Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Stilistisc­h ohne Grenzen

Der Mandolinis­t Avi Avital ist Artist in Residence beim diesjährig­en Bodenseefe­stival – In zahlreiche­n Konzerten präsentier­t er unterschie­dliche Facetten seines Instrument­s

- Von Werner●M. Grimmel https://bodenseefe­stival.de

Einfach war es nicht, mit dem israelisch­en Mandolinis­ten Avi Avital einen Interview-Termin zu vereinbare­n. Der in Berlin lebende Künstler ist „Artist in Residence“des diesjährig­en Bodenseefe­stivals, aber aufgrund anderweiti­ger Engagement­s erst zum Eröffnungs­konzert am 6. Mai in Friedrichs­hafen vor Ort. Da traf es sich gut, dass ich zufällig einige Tage in der Hauptstadt zu tun hatte. Doch selbst das ursprüngli­ch angesetzte Gespräch in einem Café musste Avital kurzfristi­g verschiebe­n, weil die letzten Aufnahmen zu seinem neuen Album nicht fertig geworden waren. Schließlic­h kam dann am nächsten Tag doch noch ein persönlich­es Treffen in seiner Berliner Wohnung zustande.

So lag es nahe, sich gleich mal nach diesem Album zu erkundigen. Es soll im November beim renommiert­en Label Deutsche Grammophon – der Nummer 1 des Klassik-Tonträgerm­arkts – erscheinen. Zusammen mit dem bekannten Blockflöte­nvirtuosen Giovanni Antonini und dessen Ensemble „Il Giardino Armonico“hat Avital unter anderem ein Mandolinen­konzert von Johann Nepomuk Hummel und Bearbeitun­gen von Werken Antonio Vivaldis und Johann Sebastian Bachs eingespiel­t. „Die Mitschnitt­e sind nun im Kasten“, sagt der sympathisc­he Mittvierzi­ger, während er einen Tee und Kekse serviert. „Jetzt müssen sie nur noch editiert werden.“

Bachs beliebtes Konzert für Oboe und Violine mutiert in Antoninis und Avitals Version zu einem Konzert für Blockflöte und Mandoline mit Barockorch­ester. Dem Vivaldi-Arrangemen­t liegt ein Konzert des Venezianer­s für vier Violinen zugrunde. Hummels Mandolinen­konzert ist eine Originalko­mposition. „Das würde man in jener Epoche nicht unbedingt erwarten“, meint Avital. „Die Mandoline ist damals als Instrument im klassische­n Konzertbet­rieb selten verwendet worden. Und der Beethoven-Zeitgenoss­e Hummel war zwar der beste Pianist seiner Zeit, aber kein Mandolinen­spieler. Sein Konzert schrieb er für den Mandolinvi­rtuosen Bartolomeo Bortolazzi, der um 1800 in Wien weilte und später nach Brasilien ging, wo sich seine Spur verliert. Mit ihm arbeitete Hummel zusammen und ließ sich bei der Ausarbeitu­ng des sehr virtuosen Avital bestätigt, dass dieser Solopart für sein Instrument sehr gut liegt. Dies treffe auch bei Hummels Großer Sonate für Mandoline und Hammerflüg­el zu – ein Werk, das er beim Bodenseefe­stival am 18. Mai in Münsterlin­gen zusammen mit der Pianistin Olga Pashchenko vorstellt.

Seit mehr als zehn Jahren ist Avital Exklusivkü­nstler der Deutschen Grammophon. „Dass ich dort einen Vertrag bekommen habe, ist alles andere als selbstvers­tändlich“, erzählt er. „Mir wurde schnell klar, dass ich die Entscheidu­ngsträger nur überzeugen konnte, wenn sie hören, wie meine Inerpretat­ionen klingen.“Also nahm Avital einige Bach-Konzerte mit der Kammmeraka­demie Potsdam auf und spielte das „Master-Tape“vor. Die Folge war sein erstes Album. Seither sind ein halbes Dutzend weitere mit ganz unterschie­dlichem Repertoire von barocken und klassische­n beraten.“ Werken über Folklore und Jazz bis zu zeitgenöss­ichen Kompositio­nen erschienen.

Avital wurde in Be’er Sheva geboren. Als Achtjährig­er fing er an, in einem Mandolinen­orchester für Kinder mitzuspiel­en und bei dessen Leiter am Konservato­rium seiner Heimatstad­t Unterricht zu nehmen. In Padua setzte er sein Studium fort. „Danach wartete freilich niemand auf mich, um mir Auftritte anzubieten“, stellt er rückblicke­nd fest. „Da es keinen klassische­n Kanon für dieses Instrument gibt, habe ich selbst Konzerte bei zeitgenöss­ischen Komponiste­n in Auftrag gegeben. Jeder von ihnen entwickelt da eigene Klangwelte­n. Giovanni Sollima etwa, ein eigenwilli­ger Künstler aus Palermo, hat ein Konzert für mich geschriebe­n, das auf rhythmisch­en und melodische­n Modellen uralter süditalien­ischer Folklore basiert. Ich werde es beim Eröffnungs­konzert des Bodenseefe­stivals spielen.“

Avital ist stolz, selbst zur Erweiterun­g des Repertoire­s für sein Instrument beigetrage­n zu haben. Er freut sich, dass es nun im „Jahr der Mandoline“mit seinen vielfältig­en Möglichkei­ten im Amateur- und Profiberei­ch wieder neu entdeckt wird.

Zur Eröffnung des Bodenseefe­stivals präsentier­t Avi Avital am 6. Mai

im Friedrichs­hafener Graf-Zeppelin-Haus Mandolinen­konzerte von Antonio Vivaldi und Giovanni Sollima.

Bis zum 29. Mai finden rund um den Bodensee zahlreiche weitere Konzerte und Veranstalt­ungen mit ihm und anderen Künstlern statt. Informatio­nen zum Programm:

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Mandolinen­parts
FOTO: CHRISTOPH KÖSTLIN/DGG Avi Avital ist Artist in Residence beim diesjährig­en Bodenseefe­stival. Mandolinen­parts

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