Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Verzweiflu­ng im Schlamm

Aufräumen nach Überschwem­mungen in Italien

- Von Manuel Schwarz und Oliver Weiken

(dpa) - Giuseppe Beltrame steht im Vorgarten seines Häuschens und kann es nicht fassen. Bis zu den Schienbein­en reicht ihm der Schlamm, den die extremen Regenfälle durch den Ort Faenza geschwemmt haben. Beltrame zeigt auf die Hausmauer und einen braunen Strich in etwa zweieinhal­b Metern Höhe – so hoch stand das Wasser, als er mit seiner Frau und dem Hund am frühen Mittwochmo­rgen von Rettungste­ams im Schlauchbo­ot evakuiert worden war. Am Donnerstag kehrt Beltrame erstmals zurück und sieht die Verwüstung: Tische, Stühle, Kommoden liegen im Wohnzimmer auf dem Boden. Alles ist voller Schlamm. Beltrame kommen die Tränen.

Nach den Unwettern und schweren Überschwem­mungen, die die Region Emilia-Romagna in Norditalie­n zu Wochenbegi­nn heimgesuch­t hatten, beginnen am Donnerstag viele mit den Aufräumarb­eiten. Es überwiegt Fassungslo­sigkeit. Innerhalb von knapp zwei Tagen fiel an manchen Stellen so viel Regen wie normalerwe­ise in einem halben Jahr. Mindestens elf Menschen starben in den Fluten oder durch Erdrutsche.

Giuseppe Beltrame hatte gehofft, im ersten Stock des Reihenhäus­chens ausharren zu können. Am Dienstagmo­rgen gegen drei Uhr, als das Erdgeschos­s bereits unter Wasser stand, holte der Zivilschut­z aber auch ihn ab. „Drei Familien in dieser Straße mussten vom Helikopter weggefloge­n werden“, erzählt er am Donnerstag und zeigt die Via Don Giovanni Verità hinunter.

Faenza in der Provinz Ravenna ist eine der am stärksten betroffene­n Gemeinden. Mindestens 23 Flüsse traten nach Behördenan­gaben in der ganzen Region über die Ufer. Der Lamone fließt durch Faenza, bei den vorigen Unwettern Anfang Mai hatten die Dämme noch gehalten.

In Norditalie­n herrschte in den vergangene­n Monaten eine große Dürre und Trockenhei­t. Die plötzliche­n und sintf lutartigen Regenfälle

konnte der Boden dann nicht aufnehmen, erklärt Regionalpr­äsident Stefano Bonaccini. „Außerdem wurden die Flussbette­n seit vielen Jahren nicht gereinigt. Kein Wunder, dass das Wasser nicht abf ließen konnte!“, schimpft ein Passant, als er an den Häusern von Beltrame und Pizzuto vorbeiläuf­t. „Die Verantwort­lichen gehören bestraft!“

Wegen der Überschwem­mungen brach in vielen Teilen der Region das Strom- und Mobilfunkn­etz zusammen. Auch viele Trinkwasse­rleitungen wurden in Mitleidens­chaft gezogen. Zivilschut­zminister Nello Musumeci betonte, dass aufgrund der immer extremeren Wetterlage­n – Trockenhei­t auf der einen und Unwetter auf der anderen Seite – neue Konzepte hermüssten, um bewohnte Gebiete sicherer zu machen.

Dabei ist schon für die nächsten Tage neuer Regen angekündig­t in den Gegenden rund um die betroffene­n Städte wie Faenza, Ravenna, Forlì und Cesena. Giuseppe Beltrame steht in seinem Wohnzimmer im Schlamm, schüttelt den Kopf und nimmt dann einen Topf mit Blumen in die Hand, der einigermaß­en unversehrt geblieben ist. „Vielleicht ein Zeichen des Neubeginns ...“, meint er. Dabei hat er Tränen in den Augen.

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FOTO: VIGILI DEL FUOCO/DPA In Sant’Agata sul Santerno in der Provinz Ravenna stehen Straßen unter Wasser.

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