Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Lohnt sich ein Wechsel in die gesetzliche Krankenkasse?
Experten beantworteten Leserfragen rund um das Thema Krankenversicherung bei der Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“
RAVENSBURG (sz) - Ob gesetzlich oder privat krankenversichert – die Regelungen sind manchmal nicht leicht zu verstehen und führen zu vielen Fragen unter den Versicherten. Zudem kann es für manchen schwierig werden, den Beitrag zu zahlen. Welche Lösungen es gibt, das erklärten unseren Lesern während einer Telefonaktion Monika Müller vom Sozialverband VdK BadenWürttemberg, Philipp Schwab vom Verband der privaten Krankenversicherung und Gabriel Fürst von der AOK Bodensee-Oberschwaben.
Ich bin seit 20 Jahren selbstständig und privat versichert. Angesichts steigender Beiträge möchte ich in die gesetzliche Krankenkasse wechseln. Geht das mit einem Angestelltenverhältnis und selbstständiger Tätigkeit nebenher?
Da Sie noch keine 55 Jahre alt sind, ist das möglich. Allerdings müssen Sie wieder versicherungspflichtig werden, zum Beispiel durch ein Angestelltenverhältnis mit einem Gehalt über 450 Euro monatlich. Und das Angestelltenverhältnis muss die hauptberufliche Tätigkeit sein. Dies wird im Einzelfall auf Basis verschiedener Kriterien wie den Einnahmen, dem zeitlichen Arbeitsaufwand, der Rechtsform oder der Frage nach Angestellten geprüft.
Ich bin 82 und privat versichert. Kann ich in den Standardtarif wechseln, um Beitrag zu sparen?
Der Wechsel in den Standardtarif bringt in den meisten Fällen eine spürbare Beitragsersparnis. Allerdings entspricht der Leistungsumfang im Standardtarif in etwa dem der gesetzlichen Krankenversicherung. In der Regel ist der Wechsel also mit einer Reduzierung von Leistungen verbunden. Überlegen Sie, ob Sie das möchten.
Ich bin Hebamme und privat versichert. Da der Beitrag hoch ist, suche ich nach Einsparmöglichkeiten.
Ihnen steht beispielsweise laut Versicherungsvertragsgesetz VVG, Paragraf 204, ein Wechsel in einen anderen, gleichartigen Tarif zu, ohne dass Leistungen gekürzt, Gesundheitsfragen zu vorhandenen Leistungen gestellt oder Altersrückstellungen gestrichen werden. Lassen Sie sich von Ihrem Unternehmen Angebote machen. Um zu sparen, können Sie auch auf Leistungen verzichten oder die Selbstbeteiligung erhöhen. Allerdings sollten diese Schritte vorab ebenfalls genau auf ihre Auswirkung geprüft werden.
Meine private Krankenversicherung hat die Beiträge schon wieder erhöht und begründet das mit Mehrausgaben durch Corona. Dürfen sie das?
Die privaten Krankenkassen sind berechtigt, die Beiträge zu erhöhen, wenn das wirtschaftlich notwendig ist. Durch eine solche Pandemie steigen natürlich die Ausgaben der Krankenkassen an, sodass eine Beitragserhöhung plausibel klingt. Allerdings muss die Versicherung die Erhöhung begründen, sie kann sie nicht willkürlich durchführen.
Ich bin 56 Jahre und privat versichert. Die Beiträge stiegen in den letzten Jahren gefühlt überproportional. Könnte ich bei einem Wechsel die Altersrückstellungen mitnehmen?
Der Anstieg der Beiträge hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern mit erhöhten Leistungsausgaben, der Veränderung der Sterblichkeit und dem Niedrigzinsniveau. Sie können Ihre sogenannten Übertragungswerte aus der Kranken- und Pflegeversicherung mit zu Ihrem neuen Anbieter nehmen, wenn Sie sich erst nach dem 1. Januar 2009 versichert haben. Sind Sie bereits länger versichert, können Sie lediglich die Übertragungswerte aus Ihrer Pflegeversicherung mitnehmen. Eventuell bleiben Ihnen Teile Ihrer Altersrückstellungen aus der Krankenversicherung erhalten, wenn Sie nach dem 1. Januar 2009 einen Tarifwechsel vollzogen haben.
Sind Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in der gesetzlichen Krankenkasse im Alter beitragspflichtig?
Sofern Sie pflichtversichert sind und der KVdR, der Krankenversicherung der Rentner, angehören, müssen Sie keine Beiträge auf Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
entrichten. Als freiwillig Versicherter dagegen schon.
Kann ich in die Pflichtversicherung der Rentner wechseln? Als freiwillig Versicherter zahle ich zusätzlich auf Mieteinnahmen und auf die Betriebsrente Beiträge. Das ist sehr viel.
