Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die Bundesliga sollte sich vom FC Bayern verabschieden
Als sich die Fußballentscheider vor einigen Monaten anschickten, eine Super League zu gründen und die Kommerzialisierung auf die Spitze zu treiben, liefen alle Fußballkultur-Verfechter Sturm. Die besten Teams der europäischen Ligen kapseln sich ab, spielen jährlich ihr Elitenturnier, greifen die Riesenfernsehgelder der
Welt ab und lassen die nationalen Serien verkümmern? Undenkbar. Doch schon damals brach sich beim Schreiber dieser Zeilen der Gedanke Bahn, der laut auszusprechen nicht gerade populär ist: Wäre das denn wirklich so schlecht? Um das vorweg zu schicken, ich halte es nicht unbedingt mit dem FC Bayern München, bin ebenfalls Verfechter des traditionellen Sports und gerade deshalb sage ich: Liebe Bundesliga, um den Fußball hierzulande zu retten, muss der FC Bayern (und vielleicht auch Borussia Dortmund) weichen. Nur wenn sich der Rekordmeister mit seinesgleichen permanent auf euopäischer Ebene duelliert, kann die Liga wieder spannend werden und aufblühen. Wenn wir es einmal abseits aller Emotionalität betrachten, ist die Bundesliga nicht nur bereits zu diesem frühen Punkt der Saison, sondern auch auf Jahre hinaus entschieden. Selbst in Phasen bajuwarischer Schwäche (die es im vergangenen Jahrzehnt nur sehr selten gab) schafft es kein Team, auch nur annähernd an der Dominanz zu kratzen. Und liegt das nicht ausschließlich am Unvermögen der Konkurrenz. Eher sind die Voraussetzungen in Stein gemeißelt, auch wenn die Titelfolge eventuell einmal im Jahrzehnt durchbrochen werden sollte. Warum schauen Menschen überhaupt Fußball? Weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Die Topteams aus Paris, Manchester, Liverpool, Turin oder Madrid sind ihren Ligakonkurrenten finanziell in den vergangenen beiden Jahrzehnten meilenweit enteilt. Da das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht werden kann, dem FC Bayern nicht etwa finanzielle Mittel gestrichen oder Spieler zum Ausgleich delegiert werden können, muss der Stern des Südens gehen. Nur dann kann sich clevere Kaderplanung lohnen und wird ein deutscher Meister auch wieder aus Frankfurt, Mönchengladbach oder auch Stuttgart kommen. Wer also den Reiz der Vergangenheit möchte und den Fußball neu auferstehen sehen möchte, der kann, so hart es klingen mag, nur ein Befürworter einer Super League sein.
Das war’s dann also schon wieder. Es ist noch nicht einmal Weihnachten, da ist die Meisterschaft bereits entschieden. Glückwunsch an den FC Bayern! Auch wenn noch
19 Spiele ausstehen, glaubt wohl selbst der größte Optimist nicht mehr daran, dass die Münchner sich den 10. Titel in Folge noch nehmen lassen – nicht einmal der ärgste Verfolger, dem jegliche Zuversicht fehlt, doch noch einmal zum Dauermeister aufzuschließen: „Das ist ein großer Vorsprung, das wird sehr hart werden“, sagte ein konsternierter Gregor Kobel, nachdem sich sein BVB beim 1:1 in Bochum den nächsten Patzer erlaubt hatte und nun schon sechs Punkte hinter den Bayern liegt. Ganz klar, diese seit Jahren nicht im Ansatz gefährdete bajuwarische Dominanz tut der Bundesliga nicht gut. Das Interesse nimmt von Jahr zu Jahr ab, da können sich die Social-Media-Teams der Liga und Clubs noch so sehr ins Zeug legen und die Spannung im Kampf um die Conference League oder gegen den Abstieg betonen. Ohne ein richtiges Duell um die Meisterschale fehlt der Liga der Reiz.
Doch was ist die Lösung? Ganz sicher nicht, die Bayern (und im schlimmsten Fall auch noch Borussia Dortmund) in eine europäische Super League auszugliedern. Dann wäre die Bundesliga endgültig gestorben. Vielleicht
gäbe es dann zwar wieder spannende Meisterschaften, aber ohne das Zugpferd FC Bayern interessiert das dann nur noch hartgesottene Fußballromantiker. Denn wer möchte wirklich Spiele wie Leverkusen gegen Hoffenheim oder Fürth gegen Bielefeld sehen? So gut wie niemand. Und es werden noch weniger, wenn man in die Zukunft schaut. Die nachrückende Generation an Fußballfans begeistert sich schon heute nicht mehr für einen Herzensverein, sondern schwärmt für einzelne Stars: Ronaldo, Messi, Mbappé, aber auch Lewandowski und Haaland. Diese haben Millionen Follower in den sozialen Medien – werden sicher aber nie mehr den Weg in die Bundesliga finden, wenn die beiden größten Clubs dort nicht mehr vertreten sind.
Da es wohl keine Lösung für die Langeweile im Titelkampf gibt, stellt sich nur die Frage nach dem kleineren Übel: Wollen wir eine Bundesliga, die schon vor dem Saisonstart entschieden ist? Oder aber eine, die kaum noch jemanden interessiert. Beides ist nicht schön – doch beim Status quo bleibt zumindest kurz die Illusion, dass in der kommenden Saison alles anders werden kann – zumindest bis zum nächsten Weihnachten.
„Bayern muss gehen, um die Liga zu retten.“Von Felix Alex
„Die Liga braucht die Bayern zum Überleben.“Von Martin Deck