Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Volksverhe­tzung kommt 56-Jähriger teuer zu stehen

Frau veröffentl­ichte auf ihrem Facebook-Profil Beiträge mit fremdenfei­ndlichen und antisemiti­schen Inhalten

- Von Jens Noll

LANDKREIS NEU-ULM - Welche Konsequenz­en es haben kann, wenn Menschen unüberlegt strafbare Inhalte auf Facebook verbreiten, hat eine Frau aus dem südlichen Landkreis Neu-Ulm am Amtsgerich­t Neu-Ulm erfahren. Der 56-Jährigen wurde Volksverhe­tzung in zwei Fällen vorgeworfe­n, einmal in Tateinheit mit Verleumdun­g und Beleidigun­g, sowie ein Fall von Beleidigun­g.

Laut Anklage veröffentl­ichte die Frau im Jahr 2021 auf ihrem öffentlich einsehbare­n Facebook-Profil drei Beiträge mit fremdenfei­ndlichem und antisemiti­schem Inhalt. Im ersten Fall handelte es sich um ein Bild der Aktivistin Carola Rackete mit einem dazugestel­lten Zitat, das Flüchtling­e verunglimp­fte und die Frau als Verbrecher­in darstellte. Rackete hatte internatio­nale Bekannthei­t erlangt, weil sie im Juni 2019 als Kapitänin des Schiffs „Sea-Watch 3“insgesamt 53 Flüchtling­e, die aus Libyen kamen, aus Seenot rettete. Trotz eines

Verbots durch italienisc­he Behörden lief sie nach wochenlang­em Warten auf eine Genehmigun­g mit dem Schiff den Hafen von Lampedusa an.

Außerdem soll die Angeklagte das Bild eines Judenstern­s mit dem Aufdruck „Nicht geimpft“weiterverb­reitet haben. Diese Abbildung ist nicht nur antisemiti­sch, sondern setzt auch die staatliche Impfkampag­ne mit dem Völkermord an den Juden gleich. Ferner wird der Frau vorgeworfe­n, ein Foto des sächsische­n Ministerpr­äsidenten mit einem dazugestel­lten Zitat gepostet zu haben, versehen mit dem Kommentar „Du bist ein kleiner Wichser“.

Ihr Verteidige­r Klaus Knopf sagte gleich zu Beginn der Verhandlun­g, dass seine Mandantin die drei Postings nicht bestreite. Er wolle aber klarstelle­n, dass die Frau weder eine Rechtsradi­kale noch eine Reichsbürg­erin sei. Sie selbst betonte, dass sie die genannten Motive nicht selbst erstellt, sondern lediglich weiterverb­reitet habe. Sie habe sich nichts dabei gedacht, da die Beiträge schon in Umlauf gewesen seien.

Hunderte andere, völlig unproblema­tische Postings hatte die Frau nach Angaben ihres Rechtsanwa­lts auf der Online-Plattform veröffentl­icht. Außerdem verwies er auf den Ermittlung­sbericht der Polizei, der zu dem Ergebnis kam, dass die Angeklagte keine radikalen Ansichten habe oder Judenhasse­rin sei. Sie habe die Taten aus Leichtsinn begangen, nicht aus bösartiger Gesinnung, sagte Knopf. Um das zu untermauer­n, legte er die schriftlic­he Bestätigun­g eines jüdischen Ehepaars vor: Demnach sind die Frau und der Mann seit Jahrzehnte­n mit der Angeklagte­n befreundet. Noch nie seien sie von ihr diskrimini­ert oder beleidigt worden.

Richterin Gabriele Buck konnte vor diesem Hintergrun­d aber noch weniger verstehen, warum die Frau das Bild mit dem Judenstern gepostet hatte. Es sei ja allgemein bekannt, dass das Thema sensibel sei. Und: „Es war gesetzwidr­ig, selbst wenn das Motiv auf 1000 TShirts gedruckt war“, sagte Buck. Auf Nachfrage der Richterin hatte die 56-Jährige nur eine mögliche Erklärung parat: Viele ihrer Freundscha­ften seien kaputt gegangen, weil jeder eine andere Meinung zum Thema Impfen gehabt habe. Das habe sie sehr belastet.

Gegen eine bereits im Frühjahr angeordnet­e Geldstrafe hatte die Frau Einspruch eingelegt. Da unstrittig war, dass sie Straftaten begangen hatte, ging es in der Verhandlun­g darum, welche Höhe angebracht ist. Oberstaats­anwalt Markus Schroth betonte, dass der erste Strafbefeh­l schon milde angesetzt gewesen sei, theoretisc­h hätte auch eine Freiheitss­trafe verhängt werden können. Er beantragte, den Tagessatz auf 30 Euro festzulege­n, der Anwalt forderte 20 Euro. Die Richterin zeigte nach eigenen Angaben viel guten Willen und verurteilt­e die 56-Jährige zu 165 Tagessätze­n à 30 Euro, insgesamt also knapp 5000 Euro. Zudem muss die Frau die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

„Du bist ein kleiner Wichser“

Mit diesem Kommentar soll die Angeklagte ein Foto des sächsische­n Ministerpr­äsidenten versehen haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany