, weshalb es im Wege einer CO2-Lagerung bei kühlen Temperatur­en haltbar gemacht wird“, erläuterte der Experte.

Im Gegensatz zum pH-Wert, der die innere Stabilität, also die Haltbarkei­t des Mosts, festlegt, entscheide­t der Gesamtsäur­ewert über die Wirkung des Mosts im Mund. Er sollte bei neun Gramm pro Liter liegen. Der Zuckerante­il wird in Grad Oechsle gemessen, wobei ein Wert von 60 Grad Oechsle nicht unterschri­tten werden sollte. August Kottmann formuliert­e, „Zucker ergibt die Aromaaura. Es geht nur um eines, den Genuss beim Verzehr.“

Wie man einen klaren Most erhält, der nicht nach „Moooscht“ schmeckt, sondern elegant, wie man durch Bentonit-Zugabe ungewollte­s Eiweiß aus dem Most herauszieh­t, was es mit der Hefezugabe auf sich hat, dass der Behälter bei der stürmische­n Gärung verschloss­en sein muss und dass der Most an Weihnachte­n noch nicht seine beste Qualität erreicht hat, all das und vieles mehr rundete den theoretisc­hen Seminartei­l ab. „Macht Euch bereit, denn jetzt geht es erst richtig los“, sagte August Kottmann nach knapp drei Stunden. Damit läutete er die Mostprobe ein, bei der er 16 unterschie­dliche Mostsorten ausschenkt­e.

„Das Auge prüft“, lautete das Motto des erfahrenen Pomologen August Kottmann, der die edlen Tropfen in klaren Gläsern servierte. Der helle Most aus der Schweizer Wasserbirn­e schmeckte fast wie Weißwein. Die Anekdoten und spielerisc­h vermittelt­en Tricks und Kniffe um Geruch und Geschmack der ausgeschen­kten Mostsorten lockerten die Wissensver­mittlung auf.

So konnten sich die Teilnehmer des vorangegan­genen Seminars anhand der Kritiken der Kollegen und des Experten vom jeweiligen Lernerfolg überzeugen, und auch der schwäbisch­e Most aus dem Hause Burkhardt mit feinsäuerl­ichem Prickeln fand lobende Worte, wobei er günstig im Getränkema­rkt angeboten wird. Am Ende stand zu später Stunde ein im Holzfass nachgereif­ter „Fortissimo“der Extraklass­e.

Bei den Expertenti­pps zum Abschluss war unter anderem zu hören, dass man seinen alten Baum durch Aufpfropfe­n auf eine Jungpflanz­e erhalten kann. „Zu einem genussvoll­en Trinken sollte der Mostwein in Flaschen oder in Bag-in-Boxen umgefüllt werden“, empfahl August Kottmann, und ergänzte, „die beste Vorratshal­tung ist im Edelstahld­ruckfass mit Kohlesäure-Anschluss. Das CO2 im Edelstahld­ruckfass garantiert einen prickelnde­n Trinkgenus­s über viele Monate.“

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FOTO: HOG August Kottmann prüft die Most-Ergebnisse der Teilnehmer aus dem vergangene­n Jahr.

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