Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Unterstützung für Macron
Olaf Scholz hat in den deutschfranzösischen Beziehungen einen schwierigen Start erwischt. Der Bundeskanzler übernimmt sein Amt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft angeht. Außerdem wird in vier Monaten im Nachbarland gewählt. Kein Wunder also, dass der ehrgeizige Emmanuel Macron die nächste Zeit nutzen will, um sich auf europäischer Ebene zu profilieren.
Der Abgang Angela Merkels, deren Führungsrolle unangefochten war, hinterlässt in der Europäischen Union eine Lücke. Frankreichs Präsident füllt diese in der ihm eigenen selbstbewussten Art. Nur wenige Stunden vor der Ankunft des neuen Bundeskanzlers veranstaltete er eine Pressekonferenz zu den Zielen der französischen EU-Ratspräsidentschaft. Die strengen Haushaltsregeln der Union, zu denen auch die neue Berliner Ampel-Koalition steht, packte er dabei en passant in die Mottenkiste. Mit viel Geld soll stattdessen das Wachstum gesichert und sogar die Vollbeschäftigung erreicht werden.
Nutznießer wäre dabei nach der Macron’schen Logik vor allem Frankreich selbst, das seine lahmende Industrie mit Geldern aus Brüssel gerne wieder auf Vordermann bringen würde. Dass Scholz darauf vorsichtig reagiert, ist verständlich. Er sollte dennoch überlegen, ob er seine hanseatische Zurückhaltung nicht aufgeben will. Denn Macron braucht in den nächsten Monaten dringend einen Erfolg auf europäischer Bühne. Auch wenn er seine Kandidatur noch nicht bekannt gab, ist er im Bewerberfeld um die Präsidentschaft der Einzige, der ohne Wenn und Aber zu Europa steht.
Seine rechtspopulistische Rivalin Marine Le Pen will die Europäische Union gemeinsam mit dem Ungarn Victor Orbán nach ihren Vorstellungen ummodeln, und die Konservativen wollen die nationale Rechtsprechung über die europäische stellen. Gegen solche Konkurrenten ist Macron Europas einzige Hoffnung. Sicher verdienen nicht alle seine Ideen eine blinde Gefolgschaft. Aber Deutschland muss ihn offen unterstützen. Sonst droht es irgendwann in Brüssel alleine dazustehen.