Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Plädoyer für weniger Flächenver­brauch

Wie wohnen wir in Zukunft – Expertin auf dem Renn.Süd-Forum mahnt und warnt

- Von Andreas Spengler

- Steigende Baupreise und Mieten, zu wenig Wohnraum: Die Krise auf dem Wohnmarkt betrifft viele. Auf einem Forum in Ulm haben Experten und Bürger darüber diskutiert, wie Wohnen bezahlbar bleibt und Wohnraum geschaffen werden kann.

Die Wohnwende als neuartiger Ansatz? Keineswegs. „Schon vor 100 Jahren wurde das Wort benutzt“, sagte Susanne Dürr beim Renn.Süd-Forum in Ulm. Die Professori­n für Städtebau und Gebäudeleh­re an der Hochschule Karlsruhe zeigte, dass sich die Gesellscha­ft schon seit Generation­en mit dem Problem fehlender Wohnungen beschäftig­t. Sie griff eine der Kernfragen beim Renn.Süd-Forum in Ulm auf: Wie sehen die Wohnformen der Zukunft aus?

Mehr als 70 Interessie­rte und Experten aus Baden-Württember­g

und Bayern diskutiert­en dazu im Haus der Begegnung. Dürr machte deutlich: Die Wohnwende ist keine neu neuer Ansatz, und doch gibt es einen entscheide­nden Unterschie­d zu früher: „Heute ändert sich unser Leben etwa alle zehn Jahre grundlegen­d und damit auch der Bedarf an Räumen.“Und: Während der Lebensallt­ag der Menschen früher sehr viel standardis­ierter war, gibt es heute eine Vielzahl an Wohn- und Lebenskonz­epten.

Gleichzeit­ig seien häufig auch mehr Lager- und Staufläche­n nötig, um die wachsende Zahl an Gegenständ­en unterzubri­ngen. Der Bedarf an Wohnraum habe sich in den letzten 100 Jahren verdoppelt. „Jeder braucht einen Rückzugs- und Privatraum.“

Der steigende Bedarf an Wohnraum sei aber nur schwer in Einklang zu bringen mit ökologisch­en Gesichtspu­nkten und dem schonenden Umgang mit Flächen. „Wir müssen verhandeln über das, was wir bauen.“Die Gesellscha­ft müsse sich auch die Frage stellen, wie f lexibel Wohnraum gestaltet werden kann und „mit wem wir bereit sind, ihn zu teilen“.

Als Wohnform der Zukunft seien f lexible Räume denkbar, die dann ganz individuel­l genutzt werden können. Zwischen zwei Wohnungen könnte ein flexibler Raum entstehen, der je nach Bedarf der ersten oder der zweiten Wohnung zugeordnet wird.

Oder: Von einer jeweiligen Kernwohnun­g aus könnte mehreren Bewohnern der Zugang zu Gemeinscha­ftszimmern wie etwa Küche, Werkstatt oder Arbeitszim­mern ermöglicht werden. Solche Modelle werden bereits vielerorts erprobt oder dauerhaft genutzt.

Das Problem am Status Quo: „Etwa die Hälfte der 45 Millionen

Wohneinhei­ten sind Einfamilie­nhäuser“, sagte Dürr. Sie forderte dem „immensen Flächenver­brauch etwas entgegen zu setzen“. Und fügte hinzu: „Wir brauchen eine orchestrie­rte Vielfalt.“

Praxisnahe Einblicke gaben auch eine Reihe weiterer Experten, die unter anderem über die kommunalen Wohnungs- und Bodenpolit­ik, über die Reduzierun­g des Flächenver­brauchs, bis hin zur Bedeutung von selbstorga­nisierten Wohngruppe­n und öffentlich­en Räumen sprachen. Darunter war auch Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch.

Renn.Süd ist eine von vier regionalen Netzstelle­n. Diese wurden auf Empfehlung des Rates für nachhaltig­e Entwicklun­g (RNE) von der Bundesregi­erung ins Leben gerufen. Aufgabe der Netzwerke ist es, Ideen und Aktivitäte­n aus der Zivilgesel­lschaft zu unterstütz­en.

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FOTO: SVEN STOLZENWAL­D Bürger und Experten haben beim Renn.Süd-Forum über die Wohnformen der Zukunft gesprochen.

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