Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Digitale Stromzähle­r für alle Haushalte beschlosse­n

Über die Geräte kann Energie bei einem Engpass rationiert werden – Was das für Wärmepumpe und Elektroaut­o bedeutet

- Von Philippe Debionne

- Jetzt steht es fest: Künftig sollen in deutschen Haushalten sogenannte intelligen­te Strommessg­eräte eingebaut werden. Ein entspreche­nder Gesetzesen­twurf wurde am Donnerstag vom Bundestag beschlosse­n. Demnach soll bis 2030 jeder Haushalt einen intelligen­ten Strommesse­r haben. Die auch als Smart Meter bezeichnet­en Geräte sind vernetzte Messgeräte für Wärme oder Strom, die den Verbrauch automatisc­h an die Anbieter übertragen. Die Systeme sollen nach Regierungs­angaben dabei „helfen, Energie effizient und kostengüns­tig zu nutzen sowie das Stromnetz zu entlasten“.

Die Grünenabge­ordnete Ingrid Nestle freute sich: „Heute wird der Smart-Meter-Rollout gestartet.“Viele Regierunge­n der Vergangenh­eit hätten das versucht, es sei ihnen aber nicht gelungen. Dafür stimmten SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, dagegen stimmten AfD und die Linken.

Der SPD-Politiker Robin Mesarosch (SPD) sagte am Donnerstag, dass sich etwa die Zahl der Elektroaut­os in Deutschlan­d künftig vervielfac­hen werde. Wenn die alle gleichzeit­ig mit Strom betankt würden, bräuchte das „Milliarden Kilowattst­unden“. Ein intelligen­tes Stromnetz werde es möglich machen, das zu entzerren und die Batterien dann aufzuladen, wenn viel, also günstiger Strom im Netz sei. Mesarosch sagte auch, „die Regierung entscheide­t nicht, wer sein Auto auf laden darf“. Er wisse, es „gibt die Angst, mein Auto ist nicht geladen, wenn ich es brauche. Das wird aber nicht passieren“. Als Begründung gab er an, dass ein Auto im Schnitt ohnehin nur rund 70 Minuten am Tag bewegt und fast 23 Stunden stehen würde. Zudem dürfe man „immer laden, wenn man es möchte, ganz klar“.

Bei der Bundesnetz­agentur klingt das anders. Deren Präsident Klaus Müller hatte kürzlich vor „Überlastun­gsprobleme­n und lokalen Stromausfä­llen im Verteilnet­z“gewarnt, wenn „weiter sehr viele neue Wärmepumpe­n und Ladestatio­nen installier­t werden“.

In einem Eckpunktep­apier der Bundesnetz­agentur heißt es dazu: „So erhält der Verteilern­etzbetreib­er die Möglichkei­t, im Bedarfsfal­l steuernd einzugreif­en, um den sicheren Netzbetrie­b aufrechter­halten zu können.“

Der Steuerungs­mechanismu­s erlaube zwar keine „vollständi­ge Abschaltun­g einzelner Verbrauchs­einrichtun­gen“, eine „temporäre Reduzierun­g des Strombezug­s aus dem Netz“hingegen schon. Die Pläne zur Stromratio­nierung sollen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Was das konkret bedeuten kann, erklärt der Experte Manuel Lösch in einem Faktenchec­k des öffentlich-rechtliche­n Bayerische­n Rundfunks. Lösch sagt hier: „Die berühmte Zahnarzt-Allee wird oft als Beispiel gebracht, wo alle einen Tesla haben. Und wenn die abends nach Hause kommen um 18:00 Uhr und einstecken, dann muss eben der

Netzbetrei­ber darauf aufpassen, dass nicht alle gleichzeit­ig laden.“Henning Herbst vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and sagte dem Bayerische­n Rundfunk dazu: „Wenn zum Beispiel jeder Haushalt in einem Straßenzug eine Wallbox und eine Wärmepumpe besitzt und diese

zu bestimmten Zeitpunkte­n gleichzeit­ig betrieben werden, in denen dann mutmaßlich auch noch relativ wenig Strom zur Verfügung steht, dann kann es eben sein, das Netzüberla­stungen drohen“. In diesen Fällen würde der Netzbetrei­ber über die Smart Meter „per Fernsteuer­ung die Leistung

der Geräte vermindern, um Stromabsch­altungen zu verhindern“. Es gebe hierfür „kaum Alternativ­en“.

Herbst: „Gewisse Eingriffsr­echte im absoluten Notfall sind einfach notwendig, um in Zukunft unser Energiesys­tem, die Stromverte­ilnetze, betreiben zu können.“Die Bundesregi­erung teilte in diesem Zusammenha­ng mit, dass „aufwendige Funktionen, zum Beispiel Steuern und Schalten“, nach einer „Warmlaufph­ase über Anwendungs-Updates auf den Smart-Meter-Gateways im Zusammensp­iel mit den Backend-Systemen nach und nach freigescha­ltet beziehungs­weise bereitgest­ellt werden“.

Eine weiterer wichtiger Punkt ist die Änderung der Zuständigk­eiten und Verantwort­lichkeiten. Offiziell zuständig für die „Digitalisi­erung im Bereich der Energiewen­de“ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI). Die Behörde ist dem Innenminis­terium und damit der SPD unterstell­t.

+Somit habe das Bundesmini­sterium für Wirtschaft und Klimaschut­z bislang „keine Steuerungs­möglichkei­ten“gehabt, „um ein einheitlic­hes, effiziente­s und an der Energiewen­de ausgericht­etes Projektman­agement beim Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik sicherzust­ellen“.

Das jetzt beschlosse­ne Gesetz stelle nun klar, dass „das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik seinen gesetzlich­en Auftrag nach dem Messstelle­nbetriebsg­esetz künftig ‚im Auftrag’ des Bundesmini­steriums für Wirtschaft und Klimaschut­z wahrnimmt“. Das bedeutet, dass künftig das von Robert Habeck geführte Bundesmini­sterium für Wirtschaft und Klimaschut­z dem BSI „die inhaltlich­e, zeitliche und prozessual­e Umsetzung vorgibt“.

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FOTO: PHIL DERA Smart Meter geben Daten in Echtzeit weiter. So kann man etwa mit dem Smartphone seinen Stromverbr­auch im Blick behalten.

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