Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die Unruhe bleibt auch an der Spitze
Wenig meisterliche Bayern erobern Tabellenführung zurück – Hainer umgeht Kahn-Frage
(SID) - Oliver Kahn hielt sich mit der rechten Hand an einem Absperrgitter fest, als er die lästige Zukunftsdebatte mit einem kernigen Lachen einfach wegwischte. „Selbstverständlich bin ich noch hier“, antwortete der umstrittene Vorstandschef auf die knifflige Frage, ob er den FC Bayern auch in der kommenden Saison anführen werde. Basta? Mitnichten! Die Münchner und ihre Bosse gaben auch nach der mühevollen Rückkehr an die Tabellenspitze Rätsel auf.
Das qualvoll schwere 2:0 (0:0) gegen Schlusslicht Hertha BSC gab dem Rekordchampion den Schlüssel zur elften deutschen Meisterschaft nacheinander wieder in die Hand, doch viele Beobachter fragten sich: Diese uninspirierte, zutiefst verunsicherte Mannschaft soll Dortmund auf Distanz halten? Zumal die belastenden Diskussionen um die wankende Führungsriege keinesfalls so leicht zu beenden sind, wie Kahn das glauben machen wollte.
Eine gute halbe Stunde vor ihm war Herbert Hainer aus der Kabine getreten – und der wichtigsten Frage ausgewichen. Steht Kahns Abschied längst fest? „Glauben Sie mir, wir konzentrieren uns jetzt alle auf das Sportliche“, sagte der Präsident, der als Aufsichtsratschef über die Vorstandszukunft entscheidet. Man „debattiere“über die Gesamtlage, das schon, aber „in aller Ruhe intern und sehr umsichtig, wie man das vom FC Bayern gewöhnt ist“. Nun ja.
Die treuesten Fans in der Südkurve jedenfalls senkten den Daumen. Im Kontrast zu Kahns „Ahead“-Programm wünschen sie sich den FC Bayern als „Familie“, regiert „mit Hirn und Herz“und „regional verwurzelt“, wie es auf Bannern hieß. Geht ihm all das nicht an die Nieren? „Wie kommen Sie darauf?“, sagte
Kahn: „Ein sehr weiser Trainer hat mal gesagt: Wer beim FC Bayern einen Vertrag unterschreibt, der muss wissen, was er getan hat.“
In der Aufsichtsratssitzung am 22. Mai, nur fünf Tage vor dem letzten Saisonspiel in Köln, soll über seine und die Zukunft von Sportchef Hasan Salihamidzic entschieden werden. Man werde „sehr kritisch miteinander umgehen“und „viele, viele Fragen stellen“, kündigte Kahn an: „Es ist ja nicht so, dass wir alles gut finden, was in den letzten Monaten passiert ist.“Salihamidzic beeilte sich zu betonen, er entscheide immer „zum
Wohle des FC Bayern, arbeite 24/7 und versuche, in jeder Minute für jeden da zu sein. Alles andere kann ich nicht beeinf lussen.“
Wenigstens standen die Münchner nach dem „vorgezogenen Tag der Arbeit“(Hainer) wieder vor Dortmund, wenn auch nur einen Punkt. „Man hat die Verunsicherung gesehen“, analysierte Hainer, doch Kahn betonte nach der äußerst dürftigen Vorstellung mit Toren von Serge Gnabry (69.) und Kingsley Coman (79.): „In so einer Phase geht's nicht darum, einen Schönheitspreis zu gewinnen.“
Sondern Spiele. Aber ob das in
Bremen, gegen Schalke und Leipzig sowie in Köln gelingen kann, daran zweifelt selbst Thomas Tuchel. „Wir strotzen nicht vor Leichtigkeit und Selbstvertrauen“, sagte der Trainer. Wie angeknackst die Seelen der Stars sind, machte Leon Goretzka deutlich, der klagte, Spieler würden „medial komplett kaputt gemacht“. Am Montag zog er seine Aussage via „Bild“als „undifferenziert“und „so nicht richtig“zurück.
Einzig Ur-Bayer Thomas Müller lebte das „Mia san mia“vor. Auf dem Platz, wo er in seiner Jokerrolle laut Tuchel „superwichtig“bleibe. Und daneben. „Da sind wir wieder!“, rief Müller beim Verlassen der Arena trotzig: „Wir holen uns das Ding, das könnt ihr ruhig schreiben!“Na dann.
„Wir strotzen nicht vor Leichtigkeit und Selbstvertrauen.“Thomas Tuchel