Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wie sich Kiebitze und Rinder ergänzen
Ökogebiet soll Heimat für Vögel werden – Warum Bad Schussenried darauf angewiesen ist
BAD SCHUSSENRIED - Zwischen der Schussenfurt und dem Schwaigfurter Weiher entsteht ein Renaturierungsgebiet. Die Stadt Bad Schussenried hofft darauf, einen naturnahen Lebensraum für Kiebitze zu schaffen und dadurch wertvolle Ökopunkte zu erhalten. Seit September leben elf Galloway-Rinder auf der sieben Hektar großen Weide. Das hat einen guten Grund: Vögel und Rinder ergänzen sich gut.
Die Vorstellung klingt idyllisch: Große, schottische Rinder leben friedlich zusammen mit gefährdeten Vögeln auf einer großen Wiese. Doch was haben die Rinder mit den Vögeln zu tun? Landwirt Erik Leipersberger kümmert sich um die Tiere vor Ort und erklärt: „Die beiden ergänzen sich wie in einer Symbiose.“Die schwarz-weißen Galloway-Rinder sehen mit ihrem lockigen Fell nicht nur beeindruckend aus, sondern helfen auch dabei, eine gefährdete Vogelart anzusiedeln und somit Ökopunkte für die Stadt Bad Schussenried zu erzeugen.
Ökopunkte sind der Grund für das Renaturierungsgebiet zwischen der Schussenfurt und dem Schwaigfurter Weiher. Mit den Punkten hofft die Stadt auf einen finanziellen Puffer für künftige Neubaugebiete und einen Ausgleich für das Baugebiet Sankt Martinsesch, das etwa eine Million Ökopunkte kostet.
Ein Punkt entspricht zurzeit etwa einem Euro. Die genaue Anzahl der künftigen Ökopunkte legt die Naturschutzbehörde im Landratsamt fest. Voraussetzung ist die Ansiedlung einer speziellen, gefährdeten Vogelart: dem Kiebitz. In Deutschland brüten laut Naturschutzbund (Nabu) noch etwa 70 000 bis 100 000 Kiebitz-Paare. Kiebitze sind etwa so groß wie Tauben. Sie brüten auf dem Boden und legen ihre Eier zwischen April und Mai in Kuhlen ab. Seit September leben elf Galloway-Rinder auf der sieben Hektar großen Fläche und bilden dort durch ihr natürliches Verhalten diese Kuhlen im Boden.
Die Wiesen lassen sich laut Stadtkämmerei nur schwer bewirtschaften, weil sie relativ feucht sind. Perfekte Voraussetzungen für den Kiebitz, der feuchte Böden bevorzugt. Dennoch gibt es auch im Renaturierungsgebiet einen natürlichen Feind: den Fuchs. Um den Ei-Räuber fernzuhalten, baut der Landwirt Erik Leipersberger eine Fuchslitze in den Zaun.
Die sieht aus wie eine blaue Kordel und steht unter Strom. „Blau kommt nur selten in der Natur vor und wird von Füchsen als Barriere akzeptiert“, sagt er. Durch die Galloways sind Kiebitze sogar zusätzlich gegen hungrige Füchse geschützt: „Meine Rinder verteidigen die Vögel gegen Füchse“sagt Leipersberger. Eine Win-Win-Situation.
Bereits im kommenden Jahr erwartet der Landwirt Nachwuchs auf der Weide. „Wir gehen davon aus, dass fast alle der weiblichen Tiere schwanger sind“, sagt er. Die Galloways seien laut Danielle Schäfer besonders soziale Tiere. „Das Tolle an der Rasse ist, dass sie zutraulich sind, außerdem haben sie keine Hörner“, sagt die Tierärztin und Ortsvorsteherin von Otterswang. „Durch ihr zweischichtiges Fell sind sie gut vor der Kälte geschützt und für die ganzjährige Freilandhaltung geeignet“, sagt Schäfer.
Auch Leipersberger ist begeistert von seinen Tieren. Sie fressen ihm aus der Hand und lassen sich gerne von ihm streicheln. Ein paar Dinge gibt es dennoch zu beachten: „Wir pflegen bei Bedarf einmal im Jahr ihre Klauen, geben ihnen eine Wurmkur und untersuchen sie auf Krankheiten. Ansonsten überlassen wir sie der Natur“, sagt der Landwirt. Er besucht seine Rinder täglich. „Pro Tag bin ich etwa eine Stunde bei ihnen. Ich bringe Futter und schaue, wie es den Tieren geht.“Jedes Rind habe einen eigenen Namen. „Meine Frau kann die alle auswendig“, sagt er. „Da gibt es zum Beispiel Molly, Lisa und Tiffany. Die Bullen Bubi und Ivar halten die Herde beisammen“, sagt Daniela Leipersberger, die Frau des Landwirts.
Der Kontakt zwischen Stadt und Landwirt kam zufällig zustande. Erik Leipersberger suchte nur nach einem Platz für seine Schafe und meldete sich daher bei der Stadtkämmerei. „Die haben ein Regenüberlaufbecken, das meine Schafe inzwischen abgrasen. Ich habe meine GallowayRinder ganz nebensächlich erwähnt, doch dann erfahren, dass die Stadt händeringend nach einem Landwirt mit solchen Rindern sucht“, erzählt er. „Jetzt kann ich zudem helfen, Kiebitze anzusiedeln“.
Wann die Ökopunkte kommen, weiß bisher noch keiner so genau. Denn bislang hat sich noch kein Kiebitz auf der Wiese gezeigt. „Wenn die Galloways so weitermachen, werden die Vögel aber relativ schnell kommen“, ist Erik Leipersberger überzeugt.