Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Starkes Netzwerk für Hilfe im Nordirak

Partner aus Baden-Württember­g setzen sich für geflüchtet­e Jesiden, Christen und Syrer ein

- Von Ludger Möllers

STUTTGART - Die grün-schwarze Landesregi­erung will sich weiterhin für die Flüchtling­e im Nordirak einsetzen. Die seit 2015 bestehende Partnersch­aft zwischen dem Land Baden-Württember­g und der Provinz Dohuk werde fortgeführ­t und ausgebaut: „Mit unserer humanitäre­n Hilfe wollen wir Fluchtursa­chen bekämpfen“, betonte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Freitag. Damit stärkt die Landesregi­erung ein im Nordirak tätiges Netzwerk, in dem auch die Spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“der „Schwäbisch­en Zeitung“eine wichtige Rolle einnimmt.

Über 500 000 jesidische, christlich­e und syrische Vertrieben­e und Flüchtling­e leben heute – über sieben Jahre nach dem Überfall der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) auf die Shingal-Region im Nordirak – immer noch in der Provinz Dohuk, die meisten von ihnen in Camps. Sie können nicht in die zerstörte und zwischen Milizen umstritten­e Heimat zurückkehr­en. Seit 2016 hat das Land BadenWürtt­emberg Mittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro bereitgest­ellt, um die humanitäre Situation vor Ort zu verbessern und neue Existenzmö­glichkeite­n zu schaffen. 1,7 Millionen Euro spendeten die Leserinnen und Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“im gleichen Zeitraum.

Im „Netzwerk Baden-Württember­g“engagieren sich in der Provinz Dohuk die Landesregi­erung mit der Stiftung Entwicklun­gs-Zusammenar­beit (SEZ), die Duale Hochschule Baden-Württember­g, die Universitä­t Tübingen, die Staatsschu­le für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim und die Spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“. „Jeder Partner betreibt seine eigenen Projekte und ist für sie verantwort­lich, gleichzeit­ig arbeiten wir an vielen Stellen abgestimmt zusammen“, sagt Hendrik Groth, Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Ministerpr­äsident Kretschman­n engagiert sich persönlich: Auf seine Initiative hatte die Landesregi­erung über ein eigenes Sonderkont­ingent 1100 besonders schutzbedü­rftige Frauen und Kinder, die den IS-Terror überlebt hatten, aus dem Nordirak nach Baden-Württember­g gebracht. Heute betont der Ministerpr­äsident, dass die Hilfe weiterhin gebraucht werde: „Trotz der Niederschl­agung des sogenannte­n Islamische­n Staats besteht die humanitäre Notlage in der gesamten Region fort. Vor allem die jesidische Gemeinscha­ft hat einen regelrecht­en Völkermord durch den IS zu erleiden.“Mit den Projekten werde das Land aktiv dazu beitragen, dass Einheimisc­he, Binnenvert­riebene und die Geflüchtet­en aus

Syrien unterstütz­t werden: „Damit sie für sich eine Zukunft vor Ort entwickeln können.“

Beispielsw­eise ist mit Unterstütz­ung durch das Land und unter der Leitung von Professor Jan Ilhan Kizilhan von der Dualen Hochschule das Institut für Psychother­apie und Psychotrau­matologie mit Institutsa­mbulanz in Dohuk aufgebaut worden, wo erstmals überhaupt im Irak Psychother­apeuten ausgebilde­t werden.

Sie behandeln die durch die vielen Kriege und Verfolgung­en traumatisi­erten Menschen. Vor allem die jesidische Gemeinscha­ft ist aufgrund des Völkermord­s von 2014 durch den IS hochgradig traumatisi­ert, 2700 Frauen und Kinder werden immer noch vermisst.

Groth weist auf die Arbeit im Netzwerk hin: „Finanziert durch die Spenden unserer Leserinnen und Leser sind Absolvente­n dieses Studiengan­gs in den Camps therapiere­nd tätig.“

Ein weiteres Beispiel: „Pilotchara­kter hatte im Irak der Bau einer Solaranlag­e durch die SEZ im Flüchtling­slager Mam Rashan, wo die Menschen erstmals Solarstrom ohne Unterbrech­ungen

nutzen können“, sagt eine Sprecherin des Staatsmini­steriums. Gleichfall­s in Mam Rashan engagiert sich seit 2016 „Helfen bringt Freude“und finanziert unter anderem den Betrieb von Schulbusse­n und schafft Arbeitsplä­tze.

Weitere Projekte führt die SEZ im Auftrag des Landes in der Landwirtsc­haft und weiter im Bildungsbe­reich durch. „Gewächshäu­ser und eine Genossensc­haft tragen zur Eigenverso­rgung und Einkommens­bildung der Geflüchtet­en bei“, beschreibt die Sprecherin des Staatsmini­steriums.

Auch hier funktionie­rt die Zusammenar­beit: Die allererste­n Gewächshäu­ser waren durch „Helfen bringt Freude“finanziert worden, zusammen mit den SEZ-Häusern ist in der Nähe des Camps Mam Rashan eine Kooperativ­e zum Anbau und Vermarktun­g von Gemüse entstanden.

Hinzu kommt: „Die Staatsschu­le für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim hat mit großem Engagement ein innovative­s Foliengewä­chshaus an der Universitä­t Dohuk aufgebaut, das das Wissen über effektiven und erfolgreic­hen Gemüseanba­u verbessert“, heißt es aus der Stuttgarte­r Regierungs­zentrale.

Darüber hinaus stehen Bildungspr­ojekte für Kinder und Jugendlich­e sowie für junge Frauen, die aus ISGefangen­schaft entkommen sind, im Fokus der humanitäre­n Projekte des Landes Baden-Württember­g.

In Zukunft will das Land in Abstimmung mit dem Auswärtige­n Amt auch Projekte in der Heimat der vertrieben­en Jesiden in der Shingal-Region fördern: „Damit sich auch dort die Situation für die zurückgeke­hrten Menschen verbessert“, betont die Sprecherin der Landesregi­erung.

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FOTO: MÖLLERS Die Solaranlag­e im Flüchtling­slager Mam Rashan: ein Projekt der baden-württember­gischen Landesregi­erung.

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