Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Sind Sie internetsüchtig? Mithilfe der Uni Ulm finden Sie es heraus
Ulmer Forscher starten eine bundesweite anonymisierte Studie – Die Teilnehmer bekommen Hilfe, wenn sie gefährdet sind
ULM (sz) - Suchmaschinen, Social Media und Online-Games sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch wann wird die ganz normale Internetnutzung zur Sucht, die Leistungsfähigkeit und Produktivität beeinträchtigt?
Dieser Frage gehen Forschende aus Ulm und Lübeck nun in einer groß angelegten Studie („ScavisStudie“) nach. Die Erhebung, bei der eine App das Nutzerverhalten anonym aufzeichnet, startet in ausgewählten Betrieben.
Darüber hinaus können alle Interessierten eine eigens entwickelte App herunterladen (smart@netApp) und kostenfrei teilnehmen. Probandinnen und Probanden, bei denen Hinweise auf eine problematische Internetnutzung gefunden werden, erhalten Informationen und Unterstützungsangebote bis hin zur Online-Therapie.
Besonders in Zeiten der CoronaPandemie sei das Internet für viele Nutzerinnen und Nutzer unverzichtbar. Sie benötigen das World Wide Web, um sich im Homeoffice zu informieren, Kontakte zu halten oder um Ablenkung vom Alltag zu finden – oftmals durch Social MediaAngebote oder Computerspiele.
Doch wann wird die Online-Nutzung bei der Arbeit oder während der Freizeit zur Internetsucht? Diese Fragestellung werden Forschende um Professor Hans-Jürgen Rumpf (Lübeck) und Professor Christian Montag (Ulm) in verschiedenen Betrieben untersuchen. Weiterhin gehören Betriebskrankenkassen, Therapiezentren
und Gesundheitsdienstleister dem Konsortium an.
Ziele der Scavis-Studie (Stepped Care Ansatz zur Versorgung Internetbezogener Störungen) reichen von der Erhebung spezifischer Internetsucht-Variablen bis hin zu Handlungsempfehlungen, die Betroffenen eine ausgewogene Internetnutzung ermöglichen.
Insbesondere wollen die Forschenden ein umfassendes Interventionsangebot untersuchen und Studienteilnehmenden ein weitreichendes Konzept anbieten.
Denn die Ablenkungsmöglichkeiten im Netz seien immens und können die gesamte Tagesplanung durcheinander bringen „Die Technologie-Konzerne hinter Social Media und Co. haben großes Interesse daran, unsere Verweilzeiten auf ihren Online-Plattformen zu verlängern. Ihre geschickten Strategien wie Push-Nachrichten oder LikeButtons bringen viele von uns dazu, unsere Handlungen im Alltag zu unterbrechen, um nur mal kurz online vorbeizuschauen. Diese dauernden Unterbrechungen im Alltag können unsere Leistungsfähigkeit und Produktivität reduzieren“, erläutert Professor Christian Montag, Leiter der Abteilung für Molekulare Psychologie der Universität Ulm.
Um die Online-Aktivitäten der Studienteilnehmenden anonym zu erfassen und auszuwerten, haben die Forschenden die smart@netApp entwickelt. Sollte die Internetnutzung von der App als problematisch eingestuft werden, erhält die Probandin oder der Proband über vier Wochen individuelle Rückmeldungen und Informationen.
„Dadurch werden psychologische Prozesse angestoßen, die eine Verhaltensänderung ermöglichen können“, erklärt der wissenschaftliche Studienleiter Professor HansJürgen Rumpf von der Universität zu
Lübeck. Weiterhin können Betroffene eine kostenlose telefonische Beratung oder Online-Therapie der Universität Mainz und der Freien Universität Berlin in Anspruch nehmen.
Doch auch unauffällige Studienteilnehmende profitieren: Sie erhalten Empfehlungen, die ihnen helfen, das eigene Online-Verhalten zu reflektieren und auch in Zukunft zu kontrollieren.
Die smart@net App ist auf Androidund Apple-Geräte verfügbar und kann kostenlos im App Store oder im Play Store runtergeladen werden. Die Teilnahme ist ab sofort bis Ende Mai 2022 möglich.