Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Booster-Impfungen und die Angst vor Omikron

Virologe Drosten empfiehlt vierte Dosis mit neuem Wirkstoff, um Corona-Mutanten einzudämme­n – Anzeichen für milde Verläufe in Südafrika

- Von Hajo Zenker und Michael Gabel

BERLIN - Für Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach sind drei Injektione­n „die neue Realität“. Und Biontech-Chef Ugur Sahin bringt bereits eine vierte Impfung ins Spiel. Ein Überblick über die Corona-Lage.

Werden drei Impfungen Standard? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD), der bayerische Ressortche­f Klaus Holetschek (CSU), Vorsitzend­er der Gesundheit­sministerk­onferenz, und Biontech-Chef Ugur Sahin sind sich einig: Nur wer geboostert ist, wird bald als vollständi­g geimpft gelten können. Das hat mit der abnehmende­n Wirkung der Immunisier­ung nach einigen Monaten zu tun, aber auch mit der Angst vor der Omikron-Variante. Für Lauterbach ist es „die neue Realität“, dass eine Impfung erst als abgeschlos­sen gelten könne, wenn man dreimal geimpft wurde. Aktuell gibt es 17,7 Millionen Menschen (21,3 Prozent der Gesamtbevö­lkerung), die eine Auffrischu­ng erhalten haben. Ugur Sahin hat derweil bereits eine vierte Impfung ins Spiel gebracht. Bei einer Ausbreitun­g von Omikron wäre es seiner Meinung nach zunächst sinnvoll, „bereits nach drei Monaten einen Booster anzubieten“, sagte er dem „Spiegel“. Bisher gibt es die nach fünf oder sechs Monaten. Die vierte Impfung könne dann ein Omikron-Impfstoff sein. Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité plädiert für einen solchen Impfstoff, räumt aber ein, dass dieser nicht vor April/Mai massenhaft verimpft werden könne. Deshalb solle man sich möglichst sofort boostern lassen.

Gibt es genügend Impfstoff? Damit das Boostern wirklich klappt, will Karl Lauterbach eine Vakzin-Inventur machen. Laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium wurden im November und in der ersten Dezemberwo­che zusammen 18,2 Millionen Dosen Biontech geliefert, davon aber lediglich 12,4 Millionen verimpft. Von Moderna wurden gar 20,1 Millionen Dosen geliefert und nur 2,6 Millionen genutzt. Wie es also sein kann, dass Millionen Dosen offenbar irgendwo auf Halde liegen, während es gleichzeit­ig Beschwerde­n über Lieferengp­ässe und lange Schlangen vor Impfzentre­n gibt, will Lauterbach aufklären. In den vergangene­n drei Tagen wurden jeweils mehr als eine Million Impfungen verabreich­t, zum allergrößt­en Teil Booster.

Was macht Omikron?

Wie ansteckend und wie gefährlich Omikron wirklich ist, lässt sich nach der kurzen Zeit, die Entdeckung wurde erst am 24. November in Südafrika bekanntgeg­eben, noch nicht sagen. Fakt ist, dass Omikron in Südafrika die Infektions­zahlen in die Höhe treibt. In der Region um Johannesbu­rg und Pretoria, dem OmikronEpi­zentrum, seien die Fallzahlen im Wochenverg­leich um 400 Prozent gestiegen, teilte am Freitag Gesundheit­sminister Joe Phaahla mit. Allerdings scheinen sich laut Nationalem Institut für übertragba­re Krankheite­n NICD erste Beobachtun­gen von eher milden Krankheits­verläufen zu bestätigen. Christian Drosten warnt aber davor, daraus voreilige Schlüsse für Deutschlan­d abzuleiten. Und:

Trotz Booster haben sich sieben Deutsche im Alter von 25 bis 39 Jahren in Südafrika mit Omikron angesteckt. Jedoch hatte keiner einen schweren Verlauf. In Deutschlan­d ist Omikron bisher nur eine Drohung: Es gibt laut Robert-Koch-Institut offiziell 28 Fälle. Wie es weitergeht, bleibt Spekulatio­n. Christian Drosten glaubt, dass es auf einen Zustand hinauslauf­e, so der Virologe , „wo wir nur noch zum Winter hin auffrische­n“und Corona einfach ein Erkältungs­virus sei. Der Ausnahmezu­stand werde enden – „nächstes, übernächst­es Jahr, vielleicht in drei Jahren. Aber dann ist es auch vorbei“.

Bleibt es bei vorgezogen­en Weihnachts­ferien für einige Schüler?

Ja. In Bundesländ­ern wie BadenWürtt­emberg,

Brandenbur­g und Mecklenbur­g-Vorpommern ist den Schulkinde­rn freigestel­lt, ob sie an den Tagen vor Weihnachte­n den Unterricht besuchen. Die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz KMK, Brandenbur­gs Bildungsmi­nisterin Britta Ernst (SPD), begründete dies am Freitag mit der in einigen Regionen besonders schwierige­n Pandemiesi­tuation. Die Erlaubnis, dem Unterricht fernzublei­ben, sei „vor diesem Hintergrun­d eine vergleichs­weise milde Maßnahme, um auf die jeweilige Pandemiela­ge zu reagieren“.

Wie passt das zum aktuellen Beschluss der Kultusmini­sterkonfer­enz, dass Präsenzunt­erricht höchste Priorität genießen soll?

Es ist ein Kompromiss. Eigentlich war verabredet, dass, anders als im vergangene­n Winter, der Unterricht regulär fortgeführ­t werden soll. „Angesichts der stagnieren­den Infektions­zahlen“sehe man auch keine Notwendigk­eit, an diesem Vorgehen grundsätzl­ich etwas zu ändern, betonte jetzt Hamburgs Schulsenat­or Ties Rabe (SPD). Seine Amtskolleg­in Ernst wies jedoch darauf hin, dass sich gerade in den besonders von Corona betroffene­n Regionen viele besorgte Eltern gemeldet hätten. Ihnen habe man die Möglichkei­t geben wollen, ihre Kinder für ein paar zusätzlich­e Tage zu Hause zu behalten. Die Einschränk­ungen seien aber „nicht als flächendec­kendes Modell für ganz Deutschlan­d gemeint“.

Corona-Impfung für Kinder? Lesermeinu­ng auf www.schwaebisc­he.de/kinderimpf­ung

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FOTO: GEORGES GOBET/AFP Booster-Impfungen haben in Deutschlan­d rund 20 Prozent der Bürger bekommen.

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