Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Südwest-AfD strebt weiter nach rechts

Nationalis­tische Kräfte setzen sich in Wahlkrimi bei Parteitag durch

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die AfD in BadenWürtt­emberg hat eine neue Führung. Nach hartem Ringen und stundenlan­gen Wahlgängen bilden überrasche­nd Markus Frohnmaier und Emil Sänze eine Doppelspit­ze. Sie folgen auf Alice Weidel, die nicht mehr antrat. Nach dem Parteitag am Wochenende in der Stuttgarte­r Messehalle ist klar: Im Vorstand der Südwest-AfD haben nun die Rechtsnati­onalen das Sagen.

Der Riss verläuft mitten durch die Partei. Die Landtagsab­geordnete Carola Wolle berichtete von Erpressung aus den eigenen Reihen. Ihr Kollege Uwe Hellstern sprach von „Grabenkämp­fen“. Sichtbar wurden diese bei der Wahl um den Landesvors­itz. Um diesen hatten sich die Bundestags­abgeordnet­en Martin Hess und Dirk Spaniel beworben. Hess ist wie Weidel dem vergleichs­weise gemäßigten, rechtskons­ervativen Lager zuzuordnen. Spaniels Befürworte­r finden sich verstärkt in den nationalis­tischen Kreisen der Partei, ihm wird eine Nähe zum rechtsextr­emen „Flügel“der Partei nachgesagt, der formell aufgelöst ist.

In den ersten beide Wahlgängen verpassten beide denkbar knapp die absolute Mehrheit. Nach dem Patt mussten alle Mitglieder den Tagungsort verlassen. Damit sollten Zweifel ausgeräumt werden, dass möglicherw­eise zu viele digitale Abstimmger­äte im Umlauf seien. Danach zog Hess seine Kandidatur zurück und forderte seinen Konkurrent­en auf, es ihm gleichzutu­n. „Weitermach­en würde nicht zur Befriedung der Partei beitragen“, so Hess. Spaniel folgte ihm, schlug aber eine Doppelspit­ze vor – was die Mitglieder bereits vor dem ersten Wahlgang abgelehnt hatten und dies erneut taten.

Die Meinung änderten die Mitglieder erst bei der dritten Abstimmung über eine Doppelspit­ze. Diesmal hatten der Bundestags­abgeordnet­e Markus Frohnmaier, der zum Weidel-Lager gehört, und der Landtagsab­geordnete Emil Sänze, der rechtsnati­onale Positionen vertritt, diese ins Spiel gebracht. Sie traten als Team an und versprache­n, im Sinne der Partei gut zusammenzu­arbeiten. Zuvor waren sie gegeneinan­der angetreten, ohne dass einer die absolute Mehrheit erreichte.

Schließlic­h stimmten am Samstagabe­nd 319 der 533 Mitglieder für die Doppelspit­ze. Das neue Duo folgt auf Weidel, die sich zurückzog, weil sie sich auf ihre Posten im Bund konzentrie­ren will. Weidel ist gemeinsam mit Tino Chrupalla Vorsitzend­e der Bundespart­ei und der AfD-Fraktion im Bundestag.

Um die Gräben zuzuschütt­en, sollten am Sonntag die weiteren Posten im Landesvors­tand je abwechseln­d mit Kandidaten der beiden Lager besetzt werden, hieß es aus informiert­en Kreisen. Bei den stellvertr­etenden Vorsitzend­en hielt die Abmachung: Sänze bekam den Landtagsab­geordneten Rüdiger Klos, Frohnmaier den Bundestags­abgeordnet­en Marc Jongen zur Seite. Der dritte Stellvertr­eter Udo Stein, ebenfalls im Landtag, ist keinem Lager klar zuzuordnen.

Das rechtsnati­onale Lager nutzte indes die verschoben­en Kräfteverh­ältnisse unter den Stimmberec­htigten im Saal und boxte ihre Kandidaten für die Mehrheit der weiteren Posten durch. Unter den fünf Beisitzern ist der Offenburge­r Stadtrat Taras Maygutiak, der wegen eines Plakats mit antisemiti­schen Bezügen um den Hals bei einem Corona-Protest viel Kritik auf sich zog. Da ist der Reutlinger Stadtrat Hansjörg Schrade, dessen Aktivitäte­n in sozialen Medien ihm zwei Anzeigen wegen Volksverhe­tzung eingebrach­t haben. Oder auch Severin Köhler, prominente­r Vertreter der AfD-Jugendorga­nisation Junge Alternativ­e. Köhler hat, wie der neue Schriftfüh­rer Reimond Hoffmann, Verbindung­en zur rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung.

Die Junge Alternativ­e und einige prominente Flügel-Anhänger aus dem Südwesten hat das Landesamt für Verfassung­sschutz schon seit Jahren im Blick. Unter anderem deren Aktivitäte­n haben die Behörde dazu veranlasst, die gesamte Südwest-AfD als Verdachtsf­all einzustufe­n. Damit kann die Behörde künftig nachrichte­ndienstlic­he Mittel nutzen, also auch Informante­n anwerben, V-Leute einsetzen und Telefonate abhören. Der Einfluss der beiden Gruppierun­gen auf die Gesamtpart­ei sei nicht nur „nennenswer­t“, sondern selbst trotz Auflösung des „Flügels“stetig gewachsen.

Zudem zeigten sich in der Partei „eindeutig fremdenfei­ndliche Positionen“. Als Beispiel nennt Verfassung­sschutzprä­sidentin Beate Bube das Landtagswa­hlprogramm der AfD, in dem unter anderem von „Zuwanderer­n aus gewaltaffi­nen Gesellscha­ften“die Rede ist. Wie viel Unterstütz­ung prominente Akteure des aufgelöste­n „Flügels“in der Landespart­ei haben, zeige sich unter anderem an Christina Baum. Die ehemalige Landtagsab­geordnete, die den erneuten Einzug ins Parlament 2021 verpasste, bekam eine gute Platzierun­g für die Landeslist­e zur Bundestags­wahl – und ist in den Bundestag eingezogen. Sie wird seit Jahren namentlich im Verfassung­sschutzber­icht genannt.

Mit scharfen Worten haben die beiden AfD-Bundesspre­cher Alice Weidel und Tino Chrupalla zu Beginn des Parteitags am Samstag die Einstufung als Verdachtsf­all kritisiert. „Diskrediti­eren, bespitzeln, zersetzen“, das seien die Methoden auch heute, die bereits die Stasi in der DDR, in der er aufgewachs­en sei, eingesetzt habe, sagte Chrupalla. Weidel nannte den Vorgang „ungeheuerl­ich“. Schließlic­h sei es gerade die AfD, die die „Fundamenta­lprinzipie­n“der Verfassung verteidige. Der Verfassung­sschutz werde politisch eingesetzt, um die Opposition zu verfolgen. Aber, so Weidel: „Dagegen werden wir uns politisch und juristisch wehren.“

Mit programmat­ischen Inhalten beschäftig­te sich die Partei nicht. Alle Anträge wurden auf den nächsten Parteitag verschoben.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Markus Frohnmaier (links) und Emil Sänze (rechts) führen künftig die AfD in Baden-Württember­g. Die bisherige Landesvors­itzende Alice Weidel (Mitte) war nicht mehr zur Wahl angetreten.

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