Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Stuttgarter versenkt Stuttgart
Serge Gnabry überragt beim 5:0-Sieg der Bayern beim VfB – München ist Herbstmeister
STUTTGART - Ein Pünktchen fehlte dem FC Bayern noch zur vorzeitigen Herbstmeisterschaft, sicherheitshalber hat die Mannschaft von Cheftrainer Julian Nagelsmann gleich drei mitgenommen vom Kurztrip ins Schwabenländle. Durch das überlegene 5:0 beim VfB Stuttgart vor nur 750 zugelassenen Fans in der MercedesBenz Arena sind die Münchner bereits vor dem 17. Spieltag durch. Mann des Spiels war Serge Gnabry mit drei Treffern und zwei Torvorlagen. Der gebürtige Stuttgarter, der 30 Kilometer nordwestlich in Weissach aufwuchs und als Zehnjähriger in die VfB-Jugend kam, überzeugte mit herrlichen Toren zum 1:0, 2:0 und 5:0. „Serge Gnabry hat es sehr, sehr gut gemacht. Er ist ein herausragender Spieler“, lobte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.
Robert Lewandowski, zuletzt in zwei Partien nicht erfolgreich, erzielte die Treffer zum 3:0 und 4:0 – seine Saisontore 17 und 18 – und stellte damit einen weiteren Rekord ein: Wie zuvor nur Gerd Müller 1972 gelingen ihm die meisten Ligatore in einem Kalenderjahr: 42. Auffällig: Wirklich euphorisch jubelte Lewandowski, der Zweite der Weltfußballerwahl hinter Lionel Messi, nicht.
Der FC Bayern, natürlich Rekordherbstmeister des Landes, holt also erneut diesen inoffiziellen Titel – perfekt für Fans als Bildschirmschoner oder um die Weihnachtstabelle auszudrucken. Zum 25. Mal sind die Bayern Hinrunden-Champion, in 21 der bisher 24 Fälle standen die Münchner auch am Saisonende ganz oben. Glückwünsche zum Titel nahm Nagelsmann zehn Tage vor Weihnachten nicht entgegen. „Nein, auf keinen Fall“, antwortete der 34-Jährige auf einen Vorstoß von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus bei Sky. Das seien „nette Worte“, die aber viel zu früh kämen. Auf der Rückfahrt im Bus wollte sich Nagelsmann ein Bier genehmigen, aber erst kurz vor München. „Ich habe eine sehr schwache Blase und gehe nur ungern aufs Busklo.“
Der VfB hingegen hängt weiter im Tabellenkeller fest und muss befürchten, die Winterpause auf dem Abstiegsrelegationsplatz zu verbringen. Sportdirektor Sven Mislintat nahm seine Mannschaft dennoch in Schutz – und lobte den Gegner: „Bayern kann Mannschaften zerlegen. Nicht nur in Deutschland, auch international. Das ist nicht unser Maßstab“, sagte Mislintat im Sky-Interview anerkennend. „Es war nach dem 0:3 eine Lehrstunde, sie haben unfassbare Qualität.Da müssen wir uns nicht für schämen.“
Dabei drehten die Gäste erst nach dem Führungstor in der 40. Minute von Serge Gnabry so richtig auf. Sein wunderbarer Schlenzer mit dem rechten Fuß landete im langen Eck hinter VfB-Torwart Florian Müller im Netz. Zuvor hatte sich die Statik des bayerischen Angriffsspiels unfreiwillig geändert. Bei einer starken und intensiven Rettungsaktion gegen Mavropanos, bei der Außenstürmer Kingsley Coman bis an den eigenen Strafraum zurücksprintete, zwickte und zuckte es im rechten, hinteren Oberschenkel – ab in die Kabine in der 27. Minute. Leroy Sané kam für Coman. Kein Problem, dann trifft eben Gnabry, erstmals seit dem 19. November (1:2 in Augsburg) wieder in der Startelf. In Halbzeit zwei legte der Nationalspieler noch zwei Tore drauf (53. und 74.), erzielte einen Dreierpack – seine Ligatreffer sieben, acht und neun.
Ganz stark auch die Leistung des anderen Schwaben im Bayern-Team, des 18-jährigen Jamal Musiala, der trotz eines Bruchs des linken Mittelhandknochens spielte und sich mit Schiene bis zum Schlusspfiff durchbiss. Im Mittelfeldzentrum hatte Nagelsmann nach den Ausfällen von Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Corentin Tolisso improvisieren müssen. Neben DFB-Nationalspieler Musiala war erstmals in dieser Saison
Marc Roca, eigentlich als Fehleinkauf abgeschrieben (kam im Oktober 2020 für neun Millionen Euro Ablöse von Espanyol Barcelona nach München), in einem Pflichtspiel von Beginn an dabei – funktionierte gegen diesen, vor allem in der zweiten Halbzeit erschreckend schwachen VfB auch, der am Ende noch einige Tore mehr hätte kassieren können. Lewandowski traf in der 83. Minute noch den Pfosten. Die Schwaben müssen am 17. Spieltag beim 1. FC Köln antreten, es droht eine schwere Rückrunde mit der Überschrift: Überlebenskampf.
Damit endete das Duell zweier Freunde mit einer deftigen Klatsche. Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo und Nagelsmann kennen sich bestes, weil sie sich in der Trainerausbildung ein Zimmer teilten. Später arbeitete Matarazzo in Hoffenheim als CoTrainer des zehn Jahre jüngeren Nagelsmann. Für den gebürtigen Bayer war es im 200. Bundesliga-Spiel der 101. Erfolg, Matarazzo dürfte sein LigaMatch Nummer 50 gerne vergessen wollen. „Es ist immer ärgerlich, wenn man verliert – doppelt ärgerlich, wenn man so hoch verliert“, sagte der VfBTrainer, betonte aber: „So blöd es klingt: Es gibt viel Positives, was wir mitnehmen und woran wir wachsen können.“Das müssen die Schwaben nun im Abstiegskampf beweisen.