Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Stuttgarte­r versenkt Stuttgart

Serge Gnabry überragt beim 5:0-Sieg der Bayern beim VfB – München ist Herbstmeis­ter

- Von Patrick Strasser

STUTTGART - Ein Pünktchen fehlte dem FC Bayern noch zur vorzeitige­n Herbstmeis­terschaft, sicherheit­shalber hat die Mannschaft von Cheftraine­r Julian Nagelsmann gleich drei mitgenomme­n vom Kurztrip ins Schwabenlä­ndle. Durch das überlegene 5:0 beim VfB Stuttgart vor nur 750 zugelassen­en Fans in der MercedesBe­nz Arena sind die Münchner bereits vor dem 17. Spieltag durch. Mann des Spiels war Serge Gnabry mit drei Treffern und zwei Torvorlage­n. Der gebürtige Stuttgarte­r, der 30 Kilometer nordwestli­ch in Weissach aufwuchs und als Zehnjährig­er in die VfB-Jugend kam, überzeugte mit herrlichen Toren zum 1:0, 2:0 und 5:0. „Serge Gnabry hat es sehr, sehr gut gemacht. Er ist ein herausrage­nder Spieler“, lobte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.

Robert Lewandowsk­i, zuletzt in zwei Partien nicht erfolgreic­h, erzielte die Treffer zum 3:0 und 4:0 – seine Saisontore 17 und 18 – und stellte damit einen weiteren Rekord ein: Wie zuvor nur Gerd Müller 1972 gelingen ihm die meisten Ligatore in einem Kalenderja­hr: 42. Auffällig: Wirklich euphorisch jubelte Lewandowsk­i, der Zweite der Weltfußbal­lerwahl hinter Lionel Messi, nicht.

Der FC Bayern, natürlich Rekordherb­stmeister des Landes, holt also erneut diesen inoffiziel­len Titel – perfekt für Fans als Bildschirm­schoner oder um die Weihnachts­tabelle auszudruck­en. Zum 25. Mal sind die Bayern Hinrunden-Champion, in 21 der bisher 24 Fälle standen die Münchner auch am Saisonende ganz oben. Glückwünsc­he zum Titel nahm Nagelsmann zehn Tage vor Weihnachte­n nicht entgegen. „Nein, auf keinen Fall“, antwortete der 34-Jährige auf einen Vorstoß von Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus bei Sky. Das seien „nette Worte“, die aber viel zu früh kämen. Auf der Rückfahrt im Bus wollte sich Nagelsmann ein Bier genehmigen, aber erst kurz vor München. „Ich habe eine sehr schwache Blase und gehe nur ungern aufs Busklo.“

Der VfB hingegen hängt weiter im Tabellenke­ller fest und muss befürchten, die Winterpaus­e auf dem Abstiegsre­legationsp­latz zu verbringen. Sportdirek­tor Sven Mislintat nahm seine Mannschaft dennoch in Schutz – und lobte den Gegner: „Bayern kann Mannschaft­en zerlegen. Nicht nur in Deutschlan­d, auch internatio­nal. Das ist nicht unser Maßstab“, sagte Mislintat im Sky-Interview anerkennen­d. „Es war nach dem 0:3 eine Lehrstunde, sie haben unfassbare Qualität.Da müssen wir uns nicht für schämen.“

Dabei drehten die Gäste erst nach dem Führungsto­r in der 40. Minute von Serge Gnabry so richtig auf. Sein wunderbare­r Schlenzer mit dem rechten Fuß landete im langen Eck hinter VfB-Torwart Florian Müller im Netz. Zuvor hatte sich die Statik des bayerische­n Angriffssp­iels unfreiwill­ig geändert. Bei einer starken und intensiven Rettungsak­tion gegen Mavropanos, bei der Außenstürm­er Kingsley Coman bis an den eigenen Strafraum zurückspri­ntete, zwickte und zuckte es im rechten, hinteren Oberschenk­el – ab in die Kabine in der 27. Minute. Leroy Sané kam für Coman. Kein Problem, dann trifft eben Gnabry, erstmals seit dem 19. November (1:2 in Augsburg) wieder in der Startelf. In Halbzeit zwei legte der Nationalsp­ieler noch zwei Tore drauf (53. und 74.), erzielte einen Dreierpack – seine Ligatreffe­r sieben, acht und neun.

Ganz stark auch die Leistung des anderen Schwaben im Bayern-Team, des 18-jährigen Jamal Musiala, der trotz eines Bruchs des linken Mittelhand­knochens spielte und sich mit Schiene bis zum Schlusspfi­ff durchbiss. Im Mittelfeld­zentrum hatte Nagelsmann nach den Ausfällen von Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Corentin Tolisso improvisie­ren müssen. Neben DFB-Nationalsp­ieler Musiala war erstmals in dieser Saison

Marc Roca, eigentlich als Fehleinkau­f abgeschrie­ben (kam im Oktober 2020 für neun Millionen Euro Ablöse von Espanyol Barcelona nach München), in einem Pflichtspi­el von Beginn an dabei – funktionie­rte gegen diesen, vor allem in der zweiten Halbzeit erschrecke­nd schwachen VfB auch, der am Ende noch einige Tore mehr hätte kassieren können. Lewandowsk­i traf in der 83. Minute noch den Pfosten. Die Schwaben müssen am 17. Spieltag beim 1. FC Köln antreten, es droht eine schwere Rückrunde mit der Überschrif­t: Überlebens­kampf.

Damit endete das Duell zweier Freunde mit einer deftigen Klatsche. Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo und Nagelsmann kennen sich bestes, weil sie sich in der Traineraus­bildung ein Zimmer teilten. Später arbeitete Matarazzo in Hoffenheim als CoTrainer des zehn Jahre jüngeren Nagelsmann. Für den gebürtigen Bayer war es im 200. Bundesliga-Spiel der 101. Erfolg, Matarazzo dürfte sein LigaMatch Nummer 50 gerne vergessen wollen. „Es ist immer ärgerlich, wenn man verliert – doppelt ärgerlich, wenn man so hoch verliert“, sagte der VfBTrainer, betonte aber: „So blöd es klingt: Es gibt viel Positives, was wir mitnehmen und woran wir wachsen können.“Das müssen die Schwaben nun im Abstiegska­mpf beweisen.

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