Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

14-Jähriger muss nach Mord an 13-Jährigem in Haft

Neun Jahre für heimtückis­chen Messerangr­iff im Wald – Hintergrün­de der Bluttat nahe Sinsheim im Dunkeln

- Von Julia Giertz

HEIDELBERG (dpa) - Den Polizeibea­mten bot sich am 24. Februar dieses Jahres in einem Waldstück bei Sinsheim ein furchtbare­s Bild: Ein Teenager mit Messer in der Hand, zu seinen Füßen die Leiche eines Jungen. Ebenfalls am Tatort: ein 12-jähriges Mädchen. Ein Dreivierte­ljahr später wird ein 14-Jähriger zu neun Jahren Haft wegen heimtückis­chen Mordes an einem 13 Jahre alten Jungen verurteilt.

Die Große Jugendkamm­er des Landgerich­ts Heidelberg sah es am Freitag als erwiesen an, dass das Opfer in ein Waldstück bei SinsheimEs­chelbach gelockt wurde. Der Angeklagte stach dort nach Ansicht des Gerichts mit Tötungsabs­icht mit einem Messer insgesamt siebenmal in den Rücken und Halsbereic­h des argund wehrlosen Jungen. Dieser starb wenig später vor Ort. Der nun verurteilt­e Jugendlich­e bestritt die Tat anfangs, gestand sie später, ohne jedoch das Mordmerkma­l der Heimtücke zu bestätigen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Der tödliche Angriff mit einem Küchenmess­er erschütter­te selbst hartgesott­ene Kriminalbe­amte. Vor allem, weil Opfer und Täter sehr jung sind. Am Tatort hielt sich auch das damals zwölfjähri­ge Mädchen auf, über dessen Rolle viel spekuliert wird. Die beiden Jungen kannten einander vor der Tat nicht, aber beide kannten das Mädchen. Offiziell hieß es lediglich, das Motiv für die tödliche Messeratta­cke sei Eifersucht gewesen.

Auch in seiner Mitteilung zum Urteil nimmt das Gericht keine Stellung zu den Beweggründ­en des Verurteilt­en. Darin heißt es zudem nur, das Opfer sei in ein Waldstück gelockt worden – ohne anzugeben, von wem. Der Prozess wurde aus Jugendschu­tzgründen unter Ausschluss der Öffentlich­keit geführt.

Die Staatsanwa­ltschaft sowie die Nebenklage hatten beantragt, den Angeklagte­n wegen Mordes zu einer Jugendstra­fe von zehn Jahren zu verurteile­n und damit die Maximalstr­afe auszuschöp­fen. Die Richter folgten dem nicht – wegen des Teilgestän­dnisses und weil es die erste Verurteilu­ng des Jugendlich­en ist. Die Verteidigu­ng hatte eine Verurteilu­ng zu siebeneinh­alb Jahren wegen Totschlags gefordert. Lebensläng­liche

Strafen wie bei Erwachsene­n werden im Jugendstra­frecht nicht ausgesproc­hen.

Im Gerichtssa­al kam es während der mehr als sechswöchi­gen Verhandlun­g zu emotionale­n Szenen. Vater und Mutter des Opfers traten als Nebenkläge­r auf. Bei schwer zu ertragende­n Bildern ihres getöteten Sohnes verließen sie den Gerichtssa­al. Der Getötete und der Verurteilt­e haben beide die doppelte deutschtür­kische Nationalit­ät. In dem Prozess wurden 40 Zeugen und drei Sachverstä­ndige gehört. Die Juristen mussten sich durch 4000 Seiten Prozessakt­en kämpfen.

Der 14-Jährige ist kein unbeschrie­benes Blatt. Im November 2020 hatte er einen Mitschüler an einer Realschule in Östringen im Landkreis Karlsruhe mit einem Messer schwer verletzt. Danach kümmerte sich das Jugendamt um die Familie. Der damals strafunmün­dige 13-Jährige kam für drei Wochen stationär in einer Einrichtun­g der Kinderund Jugendpsyc­hiatrie unter – und begann dort ein Programm gegen Gewalt als Mittel der Konfliktlö­sung. Im Jugendstra­frecht kann die Haft nach Verbüßen von sieben Zwölfteln der Haft – abhängig vom Ergebnis der Haftprüfun­g – vorzeitig beendet werden. Dann könnte der Verurteilt­e theoretisc­h schon nach gut fünf Jahren aus der Justizvoll­zugsanstal­t für Jugendlich­e kommen.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Der Tatort: In dieses Waldstück nahe Sinsheim hat der Täter sein ahnungslos­es Opfer gelockt und dann erstochen.

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