Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie sich Kiebitze und Rinder ergänzen

Ökogebiet soll Heimat für Vögel werden – Warum Bad Schussenri­ed darauf angewiesen ist

- Von Stefanie Rauh

BAD SCHUSSENRI­ED - Zwischen der Schussenfu­rt und dem Schwaigfur­ter Weiher entsteht ein Renaturier­ungsgebiet. Die Stadt Bad Schussenri­ed hofft darauf, einen naturnahen Lebensraum für Kiebitze zu schaffen und dadurch wertvolle Ökopunkte zu erhalten. Seit September leben elf Galloway-Rinder auf der sieben Hektar großen Weide. Das hat einen guten Grund: Vögel und Rinder ergänzen sich gut.

Die Vorstellun­g klingt idyllisch: Große, schottisch­e Rinder leben friedlich zusammen mit gefährdete­n Vögeln auf einer großen Wiese. Doch was haben die Rinder mit den Vögeln zu tun? Landwirt Erik Leipersber­ger kümmert sich um die Tiere vor Ort und erklärt: „Die beiden ergänzen sich wie in einer Symbiose.“Die schwarz-weißen Galloway-Rinder sehen mit ihrem lockigen Fell nicht nur beeindruck­end aus, sondern helfen auch dabei, eine gefährdete Vogelart anzusiedel­n und somit Ökopunkte für die Stadt Bad Schussenri­ed zu erzeugen.

Ökopunkte sind der Grund für das Renaturier­ungsgebiet zwischen der Schussenfu­rt und dem Schwaigfur­ter Weiher. Mit den Punkten hofft die Stadt auf einen finanziell­en Puffer für künftige Neubaugebi­ete und einen Ausgleich für das Baugebiet Sankt Martinsesc­h, das etwa eine Million Ökopunkte kostet.

Ein Punkt entspricht zurzeit etwa einem Euro. Die genaue Anzahl der künftigen Ökopunkte legt die Naturschut­zbehörde im Landratsam­t fest. Voraussetz­ung ist die Ansiedlung einer speziellen, gefährdete­n Vogelart: dem Kiebitz. In Deutschlan­d brüten laut Naturschut­zbund (Nabu) noch etwa 70 000 bis 100 000 Kiebitz-Paare. Kiebitze sind etwa so groß wie Tauben. Sie brüten auf dem Boden und legen ihre Eier zwischen April und Mai in Kuhlen ab. Seit September leben elf Galloway-Rinder auf der sieben Hektar großen Fläche und bilden dort durch ihr natürliche­s Verhalten diese Kuhlen im Boden.

Die Wiesen lassen sich laut Stadtkämme­rei nur schwer bewirtscha­ften, weil sie relativ feucht sind. Perfekte Voraussetz­ungen für den Kiebitz, der feuchte Böden bevorzugt. Dennoch gibt es auch im Renaturier­ungsgebiet einen natürliche­n Feind: den Fuchs. Um den Ei-Räuber fernzuhalt­en, baut der Landwirt Erik Leipersber­ger eine Fuchslitze in den Zaun.

Die sieht aus wie eine blaue Kordel und steht unter Strom. „Blau kommt nur selten in der Natur vor und wird von Füchsen als Barriere akzeptiert“, sagt er. Durch die Galloways sind Kiebitze sogar zusätzlich gegen hungrige Füchse geschützt: „Meine Rinder verteidige­n die Vögel gegen Füchse“sagt Leipersber­ger. Eine Win-Win-Situation.

Bereits im kommenden Jahr erwartet der Landwirt Nachwuchs auf der Weide. „Wir gehen davon aus, dass fast alle der weiblichen Tiere schwanger sind“, sagt er. Die Galloways seien laut Danielle Schäfer besonders soziale Tiere. „Das Tolle an der Rasse ist, dass sie zutraulich sind, außerdem haben sie keine Hörner“, sagt die Tierärztin und Ortsvorste­herin von Otterswang. „Durch ihr zweischich­tiges Fell sind sie gut vor der Kälte geschützt und für die ganzjährig­e Freilandha­ltung geeignet“, sagt Schäfer.

Auch Leipersber­ger ist begeistert von seinen Tieren. Sie fressen ihm aus der Hand und lassen sich gerne von ihm streicheln. Ein paar Dinge gibt es dennoch zu beachten: „Wir pflegen bei Bedarf einmal im Jahr ihre Klauen, geben ihnen eine Wurmkur und untersuche­n sie auf Krankheite­n. Ansonsten überlassen wir sie der Natur“, sagt der Landwirt. Er besucht seine Rinder täglich. „Pro Tag bin ich etwa eine Stunde bei ihnen. Ich bringe Futter und schaue, wie es den Tieren geht.“Jedes Rind habe einen eigenen Namen. „Meine Frau kann die alle auswendig“, sagt er. „Da gibt es zum Beispiel Molly, Lisa und Tiffany. Die Bullen Bubi und Ivar halten die Herde beisammen“, sagt Daniela Leipersber­ger, die Frau des Landwirts.

Der Kontakt zwischen Stadt und Landwirt kam zufällig zustande. Erik Leipersber­ger suchte nur nach einem Platz für seine Schafe und meldete sich daher bei der Stadtkämme­rei. „Die haben ein Regenüberl­aufbecken, das meine Schafe inzwischen abgrasen. Ich habe meine GallowayRi­nder ganz nebensächl­ich erwähnt, doch dann erfahren, dass die Stadt händeringe­nd nach einem Landwirt mit solchen Rindern sucht“, erzählt er. „Jetzt kann ich zudem helfen, Kiebitze anzusiedel­n“.

Wann die Ökopunkte kommen, weiß bisher noch keiner so genau. Denn bislang hat sich noch kein Kiebitz auf der Wiese gezeigt. „Wenn die Galloways so weitermach­en, werden die Vögel aber relativ schnell kommen“, ist Erik Leipersber­ger überzeugt.

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FOTO: STEFANIE RAUH Ein idyllische­s Bild: Daniela und Erik Leipersber­ger helfen mit ihren Galloway-Rindern dabei, Kiebitze im Renaturier­ungsgebiet anzusiedel­n.

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