Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Strenger Nagelsmann greift in den Spirituosen-Schrank
Bayern-Trainer feiert dank eigener Strenge seinen 100. Bundesliga-Sieg – München ist praktisch Herbstmeister
MÜNCHEN (SID) - Glühwein oder Schnaps? „Zu Hause habe ich beides im Kühlschrank“, sagte Julian Nagelsmann und lachte, „da gucke ich mal, für was ich mich entscheide.“Schließlich hatte der Trainer von Bayern München gleich mehrfach Grund zu feiern: Seinen 100. Sieg als mit Abstand jüngster BundesligaCoach der Geschichte, die praktisch erreichte Herbstmeisterschaft – und die Nachricht, dass sich Joshua Kimmich nun doch impfen lässt (siehe Artikel links; d. Red.). „Er kommt stark zurück, da könnt ihr euch drauf verlassen. Es wird alles gut“, sagte Nagelsmann.
Sportlich ist es das sowieso, auch ohne Führungsspieler Kimmich. „Wir sind jetzt sechs Punkte vorne, das heißt viel Gutes“, sagte Nagelsmann nach dem engen 2:1 (0:1) gegen den mutigen FSV Mainz 05 noch vor dem Griff in den SpirituosenSchrank zufrieden.
Zumal die Bayern vor dem Jahresausklang in Stuttgart und gegen Wolfsburg auch 18 Tore Vorsprung auf den strauchelnden Rivalen Borussia Dortmund haben. „Die Herbstmeisterschaft“, sagte Thomas Müller, „ist für uns Spieler ein gutes Gefühl, dass wir in der Hinserie mehr richtig als falsch gemacht haben.“Und sie ist ein Fingerzeig. In 39 von 58 Fällen reichte es zum Titel. Nagelsmann verlor die Schale nach der Halbzeit-Meisterschaft mit Leipzig 2020 noch an die Münchner, SkyExperte Lothar Matthäus aber ist sicher, „dass die Bayern sich das nicht mehr nehmen lassen. Das ist eine Menge Holz.“
So konnten sie sich beim Rekordmeister gemütlich auf das nächste Highlight einstimmen: Am Montag (12 Uhr) wird in Nyon das Achtelfinale der Champions League ausgelost. Dem letzten deutschen Vertreter droht ein Kracher-Los wie Titelverteidiger FC Chelsea, Paris St. Germain oder Atlético Madrid.
Dann wird sich Nagelsmanns Mannschaft deutlich steigern müssen. „Sehr träge“sei seine Elf in der ersten Halbzeit gegen Mainz aufgetreten, kritisierte er. „Eklige“05er (Müller) hätten nach dem Foul des abermals schwachen Dayot Upamecano an Jae-Sung Lee (19.) einen Elfmeter bekommen müssen und führten durch Karim Onisiwo (22.) verdient. In der Pause „war ich strenger als sonst“, erzählte Nagelsmann von „energischeren Worten“. Er habe seine Stars gefragt, „ob wir wirklich gewinnen wollen“. Der Anpfiff, gestand Kapitän Manuel Neuer, war „vollkommen richtig“– und zeigte Wirkung. Der formstarke Kingsley Coman (53.) und Jamal Musiala (74.) drehten die Partie.
„Ich habe nicht viel nachgedacht, einen kurzen Trick gemacht und einfach abgezogen“, sagte Matchwinner Musiala über seinen gezielten Schuss ins Glück.
Der Sieg, gestand Nagelsmann, „war mühsam“. Müller sah „eine Spur Lethargie“und meinte: „Diese Spiele hat man immer mal, das ist menschlich.“
Doch auf die Standpauke folgte eine „sehr gute Reaktion“, wie Nagelsmann versöhnlich feststellte, in der zweiten Halbzeit „waren wir richtig scharf und haben Powerfußball gespielt“. In Stuttgart lautet das Ziel für Nagelsmann also weiterhin, „die Leistung zu bestätigen“– also die nach dem Halbzeit-Grollen für die Halbzeit-Meisterschaft.