Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Vom Apfel zum prickelnden Most
Teilnehmer des vergangenen Seminars bringen ihre Produkte zum Verköstigen mit
DÄCHINGEN - Alles über die Herstellung von Most haben rund 30 Interessierte am Mittwochabend in der Krone in Dächingen erfahren. Sechs Stunden haben sich die Freunde des fast schon in Vergessenheit geratenen Getränks Zeit genommen, um in Theorie und Praxis alle Tricks und Kniffe kennenzulernen, derer es für die Herstellung eines genussreichen Mosts bedarf. Etliche Teilnehmer aus dem Vorgängerseminar ließen von ihren Kollegen und vom Experten ihre jüngsten Ergebnisse begutachten.
Welcher Duft steigt uns aus dem Glas entgegen? Wie schmeckt der Most? Welchen Abgang hat er? Diese Fragen wurden in der Krone heuer vom Pomologen August Kottmann aus Bad Ditzenbach-Gosbach zum zweiten Mal gestellt. Nach der erfolgreichen Premiere hat die Interessensgemeinschaft Streuobstwiese Ehinger Alb zum zweiten Mal den erfahrenen Experten vom nördlichen Albtrauf als Referenten gewinnen können. Für die Fortgeschrittenen stellte er die Notwendigkeiten, Kniffe und Tricks vor, die zum Gelingen eines wohlschmeckenden Getränks notwendig sind, dessen Verzehr zum Erhalt der für die Natur äußerst bedeutsamen Streuobstwiesen beiträgt. „Streuobstwiesen sind ein Kulturgut ersten Ranges“, so August Kottmann, der eine Vielzahl von Früchten mitgebracht hatte, so unter anderem mehrere Varianten der klassischen Apfelsorte „Luike“.
Alexandra Köhler stellte in einem anderen Raum der Krone für Anfänger das Basiswissen vor. Beide Mostseminare wurden von jeweils rund 15 Interessenten besucht. Die zweite Hälfte fand für alle Teilnehmer gemeinsam als Praxisseminar statt, will heißen, es gab eine breit gefächerte Mostprobe.
Most wird gerne auch als Saurer Most oder im Hessischen als Ebbelwoi bezeichnet. Der Fruchtwein wird meist aus einer Mischung von Äpfeln, Birnen und Quitten hergestellt, kann aber auch reiner Apfeloder Birnenwein sein. Die meist relativ säurehaltigen Äpfel werden gekeltert und vergoren, um ein Getränk zu erzeugen, das gerne zum Vesper verzehrt wird und einen natürlichen Alkoholgehalt von fünf bis sieben Prozent aufweist.
Schon die Griechen und Römer kannten die Herstellung des Apfelweins, der in Deutschland in Trier seinen Aufschwung nahm. Wenngleich die Germanen bereits vor der Ankunft der Römer sich in der Herstellung des Obstweins auskannten, gab es durch die Römer eine Einfuhr weiterer Sorten, die zu einer Belebung der Obstweinprodukion führte.
In Frankfurt ist der Ebbelwoi um das Jahr 1600 nachgewiesen, die Bauern im Schwabenland und in Hohenlohe genossen selbst hergestellten Most bis vor wenigen Jahrzehnten regelmäßig als Tagesgetränk und als Begleitung zum abendlichen Vesperbrot. Durch das Aufkommen von Supermärkten, so hat es August Kottmann beklagt, in denen man ohne Aufwand Bier in Kästen und Flaschen kaufen könne, sei die Tradition
der Mostherstellung stark zurückgegangen. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man das Mosten verlernt“, so seine Aussage.
Fast ausschließlich Kenner pflegen den Mostgenuss und damit den Erhalt der Streuobstwiesen. Dabei empfahl der Experte, Hochstämme zu pflanzen, da diese nicht nur ökologisch am wertvollsten seien, sondern auch die Nutzung der Obstbaumwiese am wenigsten beeinträchtigen, beispielsweise beim Mähen.
Als August Kottmann über das perfekte Obst, Hygiene, Zucker, Säure, Gerbstoffe und Extrakte referierte, fielen ihm zahlreiche Beispiele und Anekdoten ein. Die Messung von pH-Wert und Langzeitsäure des Mostes durften die fortgeschrittenen Teilnehmer im Wege von Versuchen selbst vornehmen. Dabei gebe der pH-Wert des Getränks Auskunft darüber, wie sehr es geschwefelt werden muss. „Trinkwasser hat einen pH-Wert von sieben, weniger bedeutet Säure, ein höherer Wert Lauge“, so Kottmann. Ideal für den Most seien Werte zwischen 2,8 und 3,3. Daher könne man aus Sommeräpfelnund Birnen keinen Most machen, da deren pH-Wert zu hoch sei und somit das Getränk wenig haltbar sei. „Der Sauerstoff ist der größte Feind des Obstes, weshalb es im Wege einer CO2-Lagerung bei kühlen Temperaturen haltbar gemacht wird“, erläuterte der Experte.
Im Gegensatz zum pH-Wert, der die innere Stabilität, also die Haltbarkeit des Mosts, festlegt, entscheidet der Gesamtsäurewert über die Wirkung des Mosts im Mund. Er sollte bei neun Gramm pro Liter liegen. Der Zuckeranteil wird in Grad Oechsle gemessen, wobei ein Wert von 60 Grad Oechsle nicht unterschritten werden sollte. August Kottmann formulierte, „Zucker ergibt die Aromaaura. Es geht nur um eines, den Genuss beim Verzehr.“
Wie man einen klaren Most erhält, der nicht nach „Moooscht“ schmeckt, sondern elegant, wie man durch Bentonit-Zugabe ungewolltes Eiweiß aus dem Most herauszieht, was es mit der Hefezugabe auf sich hat, dass der Behälter bei der stürmischen Gärung verschlossen sein muss und dass der Most an Weihnachten noch nicht seine beste Qualität erreicht hat, all das und vieles mehr rundete den theoretischen Seminarteil ab. „Macht Euch bereit, denn jetzt geht es erst richtig los“, sagte August Kottmann nach knapp drei Stunden. Damit läutete er die Mostprobe ein, bei der er 16 unterschiedliche Mostsorten ausschenkte.
„Das Auge prüft“, lautete das Motto des erfahrenen Pomologen August Kottmann, der die edlen Tropfen in klaren Gläsern servierte. Der helle Most aus der Schweizer Wasserbirne schmeckte fast wie Weißwein. Die Anekdoten und spielerisch vermittelten Tricks und Kniffe um Geruch und Geschmack der ausgeschenkten Mostsorten lockerten die Wissensvermittlung auf.
So konnten sich die Teilnehmer des vorangegangenen Seminars anhand der Kritiken der Kollegen und des Experten vom jeweiligen Lernerfolg überzeugen, und auch der schwäbische Most aus dem Hause Burkhardt mit feinsäuerlichem Prickeln fand lobende Worte, wobei er günstig im Getränkemarkt angeboten wird. Am Ende stand zu später Stunde ein im Holzfass nachgereifter „Fortissimo“der Extraklasse.
Bei den Expertentipps zum Abschluss war unter anderem zu hören, dass man seinen alten Baum durch Aufpfropfen auf eine Jungpflanze erhalten kann. „Zu einem genussvollen Trinken sollte der Mostwein in Flaschen oder in Bag-in-Boxen umgefüllt werden“, empfahl August Kottmann, und ergänzte, „die beste Vorratshaltung ist im Edelstahldruckfass mit Kohlesäure-Anschluss. Das CO2 im Edelstahldruckfass garantiert einen prickelnden Trinkgenuss über viele Monate.“