Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Booster-Impfungen und die Angst vor Omikron
Virologe Drosten empfiehlt vierte Dosis mit neuem Wirkstoff, um Corona-Mutanten einzudämmen – Anzeichen für milde Verläufe in Südafrika
BERLIN - Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sind drei Injektionen „die neue Realität“. Und Biontech-Chef Ugur Sahin bringt bereits eine vierte Impfung ins Spiel. Ein Überblick über die Corona-Lage.
Werden drei Impfungen Standard? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz, und Biontech-Chef Ugur Sahin sind sich einig: Nur wer geboostert ist, wird bald als vollständig geimpft gelten können. Das hat mit der abnehmenden Wirkung der Immunisierung nach einigen Monaten zu tun, aber auch mit der Angst vor der Omikron-Variante. Für Lauterbach ist es „die neue Realität“, dass eine Impfung erst als abgeschlossen gelten könne, wenn man dreimal geimpft wurde. Aktuell gibt es 17,7 Millionen Menschen (21,3 Prozent der Gesamtbevölkerung), die eine Auffrischung erhalten haben. Ugur Sahin hat derweil bereits eine vierte Impfung ins Spiel gebracht. Bei einer Ausbreitung von Omikron wäre es seiner Meinung nach zunächst sinnvoll, „bereits nach drei Monaten einen Booster anzubieten“, sagte er dem „Spiegel“. Bisher gibt es die nach fünf oder sechs Monaten. Die vierte Impfung könne dann ein Omikron-Impfstoff sein. Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité plädiert für einen solchen Impfstoff, räumt aber ein, dass dieser nicht vor April/Mai massenhaft verimpft werden könne. Deshalb solle man sich möglichst sofort boostern lassen.
Gibt es genügend Impfstoff? Damit das Boostern wirklich klappt, will Karl Lauterbach eine Vakzin-Inventur machen. Laut Bundesgesundheitsministerium wurden im November und in der ersten Dezemberwoche zusammen 18,2 Millionen Dosen Biontech geliefert, davon aber lediglich 12,4 Millionen verimpft. Von Moderna wurden gar 20,1 Millionen Dosen geliefert und nur 2,6 Millionen genutzt. Wie es also sein kann, dass Millionen Dosen offenbar irgendwo auf Halde liegen, während es gleichzeitig Beschwerden über Lieferengpässe und lange Schlangen vor Impfzentren gibt, will Lauterbach aufklären. In den vergangenen drei Tagen wurden jeweils mehr als eine Million Impfungen verabreicht, zum allergrößten Teil Booster.
Was macht Omikron?
Wie ansteckend und wie gefährlich Omikron wirklich ist, lässt sich nach der kurzen Zeit, die Entdeckung wurde erst am 24. November in Südafrika bekanntgegeben, noch nicht sagen. Fakt ist, dass Omikron in Südafrika die Infektionszahlen in die Höhe treibt. In der Region um Johannesburg und Pretoria, dem OmikronEpizentrum, seien die Fallzahlen im Wochenvergleich um 400 Prozent gestiegen, teilte am Freitag Gesundheitsminister Joe Phaahla mit. Allerdings scheinen sich laut Nationalem Institut für übertragbare Krankheiten NICD erste Beobachtungen von eher milden Krankheitsverläufen zu bestätigen. Christian Drosten warnt aber davor, daraus voreilige Schlüsse für Deutschland abzuleiten. Und:
Trotz Booster haben sich sieben Deutsche im Alter von 25 bis 39 Jahren in Südafrika mit Omikron angesteckt. Jedoch hatte keiner einen schweren Verlauf. In Deutschland ist Omikron bisher nur eine Drohung: Es gibt laut Robert-Koch-Institut offiziell 28 Fälle. Wie es weitergeht, bleibt Spekulation. Christian Drosten glaubt, dass es auf einen Zustand hinauslaufe, so der Virologe , „wo wir nur noch zum Winter hin auffrischen“und Corona einfach ein Erkältungsvirus sei. Der Ausnahmezustand werde enden – „nächstes, übernächstes Jahr, vielleicht in drei Jahren. Aber dann ist es auch vorbei“.
Bleibt es bei vorgezogenen Weihnachtsferien für einige Schüler?
Ja. In Bundesländern wie BadenWürttemberg,
Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist den Schulkindern freigestellt, ob sie an den Tagen vor Weihnachten den Unterricht besuchen. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz KMK, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), begründete dies am Freitag mit der in einigen Regionen besonders schwierigen Pandemiesituation. Die Erlaubnis, dem Unterricht fernzubleiben, sei „vor diesem Hintergrund eine vergleichsweise milde Maßnahme, um auf die jeweilige Pandemielage zu reagieren“.
Wie passt das zum aktuellen Beschluss der Kultusministerkonferenz, dass Präsenzunterricht höchste Priorität genießen soll?
Es ist ein Kompromiss. Eigentlich war verabredet, dass, anders als im vergangenen Winter, der Unterricht regulär fortgeführt werden soll. „Angesichts der stagnierenden Infektionszahlen“sehe man auch keine Notwendigkeit, an diesem Vorgehen grundsätzlich etwas zu ändern, betonte jetzt Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD). Seine Amtskollegin Ernst wies jedoch darauf hin, dass sich gerade in den besonders von Corona betroffenen Regionen viele besorgte Eltern gemeldet hätten. Ihnen habe man die Möglichkeit geben wollen, ihre Kinder für ein paar zusätzliche Tage zu Hause zu behalten. Die Einschränkungen seien aber „nicht als flächendeckendes Modell für ganz Deutschland gemeint“.
Corona-Impfung für Kinder? Lesermeinung auf www.schwaebische.de/kinderimpfung