Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Tun die Ulmer genug gegen Rechte?
Fußball: Ein Bericht der ARD-Sportschau sorgt für Aufregung.
ULM - Die Sportschau in der ARD hatte am Sonntagabend eine Einschaltquote von etwa zehn Prozent, an die drei Millionen Menschen haben also direkt den Bericht über Traditionsvereine und ihr vermeintliches oder tatsächliches Problem mit Rechtsradikalen und Neonazis gesehen – über die Mediatheken und andere Streamingdienste dürfte sich diese Zahl noch erheblich erhöhen. Genannt wird in der Reportage neben Rot-Weiß Essen und Hessen Kassel auch der SSV Ulm 1846 Fußball. Der Vorwurf: Die Vereine unternehmen nichts oder zu wenig gegen derartige Umtriebe. Ein anonymer Zeuge aus der Fanszene sagt: „Ulm duckt sich weg.“In der Chefetage des Regionalligisten ist man entsetzt über die Darstellung. Vereinschef Anton Gugelfuß sagt: „Ich bin seit mehr als sieben Jahren im Amt, in dieser Zeit gab es keinen Funken an Toleranz gegenüber rechts.“
In der Sportschau wird unter anderem erinnert an den Brandanschlag auf den Wohnwagen einer Sinti-und-Roma-Familie im Mai 2019 bei Dellmensingen, vier der Täter seien Ulmer Fußballfans. Die ARD zeigt zudem Bilder von SSV-Hools am Obersalzberg, mit Reichskriegsflagge oder zum Hitlergruß erhobenem Arm. Der Zeuge aus der Fanszene spricht von „Nazi-Hools“, er berichtet von Drohungen in der Kurve und einer „unglaublich großen Angst“. Der harsche Vorwurf an den Verein: „Er bezieht nicht klar Stellung gegen rechts, er schiebt das Ganze gerne weg.“
Der Verein wurde laut Sportschau um eine Stellungnahme gebeten, die Anfrage sei abgelehnt worden. Am Tag nach der Ausstrahlung des Berichts war dafür die Empörung groß. Zu Wort gemeldet hat sich etwa Walter Feucht, Vorsitzender der TSG Söflingen und einer der Aufsichtsräte des SSV Ulm 1846 Fußball. Seiner Einschätzung nach ist der Bericht „unredlich“und „tendenziös“. Feucht spricht von „null Toleranz gegenüber rechten Dumpfbacken“und er erwähnt, dass Thomas Oelmayer, einer der drei Vorsitzenden des Vereins, Mitbegründer der Grünen in Baden-Württemberg und Landtagsabgeordneter dieser Partei war: „Er ist extrem sensibilisiert, wenn es um den braunen Sumpf geht.“
Fakt ist, dass der Verein der Sportschau keinen aktuellen Grund für diesen Bericht geliefert hat. Fakt ist aber auch, dass es in Ulm – wie an vielen anderen Standorten – in der Vergangenheit immer wieder Ärger mit gewaltbereiten und/oder rechten Fans gegeben hat. So sollen vor gut drei Jahren nach dem Endspiel um den württembergischen Verbandspokal in Stuttgart glaubhaften Zeugenaussagen zufolge bis zu 100 teilweise betrunkene Ulmer Hooligans Fahrgäste im Zug mit rechtsradikalen Parolen beleidigt, belästigt und bedroht haben. Die
Bundespolizei ermittelte, die Chefetage des Vereins wandte sich in einem Brandbrief direkt an den badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und bat um Hilfe. Die Diskussion um ein Fanprojekt kam daraufhin wieder in Schwung, realisiert wurde es indes nie. Anhänger der Spatzen schreiben in einer anonymen Mail an unsere Redaktion mit Blick auf rechte Umtriebe von einem „verdammten, brennend heißen und ausgesprochen unliebsamen Problem“.
Schon nach den Vorfällen im Zug vor drei Jahren hatte der Verein darüber geklagt, dass randalierende und rechtsradikale Fans nicht nur ein Imageproblem darstellen. Es geht ganz konkret auch um Geld und damit um die sportliche Konkurrenzfähigkeit. Gugelfuß sagte damals: „Wenn man mit Sponsoren verhandelt, dann kommt schon mal der Spruch, dass wir doch erst mal diesen Mist in den Griff kriegen sollen.“Das Thema hatte auch durch die Corona-Pandemie und die in den vergangenen zwei Jahren oft leeren Stadien zuletzt etwas an Brisanz verloren – seit Sonntagabend ist es wieder brandaktuell.
„Ich bin seit mehr als sieben Jahren im Amt, in dieser Zeit gab es keinen Funken an Toleranz gegenüber rechts.“Anton Gugelfuß, Vereinschef