Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das Textilbünd­nis bröckelt

Allianz soll bessere Arbeitsbed­ingungen in Zulieferfa­briken forcieren – Doch immer mehr Mitglieder treten aus

- Von Hannes Koch

BERLIN - Im Textilbünd­nis, das die Arbeitsbed­ingungen in ausländisc­hen Bekleidung­sfabriken verbessern soll, ruckelt es. Einige Firmen, darunter der baden-württember­gische Textilprod­uzent Trigema, sind ausgetrete­n. In der vergangene­n Woche gaben außerdem zwei kirchliche Entwicklun­gsorganisa­tionen bekannt, dass sie nicht mehr mitmachen wollen. „Nach sieben Jahren hat ein Weiter-so keinen Sinn“, sagte Sandra Dusch Silva von der Christlich­en Initiative Romero (CIR) in Münster. Die Frage, die im Raum steht, lautet: Hat das Textilbünd­nis überhaupt eine Zukunft?

Der freiwillig­e Zusammensc­hluss aus Politik, Entwicklun­gsorganisa­tionen, Gewerkscha­ften und Unternehme­n wurde 2014 auf Initiative des damaligen Entwicklun­gsminister­s Gerd Müller (CSU) gegründet – als Reaktion auf katastroph­ale Unfälle in Textilfabr­iken Asiens mit Tausenden Toten und Verletzten. Die derzeit rund 130 Mitglieder, darunter große Firmen wie Adidas, Aldi, H&M und KiK, vereinbart­en beispielsw­eise, für mehr Arbeitssic­herheit in Fabriken, höhere Löhne und das Verbot gefährlich­er Chemikalie­n zu sorgen.

Für Dusch Silva haben sich die Hoffnungen jedoch nicht erfüllt: „Es gibt viel zu wenige konkrete Fortschrit­te.“Neben CIR tritt auch das Amt für Mission und Ökumene der Evangelisc­hen Kirche von Westfalen aus dem Bündnis aus. Besonders in der Lohnfrage bewege sich quasi nichts, bemängeln die Organisati­onen. Die hiesigen Firmen würden kaum etwas dafür tun, dass die Beschäftig­ten der Zulieferfa­briken existenzsi­chernde Löhne erhielten, die einen akzeptable­n Lebensstan­dard ermöglicht­en. Die Kritik teilt Gisela Burckhardt von der Organisati­on Femnet in Bonn: „Die Bilanz nach sieben Jahren ist mager.“

Unmut herrscht auch bei manchen Firmen. Wolfgang Grupp Junior vom Unternehme­n Trigema hält den bürokratis­chen Aufwand bei den Fortschrit­tsberichte­n, die das Bündnis verlangt, für zu hoch. Das sei der Grund für den Abschied gewesen, so Grupp, Sohn des Firmenchef­s. Die Standards halte man aber trotzdem ein. Bis zum Jahresende würden auch alle Trigema-Produkte mit dem staatliche­n Siegel „Grüner Knopf“zertifizie­rt, erklärte Grupp.

Unter anderem wegen der Fortschrit­tsberichte seien „26 Unternehme­n aus dem Textilbünd­nis ausgetrete­n, was wir ausdrückli­ch bedauern“, teilte der Verband Textil und Mode mit. Darunter sind Edeka und Humana. 70 Firmen beteiligen sich augenblick­lich. Nach Angaben des Entwicklun­gsminister­iums „machen sie gut 45 Prozent des deutschen Textil-Einzelhand­els aus“.

Ist die Veranstalt­ung insgesamt noch sinnvoll? Seit 2014 hat sich das Umfeld verändert. Mittlerwei­le gibt es den Grünen Knopf mit vergleichb­aren Standards. Vorteil für die Firmen: Dieses Label können sie in den Geschäften an die Kleidungst­ücke heften, die Kundinnen und Kunden sehen es. Das ist beim Textilbünd­nis nicht der Fall. Außerdem hat der Bundestag das Lieferkett­engesetz verabschie­det, das für alle Branchen einschließ­lich des Textilsekt­ors, ökologisch­e und soziale Mindeststa­ndards vorschreib­t. Und in den nächsten Jahren wird wohl eine europäisch­e Ausführung folgen.

Femnet-Chefin Burckhardt will trotzdem am Bündnis festhalten. Sie stellt dafür aber Forderunge­n - wie auch die Organisati­on Inkota. Im Wesentlich­en geht es darum, dass das Textilbünd­nis mehr konkrete Vorteile für die Beschäftig­ten erbringen solle, und die Firmen zu Fortschrit­ten verpflicht­et werden müssten. Burckhardt betrachtet die Kooperatio­n als Möglichkei­t, gemeinsam über den Mindeststa­ndard des Lieferkett­engesetzes hinauszuge­hen. „Sichtbare Verbesseru­ngen“seien nötig, „insbesonde­re in den Risikofeld­ern Existenzsi­chernde Löhne, Behinderun­g von Gewerkscha­ftsfreihei­t, geschlecht­sspezifisc­he Gewalt, Korruption, Einsatz nicht nachhaltig­er Rohstoffe und gefährlich­er Chemikalie­n“, sagte Burckhardt.

Der Verband Textil und Mode erklärte, „das Textilbünd­nis macht Sinn, wenn es sich stärker auf die Bündnisini­tiativen fokussiert“. Das

Gisela Burckhardt, Vorstandsc­hefin der Organisati­on Femnet in Bonn sind freiwillig­e Vorhaben, an denen sich Unternehme­n beteiligen können, aber nicht müssen. Als positives Beispiel nannte der Verband eine Initiative im südindisch­en Bundesstaa­t Tamil Nadu, wo Arbeiterin­nen in Spinnereie­n und Nähereien darin unterstütz­t werden, ihre Rechte durchzuset­zen.

Außerdem solle das Textilbünd­nis den Firmen helfen, das Lieferkett­engesetz umzusetzen. Unter anderem darauf konzentrie­re man sich bereits, sagte Jürgen Janssen, der Leiter des Bündnis-Sekretaria­ts.

Ob dieser Ansatz reicht, die Entwicklun­gsorganisa­tionen und meisten Firmen bei der Stange zu halten, muss sich zeigen. Dabei wird es auch auf die Haltung der neuen Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze von der SPD ankommen.

„Die Bilanz nach sieben Jahren ist mager.“

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FOTO: TIM BRAKEMEIER/DPA Mitarbeite­r einer Textilfabr­ik in Bangladesc­h: Das Textilbünd­nis will die Arbeitsbed­ingungen in ausländisc­hen Bekleidung­sfabriken verbessern.

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