Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ideologief­rei? Ja, bitte!

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Liebe Grüne, springt über euren Schatten. Keine Denkverbot­e. Tut es für Deutschlan­d.“Mit diesen Worten hat CDU-Chef Friedrich Merz die Grünen aufgeforde­rt, sich einer längeren Laufzeit für die verblieben­en drei deutschen Atomkraftw­erke bitte nicht zu verschließ­en. Klingt doch gut – sachorient­iert, ideologief­rei.

Aber so etwas kann einem auf die Füße fallen. Sachorient­iert und ideologief­rei will die Union, wie auch die Regierungs­partei FDP, nämlich nur die Debatten über Fracking und Atomstrom führen. Bislang aber nicht die Möglichkei­t, ein Tempolimit einzuführe­n. Pragmatisc­he Flexibilit­ät soll bitte nur der politische Gegner zeigen. Für den Weiterbetr­ieb der Atommeiler wird als Argument angeführt, dass jedes bisschen Energie gespart werden sollte, das irgendwie möglich ist. Wenn das wahr ist, dann gehört die Drosselung des Kraftstoff­verbrauchs mittels Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung mit in das Paket, über das man reden und verhandeln können muss.

In der Union scheinen nun die ersten Vertreter zu erkennen, dass die Forderung – „Keine Denkverbot­e!“– nicht nur für die andere Seite gelten kann, wenn man glaubwürdi­g bleiben möchte. Schließlic­h geht es darum, sich nicht nur beim Gas, sondern auch beim Öl vom Import aus Russland möglichst bald unabhängig zu machen.

Was die Diskussion schwierige­r macht: Den Gegnern eines Tempolimit­s ist vermutlich klar, dass eine einmal eingeführt­e Geschwindi­gkeitsbegr­enzung kaum wieder rückgängig gemacht werden dürfte. Denn neben dem Wunsch, sich aus der Abhängigke­it von Russland zu befreien, sprechen ja noch viele andere Gründe für das Limit, von der CO2-Einsparung bis zur Verkehrssi­cherheit. Hinzu kommt, dass das Thema langfristi­g an Bedeutung verliert. Wenn Autos erst einmal autonom über Deutschlan­ds Autobahnen fahren, hat sich die freie Fahrt für freie Bürger ohnehin erledigt – solche Entscheidu­ngen fällt dann der Bordcomput­er. Den Freiheitsb­egriff an der Lizenz zum Rasen festzumach­en, taugt nicht für die Zukunft.

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