Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Gefühlte Sicherheit nicht mehr so groß wie früher“
Vor dem Hintergrund steigender Gewalttaten gegen die queere Gemeinschaft versammeln sich Menschen vor dem Ulmer Münster
- Am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans- & Asexuellenfeindlichkeit – kurz IDAHOBITA - sind am Mittwoch auch in Ulm wieder Menschen auf die Straße gegangen. Vor dem Hintergrund steigender Gewalttaten gegen Angehörige sexueller Minderheiten hatten sich am Abend vor der Kulisse des Ulmer Münsters etwa 100 Menschen versammelt, um für mehr Respekt und Akzeptanz in der Gesellschaft gegenüber Menschen aus der queeren Gemeinschaft zu werben.
Laut einer Statistik des Bundesinnenministeriums sind queerfeindliche Gewalttaten in den vergangenen fünf Jahren konstant gestiegen. Durchschnittlich kommt es in Deutschland zu zwei Übergriffen pro Tag. Viele Vorfälle
stünden im Zusammenhang mit Paraden am Gedenktag Christopher Street Day (CSD), auch in Baden-Württemberg. Wie der Lesbenund Schwulenverband Baden-Württemberg
mitteilte, verlief in 2022 kaum ein CSD in Deutschland ohne Störungen. In Karlsruhe wurden Regenbogenfahnen verbrannt, in Münster erlag Malte C. den Folgen eines brutalen Angriffes.
Auch in Ulm kam es im Vorjahr bei einer Regenbogenparade anlässlich des CSD zu Störungen und Anfeindungen. Rund um den Münsterplatz sind damals Menschen beschimpft und sexuell belästigt worden. Auch zu Handgreif lichkeiten soll es bei dem „Pride March“gekommen sein. „Die gefühlte Sicherheit ist nicht mehr so groß, wie sie es vor ein paar Jahren war“, sagte am Mittwoch IDAHOBITA-Mitorganisator Clemens Kamm, Vorsitzender der Jusos Ulm. Seiner Einschätzung nach würden sich einzelne Personen immer mehr trauen, auf queeren Veranstaltungen zu stören.
Queerfeindliche Angriffe und Äußerungen wie 2022 in Ulm spielten laut Kamm selbstredend auch eine Rolle bei den Vorbereitungen für den diesjährigen IDAHOBITA, den die Jusos gemeinsam mit der Organisation „Young & Queer Ulm“, der Ortsgruppe „Grüne Jugend Ulm“und weiteren Gruppierungen planten. „Ich will nicht sagen, dass ich ein super mulmiges Gefühl habe, aber nach diesen ganzen Vorfällen
musst du leider damit rechnen, dass etwas passieren kann.“
Aus dieser Überlegung heraus setzten die Organisatoren am Mittwoch auch auf die Hilfe eines sogenanntes Awareness-Teams. Der englische Begriff „Awareness“bedeutet „Bewusstsein“oder „Wahrnehmung“. Ein solches Team bietet laut Clemens Kamm auf Veranstaltungen Unterstützung in Fällen von übergriffigem Verhalten, sexualisierter
Gewalt und Diskriminierung.
Vergleichbare Zwischenfälle wie beim „Pride March“im Vorjahr habe es am Mittwoch in Ulm nicht gegeben. Bis auf „ein paar komische Fragen“sowie den Auftritt einer „transfeindlichen Person an einem Infostand“, welche die öffentliche Veranstaltung nach Aufforderung aber verlassen haben soll, verlief der Ulmer IDAHOBITA laut Clemens Kamm friedlich.