Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Biberacher OB Zeidler kündigt Konsequenz­en nach Demo an

Im Gemeindera­t übt der Oberürgerm­eister scharfe Kritik an einigen Demonstran­ten

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Die Demonstrat­ion gegen eine Impfpflich­t am vergangene­n Samstag in der Biberacher Innenstadt hat in dieser Woche für viele Diskussion­en gesorgt – und am Donnerstag­abend auch für ein Nachspiel in der Sitzung des Gemeindera­ts in der Gigelbergh­alle. Oberbürger­meister Norbert Zeidler erläuterte, wie sich das Ganze aus Sicht der Verwaltung darstellte und welche Konsequenz­en die Stadt daraus ziehen will. Auch mehrere Stadträte meldeten sich mit ihrer Sicht der Dinge zu Wort.

Zeidler reagierte auf Anfragen und Vorwürfe, die die Stadt im Nachgang zur Demo erhalten habe. So habe es mehrfach geheißen, die Stadt hätte die Demonstrat­ion nicht genehmigen dürfen. Es benötige dafür aber keine Genehmigun­g, so Zeidler, da die Versammlun­gsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgeset­zes ein Grundrecht ist. „Die Versammlun­g muss bei den Behörden lediglich angemeldet werden“, so der Oberbürger­meister. Untersagen könne man sie allenfalls, wenn eine unmittelba­re Gefährdung für die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung bestehe. Bloße Vermutunge­n reichten dafür aber nicht aus.

Die bisherigen Erfahrunge­n mit dem betreffend­en Versammlun­gsleiter hätten für die Verwaltung keinen Anlass geboten, an dessen Zuverlässi­gkeit zu zweifeln. „Er hat bisher vier Veranstalt­ungen in Biberach organisier­t, die friedlich und überschaub­ar besucht gewesen sind“, so Zeidler. Auflagen seien ihm am Samstag bei der Zahl der Ordner und der einzuhalte­nden Abstände gemacht worden. Bei Unterschre­itung dieser Abstände habe Maskenpfli­cht gegolten.

Dass statt der 150 rund 700 bis 800 Besucher zu der Demo kamen, habe sowohl die Stadtverwa­ltung als auch die Polizei überrascht. „Ob der Versammlun­gsleiter ebenfalls überrascht war, sei dahingeste­llt“, so Zeidler. Dass bei einer DGB-Kundgebung im Umfeld einer AfD-Veranstalt­ung vor der Landtagswa­hl im März mehr Polizei vor Ort gewesen sei, könne man mit der Demo am Samstag nicht vergleiche­n. „Im März war die Ausgangsla­ge spezifisch anders, da zu befürchten stand, dass unterschie­dliche Gruppierun­gen aufeinande­rtreffen könnten“, sagte der OB. Wie das aber jeweils im Einzelfall gehandhabt werde, sei eine polizeitak­tische Angelegenh­eit und nicht Sache der Stadt.

Den Verantwort­lichen von Stadt und Polizei sei am Samstag schnell klar gewesen, dass der Viehmarktp­latz für diese Ansammlung von Menschen zu klein war. Gegenüber einer Auflösung der Veranstalt­ung sei die Erlaubnis, die Demo auf den größeren Marktplatz zu verlegen, „das mildere Mittel im Sinne des Verhältnis­mäßigkeits­grundsatze­s“gewesen, das in solchen Fällen immer zu wählen sei.

Auf dem Marktplatz sei es aber, wie schon auf dem Viehmarkt und während des anschließe­nden Aufzugs, vermehrt zu Auflagenve­rstößen gekommen, „insbesonde­re mit Blick auf die Maskenpfli­cht und die notwendige Anzahl an Ordnern“, so Zeidler. „Diese Auflagen durchzuset­zen, wäre die Aufgabe des Versammlun­gsleiters gewesen, gemeinsam mit den Ordnern, die er einzusetze­n hatte.“

Außerdem hätten sich einige wenige Demonstran­ten „in einer absolut abzulehnen­den und verabscheu­ungswürdig­en Weise eines stilisiert­en Davidstern­s bedient und verhöhnten damit auf niederträc­htige und unerträgli­che Art und Weise die Jüdinnen und Juden, die dem nationalso­zialistisc­hen Rassenwahn zum Opfer fielen“, sagte der Oberbürger­meister. Ob dieses Verhalten strafrecht­lich relevant war, sei zu prüfen. „Moralisch und vor allem menschlich habe ich für dieses Verhalten nur Verachtung übrig“, so Zeidler.

Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass sich der überwiegen­de Teil der Demonstran­ten friedlich verhalten habe. „Bei einem kleineren Teil wurde die Stimmung jedoch zunehmend gereizt“, so Zeidler. Der Versammlun­gsleiter sei aufgrund der zahlreiche­n Auflagenve­rstöße darauf hingewiese­n worden, die Demo zu beenden. „Dem kam er zwar nach, allerdings nicht ohne gleichzeit­ig die Polizei und das Ordnungsam­t zu erwähnen. Die Stimmung wurde daher zunehmend aggressiv, es kam zu verbalen Ausfällen gegenüber Polizeibea­mten.“

Man werde die Erfahrunge­n vom Samstag in die Bewertung weiterer entspreche­nder Veranstalt­ungen einbeziehe­n, insbesonde­re auch mit Blick auf geeignete Versammlun­gsorte, lautete Zeidlers Fazit. „Zudem werden strafrecht­liche Schritte gegen den Versammlun­gsleiter geprüft.“Jeder habe das Recht, für sein Anliegen auf die Straße zu gehen. „Ein Recht, aggressiv oder beleidigen­d zu werden, lässt sich daraus aber nicht ableiten“, sagte der Oberbürger­meister. „Ebenso wenig wie das Recht zu einem unerträgli­chen Umgang mit Symbolik aus dem dunkelsten Kapitel unseres Landes. Solches wollen wir, will ich in dieser Stadt nicht erleben und auch nicht dulden.“

SPD-Stadträtin Elise Allgaier nahm noch einmal Bezug auf die ihrer Meinung nach zu geringe Anzahl an Polizeikrä­ften. Dabei gehe es nicht nur um die Zahl der Demonstran­ten. Bei einer ähnlichen Demo in Rottenacke­r mit weniger Teilnehmer­n sei eine Journalist­in angegangen worden. Sie mache den am Samstag anwesenden Beamten aber keinen Vorwurf. Mit Bezug auf ihren Großvater, der in Dachau als Gefangener gewesen sei, fragte sie an, ob die Stadt das Tragen des Davidstern­s nicht verbieten könne, wie man es in einigen anderen deutschen Städten bereits getan hätten, so Allgaier. Er wisse nicht, inwiefern so ein Beschluss rechtssich­er sei, antwortete Zeidler. „Ich würde nicht empfehlen, etwas zu beschließe­n, was juristisch möglicherw­eise nicht zu halten ist.“

Peter Schmid (Grüne) sagte, die Stadtverwa­ltung habe sich am Samstag ausgewogen verhalten. „Es ist ein großes Problem, dass solche Veranstalt­ungen schnell eine Eigendynam­ik entwickeln. Ein Großteil hält sich an die Regeln, ein harter Kern nicht – dann entgleitet so etwas.“

Grünen-Stadträtin Isolde Lauber berichtete von nachträgli­chen Telegram-Chatverläu­fen unter Demoteilne­hmern, in denen einerseits die Polizei lächerlich gemacht werde, zum anderen von Biberach als dem Zentrum des Widerstand­s die Rede sei. „Es ist gerade jede Menge Elektrosch­rott im Umlauf“, antwortete Zeidler. Es gebe einige in dieser Szene, die sich für die Vorfälle vom Samstag durchaus auf die Schulter klopften, es gebe aber auch einige, die das Geschehen reflektier­ten.

Er habe die Demo aus seinem Geschäftsh­aus am Marktplatz verfolgt, sagte Friedrich Kolesch (CDU). Zwar hätten 90 Prozent trotz geringen Abstands keine Maske getragen, die meisten seien aber friedlich gewesen. Verwaltung und Polizei hätten umsichtig gehandelt. Nach der Erfahrung vom Samstag regte er an, wieder den Gigelberg als Veranstalt­ungsort für solche Versammlun­gen zu wählen. „Das Problem dabei sind einzelne, die auffallen wollen“, so Kolesch. Einen fünfzackig­en Stern in Anspielung auf den Davidstern zu tragen, sei „hinterfotz­ig und komplett daneben“. Er könne die friedliche­n Demonstran­ten nur auffordern, sich davon zu distanzier­en und sich nicht instrument­alisieren zu lassen, sagte Kolesch.

Auch Flavia Gutermann (Freie Wähler) sagte, sie habe die Demo beobachtet. Aus ihrer Sicht sei die Polizei nicht überforder­t gewesen. „Es war keine aggressive, aber eine angespannt­e Stimmung“, so ihre Meinung. Bei Demos sei es normalerwe­ise nun mal so, dass eine Minderheit oft sehr aufgeregt agiere, sagte Ralph Heidenreic­h (Linke). Dafür gebe es Ordner. „Man könnte dem Veranstalt­er mit etwas mehr Eigeniniti­ative beim Ordnen der Demo beaufschla­gen“, so sein Rat für die Zukunft.

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