Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der „Bolz-Minister“will es weiter wissen
Lennard Kämna ist der aktivste deutsche Fahrer bei der Tour – In der Schlusswoche soll ein Etappensieg her
CARCASSONNE (SID) - Auf den großen Wurf muss Lennard Kämna weiter warten, doch bei seinen Teamkollegen hat er bereits jetzt mächtig Eindruck hinterlassen: „Wir nennen ihn nur Herr Bolz-Minister“, sagte Nils Politt am Samstag in der ARD, nachdem Kämna mal wieder einen langen Radsport-Tag an der Spitze verbracht hatte, sich aber erneut nicht belohnte.
Lennard Kämna ist einfach nicht kleinzukriegen bei der 109. Tour de France: Dreimal hat es der 25-Jährige in der Hitze des französischen Sommers versucht, dreimal ist er gescheitert. Der Traum vom zweiten Etappensieg beim wichtigsten Radrennen der Welt aber lebt weiter. „Es wird nicht einfacher, aber wir werden es weiter probieren, so wie jedes Jahr“, gibt sich Kämna optimistisch. Und in der Tat: Die deutsche Hoffnungsträger und seine Kollegen vom Team Bora-hansgrohe vor der dritten Tour-Woche abzuschreiben, wäre verfrüht. Auf den anstehenden Pyrenäen-Etappen dürften kletterstarke Ausreißer wie Kämna abermals ihre Chance erhalten.
Ob es wirklich noch mal zum Etappensieg reicht, so wie 2020, als der Junge aus Wedel in Villard-deLans triumphierte, hängt auch von seiner Fitness ab. Kämna hat mit dem Giro d’Italia bereits eine dreiwöchige Rundfahrt in den Knochen – zudem schleppte er eine leichte Erkältung durch die zweite Tourwoche. „Aktuell
bin ich nicht bei 100 Prozent. Am Ende sind das die fünf Prozent, die fehlen, um um den Sieg mitzufahren“, sagt er. Der zweite Tour-Ruhetag am Montag kommt da gelegen – auch um den Frust der vergangenen Tage abzubauen.
„Schön Siebter, Achter, Neunter geworden. So richtige Voll-Amateure“, maulte ein bedienter Kämna am Samstag auf dem Flugplatz von Mende vor sich hin. Damit lag er zwar nicht ganz richtig, sein Teamkollege Patrick Konrad war auf der 14. Etappe Fünfter geworden: Doch dass es wieder nicht gereicht hatte für ihn und seine Mannschaftskameraden, zehrte an den Nerven des 25-Jährigen.
In den Tagen zuvor war Kämna bereits zweimal als Ausreißer gescheitert: Auf der siebten Etappe fuhr er ein mutiges Rennen, quälte sich als Führender die staubige und steile Super Planche des Belles Filles hinauf und wurde wenige Meter vor dem Ziel doch noch aus allen Träumen gerissen, als Titelverteidiger Tadej Pogacar und der Gesamtführende Jonas Vingegaard an ihm vorbeiflogen. Wenige Tage später verpasste Kämna den Etappensieg und – um gerade einmal elf Sekunden – das Gelbe Trikot. Das behielt an jenem Tag Pogacar, der im Anschluss von Kämna schwärmte: „Ich bewundere diesen Typen. Er beweist jedes Jahr, wie stark er ist.“
Doch Lob und schöne Spitznamen dürften Kämna selbst nicht genug sein. Der „Bolz-Minister“wird auch in den Pyrenäen weiter attackieren, um seine Stärke endlich in den ersehnten Etappensieg zu verwandeln.