Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Prozess um geplante Lauterbach-Entführung gestartet

Angehörige der „Reichsbürg­er“-Szene vor Gericht – Vorwurf der Gründung einer Terrororga­nisation

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(AFP) - Nach ihrer Festnahme wegen Entführung­splänen gegen Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) im Zuge eines Umsturzes müssen sich seit Mittwoch fünf mutmaßlich­e Angehörige der sogenannte­n Reichsbürg­erszene vor Gericht verantwort­en. Zum Auftakt wurde vor dem Oberlandes­gericht im rheinland-pfälzische­n Koblenz die Anklage verlesen. Den Tatverdäch­tigen werden unter anderem die Gründung einer Terrororga­nisation und die Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat vorgeworfe­n.

Zusammen sollen sie einen Hochverrat geplant haben. Laut Bundesanwa­ltschaft schlossen sich die vier Männer und die Frau spätestens im Januar 2022 zusammen, um durch Gewalt und unter Inkaufnahm­e von Toten bürgerkrie­gsähnliche Zustände in Deutschlan­d auszulösen. Damit habe die Gruppe die Demokratie beseitigen und die Staatsgewa­lt übernehmen wollen.

Gemeinsam sollen die Angeklagte­n einen dreistufig­en Plan entworfen haben. Den Auftakt dazu sollten in einer Aktion namens „Silent Night“Sprengstof­fanschläge auf die Stromverso­rgung

bilden. Anschließe­nd sollte Lauterbach bei einem bewaffnete­n Angriff entführt werden. Dabei habe die Gruppe den Tod von Personensc­hützern in Kauf genommen.

„Operation Klabauterm­ann“sei die geplante Aktion innerhalb der Gruppe genannt worden, sagte Oberstaats­anwalt Wolfgang Barrot in seiner Anklagever­lesung. Von der gewaltsame­n Entführung eines ranghohen Vertreters der von ihnen verhassten Bundesregi­erung habe sich die Gruppe eine große Zustimmung für die neue Regierung und Zulauf von Unterstütz­ern aus Sicherheit­sbehörden erhofft.

Das dadurch entstehend­e Chaos wollte die Gruppe in einem dritten Schritt nach eigener Vorstellun­g nutzen, um eine „konstituie­rende Versammlun­g“einzusetze­n, die Regierung abzusetzen und eine „Führungspe­rson“zu installier­en.

Alle fünf Angeklagte­n sollen der Szene der sogenannte­n Reichsbürg­er angehören, laut deren Ideologie das 1918 untergegan­gene Deutsche Kaiserreic­h auf Grundlage der Verfassung von 1871 bis heute weiter existiert. Treibende Kraft soll die Angeklagte Elisabeth R. gewesen sein. Die 75-Jährige habe auf eine rasche Umsetzung der Pläne gedrungen und wiederholt bestimmte Termine benannt. „Um ihre Vorstellun­gen in die Tat umsetzen zu können, suchte sich R. Personen, die zur gewaltsame­n Absetzung der Regierung bereit waren“, sagte Barrot.

Mit Michael H. soll R. zum „administra­tiven Zweig“der Gruppe gezählt haben. Die anderen drei Angeklagte­n sollen sich im operativen „militärisc­hen Zweig“eingebrach­t haben. Zusammen sollen sie den dreistufig­en Plan entworfen haben. H. sei zudem für die Inszenieru­ng einer sogenannte­n False-Flag-Aktion unmittelba­r vor Anberaumun­g der „konstituie­renden Versammlun­g“zuständig gewesen. Dabei habe ein Schauspiel­er in einer Fernsehliv­esendung den amtierende­n Bundeskanz­ler oder Bundespräs­identen imitieren und verlautbar­en sollen, dass die Bundesregi­erung abgesetzt sei und wieder die Verfassung von 1871 gelte.

Die Gruppe habe sich mehrere Monate lang in Chatgruppe­n sowie bei realen Treffen vernetzt und ausgetausc­ht. Gemeinsam sollen sie bereits konkrete Vorbereitu­ngen für ihren Umsturzpla­n getroffen haben. „Entspreche­nd ihrer Gliederung in verschiede­ne Bereiche planten sie ein arbeitstei­liges Vorgehen“, führte Barrot aus.

Vier Angeklagte, darunter die Frau, stuft die Bundesanwa­ltschaft als Rädelsführ­er ein. Die Männer wurden im April 2022 festgenomm­en, die Frau im vergangene­n Oktober. Seitdem sitzen sie in Untersuchu­ngshaft. Das Gericht setzte für den Prozess dutzende Termine bis Mitte Januar kommenden Jahres an.

Lauterbach zeigte sich im Vorfeld des Prozessauf­takts besorgt über eine weitere Radikalisi­erung der Gesellscha­ft. „Es lässt nicht nach – wir werden da noch größere Probleme bekommen“, sagte er dem „Spiegel“.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD).

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