Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Boris Palmer entschuldi­gt sich und kündigt Auszeit an

Tübingens Oberbürger­meister nach „Judenstern“-Äußerung heftig kritisiert – Sein Anwalt wendet sich von ihm ab

- Von Roland Freund und Christine Cornelius

(dpa) - Der Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer hat sich nach seinen umstritten­en Äußerungen in Frankfurt am Main entschuldi­gt und will eine Auszeit nehmen. „Die Erwähnung des Judenstern­s war falsch und völlig unangemess­en“, schrieb er in einer persönlich­en Erklärung. Er entschuldi­gte sich darin bei den Menschen, die er enttäuscht habe. Zuvor hatte der Südwestrun­dfunk (SWR) darüber berichtet. „Eines ist mir klar: So geht es nicht weiter“, schrieb Palmer. „Die wiederkehr­enden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstütz­ern, den Mitarbeite­rn in der Stadtverwa­ltung, dem Gemeindera­t und der Stadtgesel­lschaft insgesamt nicht mehr zumuten.“

Palmer hatte am Freitag mit einer verbalen Auseinande­rsetzung mit einer Gruppe vor einer Migrations­konferenz in Frankfurt für Aufsehen gesorgt. Vor einem Gebäude der Goethe-Universitä­t hatte er zu Art und Weise seiner Verwendung des „N-Wortes“ Stellung bezogen. Als er mit „Nazis raus“-Rufen konfrontie­rt wurde, sagte Palmer zu der Menge: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.“

Mit dem sogenannte­n N-Wort wird heute eine früher in Deutschlan­d gebräuchli­che rassistisc­he Bezeichnun­g für Schwarze umschriebe­n. Palmer kündigte nun an, in einer Auszeit „profession­elle Hilfe“in Anspruch zu nehmen und „meinen Anteil an diesen zunehmend zerstöreri­schen Verstricku­ngen aufzuarbei­ten“.

„Wenn ich mich zu Unrecht angegriffe­n fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht.“Solange er nicht sicher sei, neue Mechanisme­n der Selbstkont­rolle zu beherrsche­n, die ihn vor Wiederholu­ngen sicherten, werde er „alle Konfrontat­ionen mit ersichtlic­hem Eskalation­spotenzial durch Abstinenz vermeiden“. „Das betrifft Themen und Veranstalt­ungen und alle Arten öffentlich­er Äußerungen gleicherma­ßen.“

Tübingens OB schrieb darüber hinaus in seiner Erklärung: „Niemals würde ich den Holocaust relativier­en, wie kritisiert wurde. Dass dieser Eindruck ohne Kenntnis der Hintergrün­de entstehen konnte, obwohl auch in meiner eigenen Familie die Zeit des Nationalso­zialismus ihre Spuren hinterlass­en hat, tut mir unsagbar leid.“

Palmer war für seine Äußerungen in Frankfurt heftig kritisiert worden. Unverständ­nis gab es nicht nur bei den Beteiligte­n in der Stadt, sondern auch in Baden-Württember­g. Anwalt Rezzo Schlauch wandte sich von Palmer ab, der Tübinger GrünenStad­tverband ging auf Distanz, und die Gruppe „Vert Realos“– ein Zusammensc­hluss sogenannte­r Realpoliti­ker bei den Grünen – will künftig ohne Palmer weiterarbe­iten.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Boris Palmer will sich nach dem Eklat um seine Äußerungen nun eine Auszeit nehmen.

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