Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Plädoyer für weniger Flächenverbrauch
Wie wohnen wir in Zukunft – Expertin auf dem Renn.Süd-Forum mahnt und warnt
- Steigende Baupreise und Mieten, zu wenig Wohnraum: Die Krise auf dem Wohnmarkt betrifft viele. Auf einem Forum in Ulm haben Experten und Bürger darüber diskutiert, wie Wohnen bezahlbar bleibt und Wohnraum geschaffen werden kann.
Die Wohnwende als neuartiger Ansatz? Keineswegs. „Schon vor 100 Jahren wurde das Wort benutzt“, sagte Susanne Dürr beim Renn.Süd-Forum in Ulm. Die Professorin für Städtebau und Gebäudelehre an der Hochschule Karlsruhe zeigte, dass sich die Gesellschaft schon seit Generationen mit dem Problem fehlender Wohnungen beschäftigt. Sie griff eine der Kernfragen beim Renn.Süd-Forum in Ulm auf: Wie sehen die Wohnformen der Zukunft aus?
Mehr als 70 Interessierte und Experten aus Baden-Württemberg
und Bayern diskutierten dazu im Haus der Begegnung. Dürr machte deutlich: Die Wohnwende ist keine neu neuer Ansatz, und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied zu früher: „Heute ändert sich unser Leben etwa alle zehn Jahre grundlegend und damit auch der Bedarf an Räumen.“Und: Während der Lebensalltag der Menschen früher sehr viel standardisierter war, gibt es heute eine Vielzahl an Wohn- und Lebenskonzepten.
Gleichzeitig seien häufig auch mehr Lager- und Stauflächen nötig, um die wachsende Zahl an Gegenständen unterzubringen. Der Bedarf an Wohnraum habe sich in den letzten 100 Jahren verdoppelt. „Jeder braucht einen Rückzugs- und Privatraum.“
Der steigende Bedarf an Wohnraum sei aber nur schwer in Einklang zu bringen mit ökologischen Gesichtspunkten und dem schonenden Umgang mit Flächen. „Wir müssen verhandeln über das, was wir bauen.“Die Gesellschaft müsse sich auch die Frage stellen, wie f lexibel Wohnraum gestaltet werden kann und „mit wem wir bereit sind, ihn zu teilen“.
Als Wohnform der Zukunft seien f lexible Räume denkbar, die dann ganz individuell genutzt werden können. Zwischen zwei Wohnungen könnte ein flexibler Raum entstehen, der je nach Bedarf der ersten oder der zweiten Wohnung zugeordnet wird.
Oder: Von einer jeweiligen Kernwohnung aus könnte mehreren Bewohnern der Zugang zu Gemeinschaftszimmern wie etwa Küche, Werkstatt oder Arbeitszimmern ermöglicht werden. Solche Modelle werden bereits vielerorts erprobt oder dauerhaft genutzt.
Das Problem am Status Quo: „Etwa die Hälfte der 45 Millionen
Wohneinheiten sind Einfamilienhäuser“, sagte Dürr. Sie forderte dem „immensen Flächenverbrauch etwas entgegen zu setzen“. Und fügte hinzu: „Wir brauchen eine orchestrierte Vielfalt.“
Praxisnahe Einblicke gaben auch eine Reihe weiterer Experten, die unter anderem über die kommunalen Wohnungs- und Bodenpolitik, über die Reduzierung des Flächenverbrauchs, bis hin zur Bedeutung von selbstorganisierten Wohngruppen und öffentlichen Räumen sprachen. Darunter war auch Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch.
Renn.Süd ist eine von vier regionalen Netzstellen. Diese wurden auf Empfehlung des Rates für nachhaltige Entwicklung (RNE) von der Bundesregierung ins Leben gerufen. Aufgabe der Netzwerke ist es, Ideen und Aktivitäten aus der Zivilgesellschaft zu unterstützen.