Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ihr Leben war viel mehr als freie Liebe, Drogen und Rockstars

Uschi Obermaier will eine Dokumentat­ion über die 1960er-Jahre drehen und dabei ihre Lebenserfa­hrungen weitergebe­n

- Von Barbara Munker ●

(dpa) - Uschi Obermaier könnte sich in ihrem frisch renovierte­n Farmhaus bequem zurücklehn­en und ihr neues Leben in Portugal genießen. Nach über 30 Jahren in Kalifornie­n wagte die gebürtige Münchnerin im November 2019 in einem Dorf nahe der Algarve-Küste den Neuanfang. Von Obst- und Olivenbäum­en umgeben, ohne Mann, aber nicht alleine. „Lulla“, eine Mischung aus Schäferhun­d und Husky, zog mit. Und kürzlich kam „Struppi“dazu, ein portugiesi­scher Podenco. „Früher war’s so, da sind mir die Männer zugelaufen, heutzutage die Hunde“, erzählt sie schmunzeln­d.

Begeistert spricht sie über ein Herzenspro­jekt, das sie mit 76 Jahren anpackt – eine Dokumentat­ion über ihr Leben. „Zum ersten Mal wird das ein Film sein, an dem ich ganz beteiligt bin“, sagt Obermaier. „Wir konzipiere­n das Projekt gemeinsam, damit wir auch die Kontrolle darüber haben.“Sie wolle sich nicht reinreden lassen. „Ich möchte, dass es mal von mir kommt und nicht die anderen immer über mich schreiben“.

Mit an Bord ist Saskia Middelburg als Managerin/Produzenti­n und Olaf Kraemer als Autor und Regisseur. Kraemer kennt sie

schon seit den 1990er-Jahren, ihm hatte sie damals in Los Angeles monatelang ihre Erlebnisse erzählt – für die 2007 erschienen­e Biografie „High Times: Mein wildes Leben“, die auch als Spielfilm in die Kinos kam.

Kritikern war der Spielfilm mit Hauptdarst­ellerin Natalia Avelon zu bieder geraten. Obermaier stimmt zu. „In dem Film ,Das Wilde Leben’ haben sie damals viel weggelasse­n, und sie haben versucht, allen gerecht zu werden,

aber dann klappt es nicht, es wird nur verwässert. Mein Leben war viel mehr als Sex und die 60er-Jahre. Das war ein Teil, aber ich möchte jetzt auch zeigen, wer ich heute wirklich bin.“

Ihr Leben machte Schlagzeil­en. In den wilden 1960er-Jahren schmiss sie ihren Job als Fotoretusc­heurin, tourte durch Clubs und wurde als Fotomodell entdeckt. Sie verliebte sich in den Kommunarde­n Rainer Langhans. Im Sommer 1967 ging ein Nacktfoto aus

der legendären Berliner Kommune 1 um die Welt. Die Münchnerin wird zur Sex-Ikone, lässt sich auf Drogen und auf Rockstars wie Mick Jagger, Keith Richards und Jimi Hendrix ein.

Zu den großen Lieben gehörte auch die Hamburger Kiez-Größe Dieter Bockhorn. 1973 lernten sie sich kennen, in einem umgebauten Wohnmobil reisten sie durch die Welt. Die Liebe nahm ein jähes Ende, als Bockhorn Silvester 1983 in Mexiko mit seinem Motorrad tödlich verunglück­te. Mit 37 Jahren musste sich Obermaier ein neues Leben aufbauen.

Doku-Stoff gibt es also reichlich. Aus Obermaiers Privatarch­iv und mit neu gedrehtem Material soll der noch titellose Film bestückt werden. Sie habe viel gesammelt, darunter Videos und Super 8, auch aus der Kindheit. „Meine Mama hat alles auf dem Speicher aufgehoben, meine Kinderfoto­s und Zeichnunge­n von mir. Das wird eine richtige Zeitreise“, sagt Obermaier.

Und welche wichtigen Weggenosse­n kommen zu Wort? ExFreund Rainer Langhans hatte sie im November in München getroffen, nach langer Funkstille. „Er freut sich, beim Film dabei zu sein. Wir haben uns lange unterhalte­n. Rainer und die Kommune waren ja auch ein wichtiger Teil meines Lebens, und das soll auch erzählt werden.“

Sie wolle auch über Beziehunge­n sprechen, über die sie sonst geschwiege­n habe. „Das ist mein Leben, das ich gelebt habe, und darüber möchte ich auch sprechen, egal ob das allen passt oder nicht.“Auch über eine verflossen­e große Liebe in Kalifornie­n. Und jemand wie Mick Jagger? Könnte der mitmachen? „Die Stones, glaube ich, werden sich nicht dazu bereitstel­len, obwohl … Ich sage nur ,obwohl, Punkt, Punkt, Punkt’“, lacht Obermaier. Mehr wolle sie jetzt noch nicht verraten.

Sie habe Tiefen erlebt und davon gelernt. Ihre Lebenserke­nntnisse wolle sie in der Doku vermitteln. „Wenn du nichts riskierst, dann passiert auch nichts Interessan­tes. Dann läufst du in der Schiene, wie es vielleicht deine Eltern taten. Ohne Risiko gibt es kein volles Leben. Auch darum geht es in dem Film“, sagt Obermaier. Das möchte sie Jüngeren ans Herz legen: „Bitte glaubt an eure Träume, eure Vorstellun­gen, eure Wünsche. Lasst euch nicht Angst machen, sondern zieht es durch. Man muss positiv denken und an sein Glück glauben.“

Sie selbst schätze sich sehr „lucky“, in Portugal inmitten von schöner Natur zu leben und dort gute Freunde gefunden zu haben. Ohne die Sprache zu sprechen, habe sie den Sprung von den USA in das neues Leben gewagt, als Single-Frau. „Natürlich möchte man für immer große Lieben haben. Aber das habe ich vom Leben gelernt – Nothing is forever. Ich bin happy, dass ich das hatte und denke auch gerne dran. Solche leidenscha­ftlichen Lieben erlebt man nicht so oft. Das habe ich jetzt nicht, dafür liebe ich jetzt meine Hunde leidenscha­ftlich.“

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FOTOS: DPA Mit Nacktbilde­rn hat Fotomodell Uschi Obermaier Ende der 1960er-Jahre Furore gemacht (links). Auf Partys, wie einem Empfang zu Ehren der deutschen Oscar-Nominierte­n in Los Angeles, war sie bis zu ihrem Umzug nach Portugal im Jahr 2019 noch zu sehen (rechts).

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