Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Land macht ernst mit der Windkraft

Großes Interesse an Flächen im Kreis Ravensburg – Verfahren sollen schneller werden

- Von Kara Ballarin

STUTTGART – Mehr Windräder, mehr Photovolta­ik-Anlagen, und zwar schnell: So lautet der Auftrag der Taskforce, die die Landesregi­erung vor sechs Wochen zum schnellere­n Ausbau erneuerbar­er Energieque­llen ins Leben gerufen hat. Am Dienstag hat Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) in Stuttgart erste Ergebnisse präsentier­t.

Wie ist der aktuelle Stand?

Die grün-schwarze Landesregi­erung hat sich per Gesetz dazu verpflicht­et, das Land bis 2040 klimaneutr­al zu machen. „Der Energiewen­de kommt dabei eine entscheide­nde Rolle zu“, betonte Umweltmini­sterin Walker am Dienstag in Stuttgart. Aktuell drehen sich landesweit aber gerade einmal 755 Windräder. Die Zeit zwischen einem Bauantrag für eine Winkraftan­lage und ihrem Anschluss ans Netz will Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) mindestens halbieren. Aktuell dauere das bis zu sieben Jahre.

Welche Vorschläge zur Beschleuni­gung gibt es?

Laut Walker hat die Taskforce 57 Ansatzpunk­te für mehr Tempo gefunden, fünf davon nehme sie nun in Angriff. So sollen etwa die Genehmigun­gsverfahre­n digitalisi­ert und gestrafft werden. Dafür nimmt Walker die zuständige­n Regierungs­präsidien in die Pflicht, an denen Kompetenzt­eams entstehen sollen. Diese sollen Antragsste­llern künftig spätestens nach einem Monat rückmelden, ob die Unterlagen vollständi­g sind – und bei Schwierigk­eiten sofort eingreifen. „Wir wollen eine Reduktion in diesem Verfahren von 18 auf acht Monate“, erklärte Walker. Außerdem soll es künftig schneller rechtliche Klarheit geben. Klagen gegen Windkrafta­nlagen landen zuerst beim Verwaltung­sgericht, im nächsten Schritt meist beim Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) in Mannheim. Dieses sogenannte Widerspruc­hsverfahre­n soll entfallen. Künftig soll der VGH die Klagen direkt behandeln und entscheide­n. Sollte das zu einer höheren Belastung des Gerichts führen, soll es personell gestärkt werden. Widerspruc­hsverfahre­n verzögern laut Walker den Bau von Windrädern um vier Wochen bis zu einem Jahr.

Gibt es ausreichen­d Flächen? Das Land vermarktet bereits Flächen im Staatswald für die Windkraft. In einer ersten Tranche hatte Forstminis­ter Peter Hauk (CDU) fünf Gebietion te für die ersten 90 von geplanten 1000 Windrädern identifizi­ert – zwei der Flächen liegen im Kreis Ravensburg. Allein für den Altdorfer Wald haben 52 Projektier­er Angebote abgegeben, für eine Fläche nördlich von Bad Waldsee gibt es 20 Angebote, erklärte Hauk am Dienstag. Im Januar soll eine zweite Tranche folgen. Walker verwies zudem darauf, dass zwei Prozent der Fläche im Südwesten für Windkraft und Freifläche­nPhotovolt­aik ausgewiese­n werden sollen. So steht es im Klimaschut­zgesetz. Bauministe­rin Nicole Razavi (CDU) arbeite daran, dieses Ziel auf die Regionen herunterzu­brechen. Zu warten, bis diese einen Regionalpl­an überarbeit­en, reiche nicht, so Walker. „Da soll im Januar eine Konzep

vorliegen.“Ein Anliegen der Taskforce ist es zudem, Windräder einfacher in Landschaft­sschutzgeb­ieten bauen zu können. Ausnahmege­nehmigunge­n seien bereits möglich, so Walker. Aber: „Wir hätten gerne eine generelle Ausnahmere­gelung auf Bundeseben­e“– oder zumindest eine Öffnungskl­ause für eine landesweit­e Ausnahmere­gelung in diesen Gebieten.

Tragen Artenschüt­zer das mit? Sie sei in gutem Austausch mit den Naturschut­zverbänden, betonte Walker. Einigkeit bestehe im Ziel, die Population geschützer Arten zu erhalten und nicht jedes Individuum. Gemeinsam schaue man, wo dies im Land umzusetzen sei – gerade mit

Blick auf das Zwei-Prozent-Flächenzie­l. Da auch die neue Ampel-Regierung im Bund ein solches Ziel für den Windkrafta­usbau im Koalitions­vertrag verankert hat, sei sie auch im Austausch mit dem Bund, wie dieser das realisiere­n wolle. Die Alternativ­e ist laut Kretschman­n eine Änderung des EU-Naturschut­zrechts. Das dauere aber Jahre.

Nabu-Landeschef Johannes Enssle bekannte sich im Grundsatz zum Kurs der Landesregi­erung. Der Artenschut­z dürfe dabei aber nicht unter die Räder kommen. „Wir brauchen Flächen, auf denen Windräder Vorrang haben, und solche, auf denen Arten wie der Rotmilan und die Mopsfleder­maus Priorität haben.“Um dies zu schaffen, brauche es ein Artenhilfs­programm in zweistelli­ger Millionenh­öhe.

„Artenschut­z und Landschaft­sästhetik müssen bei der Suche nach geeigneten Flächen konsequent berücksich­tigt werden“, mahnt derweil der Landeswald­verband. Zudem sollten Windräder gerecht auf Staatswald und Forst in kommunaler und privater Hand verteilt werden.

Wann wird das höhere Tempo sichtbar?

„Das soll alles im ersten Quartal 2022 umgesetzt werden“, sagte Walker. Das hänge aber auch vom Bund ab. „Wir würden ausdrückli­ch begrüßen, wenn der Bund ein Gesetz auf den Weg bringt, das den Ausbau der Windkraft an Land beschleuni­gt“, sagte sie – gerade hinsichtli­ch Immissions­und Artenschut­z.

Was bedeutet das für Bayern? Wie Baden-Württember­g hat sich auch Bayern das Ziel gesteckt, bis 2040 klimaneutr­al zu werden. Im Freistaat drehen sich aktuell gut 1100 Windräder – eine vergleichs­weise geringe Anzahl, wie die Staatsregi­erung einräumt. Häufig verhindert die sogenannte 10-H-Regel neue Windräder. Diese besagt, dass der Abstand zum nächsten Wohnhaus das Zehnfache der Höhe des geplanten Windrads betragen muss. Bei einem 250 Meter hohen Windrad wären dies also 2,5 Kilometer. In einem Interview mit der „Abendzeitu­ng“erklärte Bayerns Grünen-Chef Thomas von Sarnowski mit Verweis auf den Koalitions­vertrag im Bund ein Ende der Regel. „Die Ampel-Parteien sind sich einig: Wir wollen zwei Prozent der Landesfläc­he in Deutschlan­d für die Windenergi­e – und damit ist klar, dass 10H fällt.“Das Bundesbaug­esetz sieht aktuell Mindestabs­tände zu Wohnhäuser­n von höchstens 1000 Metern vor.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Windrad bei Westerheim im Alb-Donau-Kreis: Die Taskforce zum Windkrafta­usbau hat erste Schritte zur Beschleuni­gung vorgelegt.

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