Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Ich habe ein gutes bis sehr gutes Gefühl“
Friedrich Merz über seinen nächsten Anlauf, den CDU-Vorsitz zu übernehmen
BERLIN - Friedrich Merz ist sich ziemlich sicher, dass es diesmal klappt mit dem CDU-Parteivorsitz. Im Interview redet er über die Fußstapfen für Olaf Scholz, die Haushaltstricks von Christian Lindner und den Umgang mit „Querdenkern“.
Olaf Scholz gibt am Mittwoch die erste Regierungserklärung ab. Was erwarten Sie vom neuen Bundeskanzler?
Er tritt in große Fußstapfen und muss eine Botschaft nicht nur für die nächsten vier Jahre, sondern für das gesamte vor uns liegende Jahrzehnt finden. Und das inmitten gleich mehrerer Krisen. Eine große Aufgabe.
Die Union gibt vor allem der Ampel die Schuld an der eskalierten Corona-Lage. Aber nun sieht man die hohen Impfzahlen und fragt sich: Warum nicht schon früher? Je höher die Infektionsraten, desto höher wird offenbar die Impfbereitschaft. Das ist leider so. Der Start der Ampel in Sachen Corona war verstolpert. Sie wollten unbedingt alles anders machen als die alte Regierung, der die SPD ja auch angehört hat. Jetzt sind sie kleinlaut auf den alten Weg zurückgekehrt.
Auch die Ampel redet fast nur über Maßnahmen wie Impfen, Kontaktbeschränkung, Testen. Aber was ist eigentlich das politische Ziel im Kampf gegen die Pandemie?
Das nächste Ziel muss mehr Sicherheit und Kontinuität sein. Was die Bevölkerung verrückt macht, ist doch das ständige Hin und Her. Das gilt auch für die Kommunikation.
Angesichts der Impfproteste ist viel von einer Spaltung des Landes die Rede. Stimmt das überhaupt? Ich habe schon länger das Gefühl, dass die Debatte über eine angebliche Spaltung des Landes diese Spaltung überhaupt erst herbeiredet. Es gibt Impfkritiker, die man mit Argumenten noch erreichen kann. Ansonsten haben wir es mit einer kleinen, immer weiter radikalisierten Minderheit zu tun, die Corona und das Impfen nur zum Vorwand nimmt, um gegen den Staat insgesamt zu protestieren und immer mehr Gewalt auszuüben. Dem müssen wir entschieden entgegentreten.
Also weniger Aufmerksamkeit für „Querdenker“?
Jeder, der sich in der Demokratie zu Wort meldet, hat Aufmerksamkeit verdient. Aber jedem, der die Grenzen überschreitet, muss gezeigt werden, dass der Rechtsstaat das nicht akzeptiert.
Es gibt viel Kritik am ersten Etatentwurf des Bundesfinanzministers. Ist Christian Lindner ein Haushaltstrickser?
Zumindest befindet er sich mit seinem nun vorlegten Entwurf im krassen Widerspruch zu dem, was er vor einem Jahr noch selbst gesagt hat. Und sowohl in der Dimension als auch in der Begründung der Verschuldung geht er einen sehr kreativen Weg – um es zurückhaltend zu formulieren.
Die FDP war lange der Wunschpartner der CDU. Ist das auf absehbare Zeit vorbei?
Auch in der Demokratie ist nichts von Dauer. Es gibt in einem sich verändernden Parteiensystem mal mehr und mal weniger „natürliche“Partner, allerdings aus unserer Sicht zwei natürliche Gegner, nämlich die
Extremisten links und rechts. Alle anderen sollten grundsätzlich politisch kooperationsfähig sein. Den Rest entscheiden die Wähler.
Schauen wir auf den CDU-Wahlkampf: „Diesmal klappt es“– sagen Sie. Warum?
Ich erlebe große Zustimmung an der Basis – und dass diesmal auch die Mitglieder entscheiden, ist etwas völlig Neues. Das Ergebnis werden wir erst am Freitag sehen, aber ich habe ein gutes bis sehr gutes Gefühl.
Wird der nächste Vorsitzende wieder ein Übergangsvorsitzender? Wir sind durch die Oppositionsrolle nun in einer ganz neuen Situation. Meine Hoffnung ist, dass wir jetzt Kontinuität in die personelle Führung bekommen, also – ganz bescheiden – einmal mit mindestens einer vollständigen Amtsperiode beginnen. Unser Ziel muss es sein, in vier Jahren wieder stärkste politische Kraft in unserem Land zu werden.
Die Bundesländer waren immer ein politisches Reservoir für die CDU. Der Einfluss der Länder ist aber stark gesunken. Was heißt das für die CDU?
Jede Krise verstärkt zentralistische Tendenzen, und Krisen hatten wir nun in letzter Zeit mehr als genug. Gleichwohl haben die Länder für uns weiter große Bedeutung. Im nächsten Jahr stehen drei CDU-Ministerpräsidenten zur Wahl: Tobias Hans, Daniel Günther und Hendrik Wüst. Alle drei sind für uns Führungsreserve.
Mit mir wird es keinen Rechtsruck geben, haben Sie gesagt. Einige Ihrer Wähler könnten dann enttäuscht von Ihnen sein.
Mir wird dieses Etikett immer wieder angehängt und dagegen musste ich mich einmal deutlich zur Wehr setzen. In der Breite der Partei wird das übrigens nicht so gesehen, im Gegenteil. Ich stehe für eine klare Positionierung in der Mitte, die ein breites Spektrum abdeckt. Auch die Wertkonservativen werden in der CDU eine verlässliche politische Heimat haben.
Ihre beiden Mitbewerber haben Fraktionschef Ralph Brinkhaus eine Arbeitsplatzgarantie gegeben. Sie noch nicht.
Ich konzentriere mich jetzt ausschließlich auf den Parteivorsitz. Alle anderen Fragen stehen nicht auf der Tagesordnung.
Es herrscht Kriegsgefahr an den Rändern Europas. Ist Russland nun endgültig zum Gegner geworden? Russland könnte ein strategischer Partner des Westens sein, gerade auch im Bemühen, den östlichen Teil Europas politisch zu stabilisieren. Leider hat sich Präsident Putin für einen anderen Weg entschieden. Deswegen brauchen wir eine glaubwürdige europäische Russland-Strategie – wie übrigens auch gegenüber China.
Dann müsste Ihnen die Herangehensweise der grünen Außenministerin gefallen.
Diese Übereinstimmung habe ich für mich in den letzten Monaten schon mehrfach festgestellt. Entscheidend aber wird sein: Kann sich Annalena Baerbock damit in der Bundesregierung durchsetzen? Das gilt vor allem in der Russland-Frage angesichts einer sehr Russland-affinen SPD. Diese Widersprüche müssen in der Koalition schnell gelöst werden müssen, damit nicht nur Deutschland, sondern auch Europa handlungsfähig ist.