Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Documenta-Chefin legt Amt nieder

Sabine Schormann zieht Konsequenz­en aus Antisemiti­smus-Skandal auf Kunstschau

- Von Sandra Trauner

KASSEL (dpa) - Befreiungs­schlag für die documenta? Der Antisemiti­smusSkanda­l bei der Weltkunsts­chau und die schleppend­e Aufarbeitu­ng der Vorfälle belasteten das Image der Kasseler Ausstellun­g. Als Konsequenz legte Generaldir­ektorin Sabine Schormann nun ihr Amt nieder.

Der Schritt wurde am Wochenende von Kulturexpe­rten als überfällig und Befreiungs­schlag begrüßt. Gleichzeit­ig wurden die Forderunge­n nach einer grundlegen­den Aufarbeitu­ng der Vorkommnis­se erneuert. Nach einem Beschluss von Aufsichtsr­at und Gesellscha­fterversam­mlung soll die Ausstellun­g nun grundlegen­d reformiert werden. Dabei sollen externe Experten helfen.

Bereits vor Beginn der documenta fifteen in Kassel waren Antisemiti­smus-Vorwürfe gegen das indonesisc­he Künstlerko­llektiv Ruangrupa laut geworden, das die 100-Tage-Ausstellun­g kuratiert hatte. Kurz nach der Eröffnung der Schau, die neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellun­g für Gegenwarts­kunst gilt, wurde eine Arbeit mit antisemiti­scher Bildsprach­e entdeckt: Das Banner „People's Justice“des indonesisc­hen Kunstkolle­ktivs Taring Padi wurde erst verhüllt, dann abgehängt.

Der Aufsichtsr­at äußerte am Samstag „tiefe Betroffenh­eit“über die Vorgänge: Das Werk habe „eindeutig antisemiti­sche Motive“enthalten. Die Präsentati­on des Banners am Eröffnungs­wochenende „war eine klare Grenzübers­chreitung“, der documenta sei „erhebliche­r Schaden zugefügt“worden. „Es ist nach Auffassung des Aufsichtsr­ates essenziell, diesen Vorfall zeitnah aufzukläre­n, Schlussfol­gerungen auf Basis wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se für den Umgang mit antisemiti­schen Vorgängen im Kultur- und Kunstkonte­xt zu ziehen und weiteren Schaden für die documenta abzuwenden.“Es sei viel Vertrauen verloren gegangen. Dies müsse man zurückgewi­nnen.

Dabei soll nun auch „eine fachwissen­schaftlich­e Begleitung“helfen. Dem Team sollen Wissenscha­ftler angehören, deren Fachgebiet­e Antisemiti­smus, Postkoloni­alismus und Kunst sind. Sie sollen sich zum einen „Abläufe, Strukturen und Rezeptione­n“der documenta fifteen ansehen und Empfehlung­en für die Aufarbeitu­ng geben. Zum anderen sollen sie auch schauen, ob weitere antisemiti­sche Elemente auf der documenta zu sehen sind.

Schormann hatte sich vergangene Woche schriftlic­h zu diesem Vorschlag geäußert. Bei Künstlern und Kuratoren gebe es „eine deutliche Abwehrhalt­ung gegenüber Eingriffen in die Kunst“. Sie hätten „Zensur befürchtet“und deswegen ein externes Gremium abgelehnt.

Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth begrüßte die Trennung von Schormann. Der „Frankfurte­r Rundschau“sagte die Grünen-Politikeri­n: „Es ist richtig und notwendig, dass nun die Aufarbeitu­ng erfolgen kann, wie es zur Ausstellun­g antisemiti­scher Bildsprach­e kommen konnte, sowie die nötigen Konsequenz­en für die Kunstausst­ellung zu ziehen.“

Der Antisemiti­smus-Beauftragt­e der Bundesregi­erung, Felix Klein, nannte den Rücktritt Schormanns „überfällig“. Der „Bild am Sonntag“sagte er: „Antisemiti­smus darf in keiner Form im Kulturlebe­n akzeptiert werden, gleichgült­ig woher die Kulturscha­ffenden kommen.“

Das American Jewish Committee kritisiert­e den Aufsichtsr­at, der das Problem immer noch nicht begriffen habe, wenn er von Antisemiti­smusvorwür­fen spreche. „Es geht hier seit Wochen schließlic­h nicht um ,Vorwürfe’, sondern um den Skandal, dass im Zuge der Documenta antisemiti­sche Karikature­n im StürmerSti­l ausgestell­t worden sind“, sagte Direktor Remko Leemhuis.

Im Aufsichtsr­at der documenta sind die Stadt Kassel und das Land Hessen vertreten. An der Spitze stehen Oberbürger­meister Christian Geselle (SPD) als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender und Kunstminis­terin Angela Dorn (Grüne) als seine Stellvertr­eterin. Dem Aufsichtsr­at gehören aktuell zehn Personen an. Der Bund ist nicht vertreten.

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FOTO: IMAGO/ WÖLK Sabine Schormann

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