Normalerweise können Sie nicht wechseln. Aber möglicherweise verhelfen Ihnen Ihre Kinder dazu, dass Sie die erforderlichen Vorversicherungszeiten für die Krankenversicherung der Rentner, KVdR, erfüllen. Laut Paragraf 5 Absatz 2 des SGB V wird Ihnen für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind eine Vorversicherungszeit von drei Jahren angerechnet. Gehen Sie mit den Geburtsurkunden Ihrer Kinder zu Ihrer Kasse und lassen Sie das prüfen. Eine Erstattung zu viel gezahlter Beiträge ist laut Paragraf 27 des SGB IV allerdings nur noch bis zum Jahresende möglich.
Ich bin noch selbstständig als Schreiner und freiwillig gesetzlich krankenversichert. Mitte nächsten Jahres werde ich in Rente gehen. Komme ich dann als Pflichtmitglied
in die Krankenversicherung der Rentner?
Wenn Sie während Ihrer Berufstätigkeit in der zweiten Hälfte der Erwerbszeit mindestens zu 90 Prozent gesetzlich versichert gewesen sind, kommen Sie in die Krankenversicherung der Rentner. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie Pflichtmitglied oder freiwilliges Mitglied waren. Als Vorversicherungszeit wird Ihnen zudem für jedes Kind eine Zeit von drei Jahren angerechnet.
Meine Frau ist selbstständig, möchte aber wegen Corona aufhören. Ich bin in der gesetzlichen Krankenkasse. Kann ich meine Frau mitversichern?
Das ist möglich, wenn sie keine Selbstständigkeit ausübt und das Gesamteinkommen – Rente, Miet-, Pachteinnahmen und so weiter – 470 Euro im Monat nicht übersteigt.
Ich bin als Beamter privat versichert, meine Frau war immer in der Gesetzlichen. Wenn sie in Rente geht, wird mein Einkommen dann auf ihres angerechnet?
Es wird nicht angerechnet, wenn sie pflichtversichert in der KVDR wird. Nur, wenn Ihre Frau vor der Rentenantragstellung nicht mehr arbeitet, ist möglicherweise eine freiwillige Versicherung notwendig. Dann wird das Einkommen zum Teil, bis zur halben Beitragsbemessungsgrenze, herangezogen. In 2021 und 2022 sind das maximal 2418,75 Euro monatlich.
Ich bin Student und privat versichert. Wie kann ich mich gesetzlich versichern? Ich habe mich von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Wenn eine Befreiung ausgesprochen wurde, ist es in der Regel für die Zeit des Studiums nicht möglich, sich gesetzlich zu versichern.
Ich habe einen Heil- und Kostenplan und einen Kostenvoranschlag vom Zahnarzt bekommen, bei dem ich sehr viel selbst bezahlen muss. Kann ich noch eine zweite Meinung einholen und bezahlt die Krankenkasse das?
Natürlich können Sie sich in einer anderen Zahnarztpraxis eine zweite Meinung einholen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten dafür.
Ich bin Mitte 50 und werde mich im neuen Jahr selbstständig machen. Nun muss ich entscheiden, ob ich mich freiwillig gesetzlich oder privat krankenversichern soll.
Um eine Entscheidung zu treffen, sollten Sie die Vor- und Nachteile der jeweiligen Versicherung kennen. Die private Krankenversicherung bietet meist niedrige Beiträge für junge Menschen an, da ihr Risiko zu erkranken noch sehr gering ist und sie meist keine Vorerkrankungen ausweisen. Da Sie jedoch schon Mitte 50 sind, werden die Beiträge aufgrund Ihres hohen Einstiegsalters und der Risikobewertung schon eher hoch sein. Lassen Sie sich von unterschiedlichen Versicherungen Angebote machen. Bei der freiwilligen gesetzlichen Versicherung orientieren sich die Beiträge am Einkommen. Verdienen Sie wenig, sind auch die Beiträge niedrig. Verdienen sie viel, sind die Beiträge bis zu einem Höchstsatz hoch. Bricht Ihr Einkommen weg, durch einen Unfall beispielsweise, bezahlen Sie Versicherungsbeiträge nur auf Einkünfte aus Ihrer Rente oder Unfallversicherung. Ein Vorteil privat Krankenversicherter ist unter anderem, schneller einen Facharzttermin zu bekommen. Ein Nachteil sind die steigenden Beiträge, die im Alter oft nur schwer zu begleichen sind.
Ich benötige nach einer Schulteroperation dringend Physiotherapie, aber meine Hausärztin sagt, sie kann das wegen des Budgets nicht verschreiben. Muss das meine Krankenkasse nicht bezahlen?
Wenn Ihre Ärztin der Meinung ist, dass Sie eine Therapie benötigen, da dies medizinisch notwendig ist, dann sollte sie Ihnen diese auch verordnen. Das Budget darf dabei keine Rolle spielen. Allerdings gibt es bei den Verordnungsmengen klare Vorgaben, in welcher Häufigkeit Physiotherapie bei einer bestimmten Krankheit verordnet werden darf. Dies regelt die Heilmittelverordnung.